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Mängelansprüche vor Abnahme: VOB / B-Vorschussansprüche erfordern grundsätzlich vorherige Kündigung!

Update Real Estate & Public 09/2018

September 2018

Hintergrund

Oftmals wird übersehen, dass für Mängelansprüche des Auftraggebers vor Abnahme andere Regeln gelten als für Mängelansprüche nach Abnahme. Dies gilt sowohl für den BGB-Bauvertrag als auch für den VOB / B-Vertrag. Insbesondere für Selbstvornahme- und Vorschussansprüche setzt die VOB / B ausdrücklich eine vorherige Kündigung des Auftraggebers voraus. Anders als noch in früheren Entscheidungen hat der BGH nun in seinem Urteil vom 14.11.2017 – VII ZR 65714 – klargestellt, dass eine Kündigung nur in engen Ausnahmefällen entbehrlich ist. Ohne vorherige Kündigung hat der Auftraggeber daher das Risiko, seine Ansprüche nicht durchsetzen zu können.

Entscheidung

In dem vom BGH entschiedenen Fall zeigten sich während der Bauzeit Durchbiegungen an der vom Auftragnehmer (AN) zu errichtenden Dachkonstruktion. Der Auftraggeber (AG) forderte den AN daher auf, die Dachkonstruktion zu verstärken. Der AN kam der Forderung nicht nach und legte Schlussrechnung. Der AG verweigerte die Abnahme und verlangte vom AN Zahlung eines Vorschusses zur Mangelbeseitigung.

Der Vorschussanspruch im VOB / B-Vertrag vor Abnahme setzt eine Kündigung des AG voraus (§ 4 Nr. 7, § 8 Nr. 3 Abs. 2 S. 1 in der in dem Fall anwendbaren Fassung der VOB / B aus 2006; nunmehr § 4 Abs. 1 Nr. 7, § 8 Abs. 3 Nr. 2 VOB / B). Der BGH war in früheren Urteilen davon ausgegangen, dass eine Kündigungserklärung nach Treu und Glauben bei ernsthafter und endgültiger Erfüllungsverweigerung des AN regelmäßig entbehrlich sei. Denn der AN habe durch seine endgültige Weigerung das Recht zur Vertragserfüllung verloren. An dieser Rechtsprechung hält der BGH nicht mehr uneingeschränkt fest. Der Verlust des Rechts des AN, den Vertrag zu erfüllen, dürfe nicht zur Einschränkung der Rechte des AG führen, der ja immer noch statt der Selbstvornahme die Erfüllung vom AN fordern und ggf. einklagen könne. Aus diesem Grunde bedürfe es nicht nur der ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung des AN, sondern zudem eines Verhaltens des AG, das zumindest konkludent zum Ausdruck bringt, dass er den Vertrag mit dem AN beenden will. Fehlt eine solche schlüssige Handlung des AG, sollen ihm die entsprechenden Mangelrechte nicht zustehen.

Praxistipp

Mängelanspruche aus einem VOB / B-Vertrag vor Abnahme sind unter konsequenter Einhaltung der vorgegebenen Formalien durchzusetzen. Das Urteil des BGH gilt nicht nur für den Vorschussanspruch, sondern auch für den Anspruch auf Selbstvornahme des AG vor Abnahme. Will der AG die vorgenannten Rechte geltend machen, muss er seinen Willen zur Beendigung des Bauvertrags hinreichend klar zum Ausdruck bringen. Offen ist allerdings nach dem Urteil, was hierfür erforderlich sein soll. Das bloße Fordern eines Vorschusses (wie vorliegend) ist nicht ausreichend.

Der Auftraggeber wird sich daher überlegen müssen, ob er den Vertrag wegen Mängeln ausdrücklich (teil-)kündigt. Alternativ zu einem Handeln vor Abnahme kommt die Erklärung der Abnahme unter Mangelvorbehalt in Betracht. In diesem Falle richten sich die Mängelansprüche des AG nach § 13 Abs. 5 VOB / B. Der AG ist dann bei ernsthafter und endgültiger Erfüllungsverweigerung des AN sofort berechtigt, die Mängel im Wege der Ersatzvornahme zu beseitigen oder hierfür Vorschuss zu verlangen.

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Autoren

Foto vonNicolai Ritter
Dr. Nicolai Ritter
Partner
Berlin
Foto vonTino Beuthan
Tino Beuthan, M.Sc. (University of London)
Counsel
Berlin