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Vorabinformationspflicht auch bei Vergabeverfahren unterhalb der Schwellenwerte

Update Real Estate & Public 09/2018

September 2018

Hintergrund

Eine Gemeinde beabsichtigte, einem gemeinnützigen Förderverein eine in ihrem Eigentum stehende Grundstücksfläche von etwa 10.500 m² vertraglich zu überlassen. Der Verein sollte die auf dem Gelände vorhandenen Freizeitanlagen ausbauen, unterhalten und der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Hiergegen wandte sich ein österreichisches Unternehmen, das ebenfalls Interesse an dem Vertrag hatte. Das Unternehmen monierte die fehlende Durchführung eines Vergabeverfahrens und beantragte eine einstweilige Verfügung vor dem Landgericht. Nachdem diese abgelehnt worden war, schlossen die Gemeinde und der Förderverein den Überlassungsvertrag ab. Mit der Berufung vor dem OLG Düsseldorf begehrte das Unternehmen nunmehr eine Untersagung der Nutzungsüberlassung an den gemeinnützigen Verein.

Die Entscheidung

Die Berufung hatte keinen Erfolg, da das Unternehmen nicht glaubhaft machen konnte, ein ernsthaftes eigenes Interesse am Vertragsschluss zu haben. Es fehlte damit bereits an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse für das Begehren (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.12.2017 – 27 U 25 / 17). Bedeutend sind jedoch die weiter gehenden Ausführungen des Gerichts:

Zunächst charakterisierte das OLG Düsseldorf den Auftrag als Dienstleistungskonzession. Auch unterhalb der vergaberechtlichen Schwellenwerte erfordere der Gleichbehandlungsgrundsatz, solche Verträge in einem transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren zu vergeben. Der Vertrag könnte nichtig sein, da die Gemeinde das Unternehmen weder über den beabsichtigten Vertragsschluss mit dem gemeinnützigen Förderverein informiert hatte, noch im Anschluss hieran eine angemessene Wartefrist einhielt. Nach Auffassung des OLG Düsseldorf bestehen gewichtige Gründe, auch im Unterschwellenbereich die Einhaltung einer Informations- und Wartepflicht durch den öffentlichen Auftraggeber zu verlangen. Ein vollständiger und effektiver Rechtsschutz verlange, sämtliche Bieter vor Abschluss eines Vertrags von der Zuschlagsentscheidung zu unterrichten und vor Unterzeichnung des Vertrages eine angemessene Wartefrist einzuhalten. Ein unter Verstoß gegen die Informations- und Wartepflicht geschlossener Vertrag soll demnach nach § 134 BGB wegen „Verstoßes gegen ein ungeschriebenes Gesetz“ nichtig sein.

Praxistipp

Die Entscheidung überrascht und ist in der Vergaberechtspraxis mit großer Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen worden. Informations- und Wartepflichten vor Erteilung des Zuschlags gelten bisher nur bei EU-weiten Vergabeverfahren oberhalb der Schwellenwerte (vgl. § 134 GWB). In der für den Unterschwellenbereich im Jahr 2017 neu gefassten Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) hat der Verordnungsgeber auf eine Regelung zu Informations- und Wartepflichten von öffentlichen Auftraggebern bewusst verzichtet. Für Dienstleistungskonzessionen fehlt es bei unterschwelligen Vergaben bereits an einem eigenständigen Regelwerk. Das OLG Düsseldorf kreiert nunmehr ein „ungeschriebenes Gesetz“, dessen Beachtung zu weitreichenden Konsequenzen für die Vergabepraxis führen wird. Es ist mit Spannung zu erwarten, ob sich auch andere Gerichte der Auffassung des OLG Düsseldorf anschließen. Einstweilen ist Auftraggebern zu raten, die erforderlichen Informations- und Wartepflichten auch bei Unterschwellenvergaben zu beachten, um nicht eine Nichtigkeit des Vertrags zu riskieren. Das OLG Düsseldorf hat sich allerdings nicht zu den inhaltlichen Anforderungen an die Informations- und Wartepflichten geäußert. Es empfiehlt sich daher, bis auf Weiteres die Vorgaben des für den Oberschwellenbereich geltenden § 134 GWB entsprechend anzuwenden.

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Autoren

Dr. Rajiv Chandna