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Alles Käse? – Die deutsche Rechtsprechung konkretisiert die Vorgaben für die Bezugnahme auf Milch bei pflanzlichen Produkten

Update Gewerblicher Rechtsschutz & Kartellrecht 05/2019

Mai 2019

Ein veganer Lebensstil und pflanzlich basierte Produkte erfreuen sich zunehmender Aufmerksamkeit. Gleichzeitig gibt es Lebensmittelkategorien, die keine vegane Tradition aufweisen – dies umfasst beispielsweise nahezu alles, was der Verbraucher im Kühlregal findet. Bei der Angabe des Verwendungszwecks dieser Lebensmittel orientieren sich die Hersteller oft an bekannten oder gesetzlich definierten Produktkategorien. Dies ruft die Frage nach der korrekten Bezeichnung und Bewerbung von „Ersatzprodukten“ hervor, also rein pflanzlich basierten Produkten, die in der Wahrnehmung des Verbrauchers an die Stelle herkömmlicher, tierischer Produkte rücken sollen, ebenso wie Mischprodukten, bei denen die tierischen Bestandteile nur teilweise mit pflanzlichen ersetzt werden.

Das Recht der Europäischen Union ist in dieser Hinsicht für Milchprodukte allerdings strikt: Als „Milch“ darf nur das Erzeugnis „der normalen Eutersekretion, ohne jeglichen Zusatz oder Entzug“ bezeichnet werden, das „durch ein- oder mehrmaliges Melken“ gewonnen wurde (Art. 78 Abs. 2 i. V. m. Anhang VII Teil III Nr. 1 Verordnung [EU] Nr. 1308 / 2013). Zudem dürfen als „Milcherzeugnisse“ nur solche Produkte bezeichnet werden, die aus Milch gewonnen sind und denen nur andere Stoffe zugesetzt werden dürfen, wenn sie „nicht verwendet werden, um einen der Milchbestandteile vollständig oder teilweise zu ersetzen.“ Bei einem Milcherzeugnis darf also nicht Milch durch eine Ersatzzutat substituiert werden. Diese Anforderungen erstrecken sich auch auf zahlreiche konkret bezeichnete Milcherzeugnisse, darunter „Rahm“, „Butter“ und „Käse“ (zum Ganzen: Anhang VII Teil III Nr. 2 Verordnung [EU] Nr. 1308 / 2013).

Eine Ausnahme gilt für Produkte, die traditionell begrifflich auf Milch Bezug nehmen, ohne ein Milchprodukt im vorgenannten Sinne zu sein (Anhang VII Teil III Nr. 5 U Abs. 2 Verordnung [EU] Nr. 1308 / 2013). Solche Produkte finden sich in Anhang I des Beschlusses 2010 / 791 / EU. Dort werden etwa Kokosmilch und Leberkäse genannt. Die Liste ist allerdings eng auszulegen. Schon die Kombination einer dort aufgeführten Bezeichnung mit einer Bezeichnung für Milcherzeugnisse – „Quark aus Kokosmilch“ – kann unzulässig sein.

Der EuGH bestätigte diesen strengen Ansatz im Jahr 201 (Urteil vom 14. Juni 2017 – C-422 / 16 – Pflanzenkäse): Bei einem Lebensmittel, das die Anforderungen an ein Milchprodukt nicht erfüllt und nicht unter die geregelten Ausnahmen fällt, darf die Bezeichnung selbst dann nicht auf ein Milchprodukt Bezug nehmen, wenn sie durch klarstellende oder beschreibende Zusätze ergänzt wird. Nach diesen Maßstäben war u. a. die streitgegenständliche Bezeichnung „Pflanzenkäse“, die gerade eine mögliche Irreführung vermeiden sollte, unzulässig.

Ist diese Entscheidung zunächst als Per-se-Verbot verstanden worden, (teil-)pflanzliche Lebensmittel mit Bezeichnungen in den Verkehr zu bringen, die an Milchprodukte angelehnt sind, so zeigt die Rechtsprechung der Instanzgerichte nun den Umfang des Verbots und mögliche Auswege detaillierter auf:

So kommt eine Anleihe an ein Milchprodukt außerhalb der lebensmittelrechtlich zwingenden Bezeichnung gemäß Art. 17 LMIV in Frage. Informiert der Lebensmittelhersteller über die Verwendungsmöglichkeiten („zu verwenden wie …“) auf der Produktverpackung, so ist dies grundsätzlich in sachlicher Weise möglich (LG Hamburg, Urteil vom 13. Juli 2018 – 315 O 425 / 17 – „wie Crème fraîche“). Wird eine solche Information aber nur als Ausgangspunkt verwendet, um den geschützten Begriff eines Milchprodukts für ein Mischprodukt aus pflanzlichen Fetten und Milch in den Vordergrund zu stellen („zu verwenden wie Crème fraîche“ unter optischer Hervorhebung der Worte „Crème fraîche“), so entnimmt der Verbraucher dieser schlagwortartigen Hervorhebung die Information, es handele sich um ein Milchprodukt. Unerheblich ist es dann auch, wenn man auf den Mischcharakter des Produkts durch die gleichzeitige Angabe „15 % Fett“ soll schließen können – diese weist nämlich nur auf eine mögliche Fettreduzierung hin. Auch Angaben im Zutatenverzeichnis können die Rechtsverletzung nicht beseitigen.

Zweitens kommt eine ausdrückliche Abgrenzung in Frage. So hatte das LG Osnabrück über die Aussage zu befinden, ein pflanzliches Fett sei die „rein pflanzliche Alternative zu Butterschmalz“ (LG Osnabrück, Urteil vom 23. Januar 2018 – 15 O 377 / 17). Ausgangspunkt der Entscheidung war die Rechtsprechung des EuGH, dass eine Bezeichnung wie „Butterschmalz“ nur für Milchprodukte verwendet werden dürfe. Hier werde der Begriff aber gerade nicht als Bezeichnung verwendet. Vielmehr liege nur eine beschreibende Angabe vor. Dafür spreche nicht nur die vergleichsweise beträchtliche Länge der Aussage und deren im Vergleich zur Bezeichnung unauffällige Präsentation auf der Produktverpackung. Zusätzlich sei die Ausweisung des Produkts als pflanzliche Alternative zu Butterschmalz eine klare Abgrenzung zu diesem Milcherzeugnis und gerade keine Kennzeichnung als solches. Die beschreibende Angabe sei daher zulässig.

Die genannten Entscheidungen stehen nicht im Widerspruch zueinander. Sie markieren vielmehr die Trennlinie zwischen einer unzulässigen Bezeichnung als Milcherzeugnis oder einer allzu offensiven Anleihe an eine solche Bezeichnung sowie einer zulässigen beschreibenden Angabe in Abgrenzung zu einem Milcherzeugnis. Dabei kommt es nicht nur auf die richtige Formulierung an. Auch die grafische Gestaltung kann das Produkt in eine unzulässige Nähe zu einem Milcherzeugnis rücken (vgl. nur LG Konstanz, Urteil vom 22. Juni 2017 – 7 O 25 / 16 KfH – Wie Frischkäse). Daher ist bei einem (teilweisen) Ersatz tierischer durch pflanzliche Fette und einer Bezugnahme auf ein Milchprodukt jedes Detail der Produktaufmachung prüfungs- und abwägungsrelevant. Wenn das Ziel der Kennzeichnung nicht die sachliche Aufklärung des Verbrauchers, sondern die Anlehnung an Milchprodukte ist, ist auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung deutscher Instanzgerichte das Risiko einer unzulässigen Verwendung der geschützten Begriffe groß.

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Dr. Heike Blank
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Köln
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Dr. Johannes Marl, LL.M.