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Auftragswertberechnung bei Planungsleistungen – auch später zu beauftragende Leistungsphasen sind einzubeziehen

Update Real Estate & Public 09/2020

September 2020

Hintergrund

Die Frage, inwieweit verschiedenartige Planungsleistungen eines Bauvorhabens bei der Auftragswertberechnung addiert werden müssen, ist umstritten. Gerichte haben für unterschiedliche Konstellationen das Gebot postuliert, verschiedenartige Planungsleistungen aufzuaddieren (vgl. EuGH, Urteil vom 15.03.2012 – C-574/10 –, „Autalhalle Niedernhausen“; OLG München, Beschluss vom 13.03.2017 – Verg 15/16). Das Bundesbauministerium ist dem mit einem Ministerialerlass vom 16.05.2017 entgegengetreten; mittlerweile hat aber die Europäische Kommission am 24.01.2019 u. a. gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren beim EuGH eingeleitet, das sich gegen § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV richtet, demzufolge nur „gleichartige“ Planungsleistungen aufzuaddieren sein sollen. 
Im streitgegenständlichen Fall ging es um die Neuerrichtung eines Feuerwehrgerätehauses mit einem geschätzten Auftragswert von EUR 3,4 Mio. Die Planungsleistungen für die Leistungsphasen 1 bis 9 wurden auf einen Wert von ca. EUR 500.000 netto geschätzt. Die Vergabestelle entschloss sich, zunächst nur die Leistungsphasen 1 bis 4 zu einem Schätzwert von EUR 130.000 brutto auszuschreiben. Die weiteren Leistungsphasen sollten gesondert vergeben werden, wobei die genaue Vorgehensweise offenblieb. Aufgrund der Unterschreitung des EU-Schwellenwerts wurde nur eine nationale beschränkte Ausschreibung durchgeführt. Ein Bieter wandte sich gegen diese Ausschreibungsweise im Hinblick auf die Nichtbeachtung EU-vergaberechtlicher Vorschriften. 

Die Entscheidung

Die VK Westfalen, Beschluss vom 18.12.2019 – VK 15-34/19 –, gab dem Nachprüfungsantrag statt. Das Zusammenrechnungsgebot gelte auch für eine Aufteilung des Auftrags nach Leistungsphasen, vorliegend eine Beschränkung auf die Leistungsphasen 1 bis 4. Aus den EU-Richtlinien und der Rechtsprechung des EuGH folge, dass die erforderlichen Planungsleistungen eines Bauvorhabens insgesamt zu betrachten sind, unabhängig davon, wie diese ausschreibungstechnisch aufgeteilt werden. Auch könne sich die Vergabestelle nicht auf § 3 Abs. 2 VgV berufen. Hiernach ist die Aufteilung eines Auftrags ohne objektive Gründe unzulässig. Objektive Gründe seien beispielsweise die teilweise Selbstausführung durch den Auftraggeber oder die entsprechende Aufteilung des Haushaltsbudgets. Nicht darunter falle jedoch eine willkürliche Aufteilung der Gesamtleistung nach dem eigenen Ermessen des Auftraggebers. 

Praxistipp

Die Entscheidung der VK Westfalen schränkt das Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers bei dem Zuschnitt von Planungsleistungen und der damit häufig bezweckten Vermeidung von EU-weiten Vergabeverfahren weiter ein. Immer dann, wenn „auf lange Sicht“ die Vergabe sämtlicher Planungsleistungen angedacht ist, bleibt kein Raum für eine „strategische Beschränkung“ des Vergabepakets zur Vermeidung einer EU-weiten Ausschreibung.
Angesichts der gravierenden Rechtsfolgen der Nichtbeachtung des EU-Vergaberechts und der daraus resultierenden Verzögerungen und Mehrkosten ist öffentlichen Auftraggebern zu raten, Planungsleistungen ganzheitlich zu betrachten und im Zweifel EU-weit auszuschreiben. Um Mehrfachaufwand zu vermeiden, empfiehlt sich weiterhin, von vornherein die Planungsleistungen insgesamt auszuschreiben, d. h. alle Leistungsphasen und alle erforderlichen Leistungsbilder bzw. Fachplanungsleistungen der HOAI abzudecken. Dem Bedürfnis nach einer „paketweisen“ Beauftragung kann im Wege der losweisen Vergabe oder mittels Ausgestaltung als optionale Leistungen, die zur stufenweisen Beauftragung vorgesehen sind, Rechnung getragen werden. Mit Spannung bleibt die Entscheidung des EuGH im Vertragsverletzungsverfahren zu § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV abzuwarten.

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Autoren

Foto vonJakob Steiff
Dr. Jakob Steiff, LL.M. (Edinburgh)
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