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Die Auswirkungen von „Geisterspielen“ auf Dienstleistungsverträge im Rahmen des Stadionbetriebes

14/05/2020

Seit wenigen Tagen steht fest: Die 1. und 2. Bundesliga wird am 16. Mai 2020 ihren Spielbetrieb wieder aufnehmen. Wie im Hinblick auf das in den meisten Bundesländern derzeit bis einschließlich 31. August 2020 geltende Verbot von Großveranstaltungen nicht anders zu erwarten war, jedoch ohne Fans im Stadion. Auch über den Sommer hinaus ist völlig unklar, wann wieder vor vollen Tribünen gespielt werden kann. Das „Rheinderby“ zwischen Borussia Mönchengladbach und dem 1. FC Köln vom 11. März 2020 wird damit nicht das erste und zugleich letzte Geisterspiel in der Geschichte der Bundesliga bleiben. Infolgedessen wird an jedem Spieltag allein in der 1. Bundesliga rund einer halben Million Zuschauern der Zutritt zu einem der neun Stadien verwehrt bleiben. 

Strikte Vorgaben der DFL an Stadionbetrieb 

In den Stadien soll darüber hinaus der Personalaufwand in den Bereichen Sport, allgemeine Organisation und Medien verbindlich auf ein Minimum reduziert werden. Nach dem Konzept der Taskforce Sportmedizin/Sonderspielbetrieb im Profifußball der DFL sollen sich während eines Spieltages zur gleichen Zeit maximal 300 Personen im Stadion aufhalten. Zudem soll das Stadiongelände in drei Zonen eingeteilt werden – Zone 1: „Innenraum“; Zone 2: „Tribüne“; Zone 3: „Stadionaußengelände“. In jeder dieser Zonen sind wiederum maximal 100 Personen zugelassen, wobei eine gegenseitige Verrechnung der in den jeweiligen Zonen befindlichen Personen nicht möglich ist. Zu einem Spiel gehören – neben den eigentlichen Akteuren wie Spielern, Trainern, Schiedsrichtern etc. – Journalisten, Fotografen, die für die Übertragung erforderlichen Techniker sowie Polizei, Feuerwehr und Sanitäter. Hinzu kommen eine einstellige Anzahl an Hygienepersonal sowie ca. 50 Ordner/Sicherheitskräfte im Außenbereich. 

Ein solcher umfassender Ausschluss der Öffentlichkeit beeinträchtigt nicht nur die Ticketverkäufe an die Fans, sondern es werden auch diverse weitere Dienstleistungen und Angebote rund um den Stadionbetrieb entbehrlich. Im Nachfolgenden geben wir einen Überblick, welche Verträge von einem Zuschauerausschluss betroffen sind und wie sich Geisterspiele auf diese auswirken. 

Welche Verträge sind von einem Zuschauerausschluss betroffen?

Im Zusammenhang mit der Veranstaltung eines einzelnen Bundesligaspiels werden zahlreiche Verträge über die Erbringung verschiedenster Dienstleistungen und die Unterbreitung von Warenangeboten mit externen Dienstleistern geschlossen. Es muss das leibliche Wohl der Zuschauer, Mitarbeiter, Journalisten und Funktionäre sichergestellt sowie ihre Sicherheit gewährleistet werden. Zudem werden nicht nur die Tickets an die Zuschauer auf den Tribünen verkauft, sondern ganze Logen an Unternehmen oder auch an Einzelpersonen vermietet. Es erfolgen Fahrdienste und weitere Formen der Fanbetreuung durch externe Dienstleister wie Hostessenservices. Außerdem werden Werbeflächen auf Banden, Anzeigetafeln und weiteren geeigneten Stellen im Stadion – meist unter der Einschaltung von Vermarktungsagenturen – angeboten. Mit der Anbringung der entsprechenden Werbung werden wiederum Unternehmen beauftragt. Schließlich werden Reinigungsdienste sowie weitere Facility-Dienstleistungen, etwa zur Betreuung der Video- und Soundtechnik im Stadion, in Anspruch genommen.

Alle in diesen Zusammenhang geschlossenen Verträge sind durch einen Corona-bedingten Zuschauerausschluss beeinträchtigt. Ein Großteil der vorgenannten Dienstleistungen und Angebote kann mangels Zugangsmöglichkeit zum Stadion nicht mehr erbracht werden. Zudem werden in den meisten Fällen die Verträge nicht ein einzelnes Bundesligaspiel, sondern gleich mehrere Spiele oder gar Saisons zum Gegenstand haben. Geisterspiele für den Rest der Saison 2019/2020 oder sogar über diese hinaus werden somit weitreichende wirtschaftliche Folgen haben, die zu hohen Einbußen bei den von den Clubs beauftragten Dienstleistern führen können, sollten die Clubs diese nicht weiter vergüten müssen. 

Es stellt sich daher die Frage, wer das „Verwendungsrisiko“ für die einzelnen Dienstleistungen und Angebote trägt. Ist dies der das Fußballspiel ausrichtende Club oder der Dienstleister? 

Individualvereinbarungen vorrangig 

Zur Beantwortung dieser Frage sind zunächst etwaige Regelungen in den jeweiligen Verträgen vorrangig zu beachten. Denkbar ist, dass die Verträge eine Regelung zu Spielen unter Zuschauerausschluss vorsehen. Freilich werden die Parteien, so sie denn überhaupt eine Regelung zu Geisterspielen in den Vertrag aufgenommen haben, dabei eher Sanktionen als einen Virus-bedingten Zuschauerausschluss vor Augen gehabt haben. 

Zudem können sogenannte „Höhere Gewalt“-Klauseln (teilweise auch „Force majeure“- oder „Acts of God“-Klauseln genannt) das Vorgehen in einem solchen Fall regeln. Dies kann von einer von der gesetzlichen Regelung abweichenden Risikoverteilung, etwa der Zusicherung des Erhalts eines Aufwendungsersatzes für den Dienstleister, bis zu der Anordnung eines bestimmten Vorgehens, insbesondere zur Vornahme schadensmindernder Handlungen, reichen. Anders als gegenüber Verbrauchern können die Vertragsparteien auf B2B-Ebene etwaige Rückzahlungsansprüche wegen „höherer Gewalt“ in ihren AGB ausschließen.

In welchen Konstellationen genau höhere Gewalt vorliegen soll, ist zunächst der vertraglichen Regelung zu entnehmen. Diese kann ausdrücklich das Auftreten einer Epidemie (meistens als Krankheit/Seuche bezeichnet) wie COVID-19 vorsehen. Enthält die entsprechende Klausel eine abschließende Aufzählung der Vorkommnisse, die nach der Vorstellung der Parteien einen Fall der höheren Gewalt darstellen sollen, und ist in dieser eine Epidemie/Pandemie nicht genannt, lassen sich durchaus Gründe dafür ins Feld führen, dass die Parteien deren Auftreten nicht als Fall der höheren Gewalt einstufen wollten. Fehlt es dagegen an einer abschließenden Regelung (etwas durch den Zusatz „insbesondere“) oder ist der Begriff „höhere Gewalt“ im Vertrag nicht definiert, so muss im Wege der Auslegung ermittelt werden, ob die Corona-Pandemie nach dem Willen der Vertragspartner einen Fall der höheren Gewalt darstellen soll. Im Zuge des Ausbruchs des SARS-CoV-1-Virus im Jahr 2004 hatten dies mehrere erstinstanzliche Gerichte bejaht. Spätestens mit dem Eintritt einer behördlichen oder gesetzlichen Untersagung aufgrund der Pandemie wird „höhere Gewalt" jedoch anzunehmen sein. 

Unmöglichkeit der Erbringung der Dienstleistungen führt zum Entfallen der gegenseitigen Leistungsverpflichtungen 

Bestehen keine vertraglichen Vereinbarungen, finden die gesetzlichen Regelungen über die gegenseitigen Leistungsverpflichtungen Anwendung. Dabei ist zu beachten, dass rund um den Stadionbetrieb ganz unterschiedliche Vertragstypen betroffen sind. So wird der Gewährleistung der Sicherheit im Stadion ein typischer Dienstleistungsvertrag (Vertrag über Sicherheitsdienstleistungen) zu Grunde liegen, wohingegen bei der Vermietung einer Loge ein gemischter Vertrag aus Cateringvertrag, Mietvertrag oder Dienstleistungsvertrag in Frage kommt. Dies hat zur Folge, dass im Einzelfall neben dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht die spezielleren Vorschriften zu den gesetzlich geregelten Vertragstypen zur Geltung kommen können. 

In den meisten Fällen wird durch die hoheitliche Untersagung des Fußballspiels vor Zuschauern die Erbringung der Dienstleistung, wie z. B. der Betrieb von Imbissstationen auf dem Stadiongelände oder die Durchführung von Catering in den Logen, gem. § 275 Abs. 1 BGB unmöglich geworden sein. Eine solche Unmöglichkeit kann sich sowohl aus einer tatsächlichen als auch aus einer rechtlichen Unmöglichkeit ergeben. Im Fall der Beschränkungen durch COVID-19 kommt eine rechtliche Unmöglichkeit aufgrund einer Untersagung gem. § 28 Abs. 1 S. 2 Infektionsschutzgesetz in Betracht. Dem Dienstleister ist es aufgrund der Untersagung nicht mehr erlaubt, seine Dienstleistung im vertraglich vereinbarten Rahmen zu erbringen. Somit entfällt die Leistungspflicht des Dienstleisters. 

Sollte ein Zuschauerausschluss zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr hoheitlich angeordnet sein, sollten die Zuschauer aber dennoch durch die Verantwortlichen der Bundesliga ausgeschlossen werden, so könnte man über eine Unzumutbarkeit der Leistung gem. § 275 Abs. 2, Abs. 3 BGB bzw. über eine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB nachdenken. Die Leistung in der Corona-Krise kann sowohl dem Dienstleister gem. § 275 Abs. 2, Abs. 3 BGB unzumutbar sein als auch dem Veranstalter, der gem. § 275 Abs. 2, Abs. 3 BGB analog die Veranstaltung zur Infektionsprävention absagt und somit seine Mitwirkungspflichten nicht mehr erfüllen kann.
 
Aufgrund des Wegfallens der Leistungspflicht des Dienstleisters entfällt auch die Gegenleistungspflicht des Veranstalters nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB. Etwas anderes könnte sich aus § 326 Abs. 2 S. 1 BGB ergeben, wenn der Veranstalter für die Unmöglichkeit verantwortlich ist. Bei einer hoheitlichen Untersagung wie auch bei einer Absage einer Veranstaltung aufgrund einer Epidemie/Pandemie wird wohl kaum von einer Verantwortlichkeit einer Vertragspartei zu sprechen sein. Auch ein Annahmeverzug des Veranstalters scheidet bei der Unmöglichkeit/Unzumutbarkeit der Mitwirkung aus.

Wenn – wie etwa in Bezug auf alle für den Stadionbetrieb wesentlichen Dienstleistungen der Fall – der Vertrag für eine oder mehrere Saisons abgeschlossen worden ist, kommt eine Loslösung vom Vertrag bei derartigen Dauerschuldverhältnissen über eine Kündigung aus wichtigem Grund nach § 314 BGB oder im Falle von bestellten Werkleistungen – wie z. B. dem Aufstellen von Werbebanden – nach § 648 a BGB in Betracht. 

Die vertragsrechtlichen Regelungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie in Art. 240 EGBGB werden in der Regel keine Anwendung auf die vorliegenden Verträge finden. 

Alternativ: Vertragsanpassung bei gemindertem Interesse an den Dienstleistungen 

Nicht alle Dienstleistungen und Angebote im Rahmen eines Bundesligaspiels werden durch die Durchführung von Geisterspielen in Gänze entbehrlich. So sieht das Konzept der DFL z. B. noch über 50 Sicherheitskräfte sowie mehrere Hygienekräfte vor. Schließlich könnte es im weiteren Verlauf der Corona-Krise dazu kommen, dass die Spiele mit einer reduzierten Zuschaueranzahl stattfinden können. In all diesen Fällen ist die Leistungserbringung nicht per se unmöglich, die Angebote der Dienstleister werden lediglich nicht in vollem Maße benötigt.

Im Falle eines solchen geminderten Gläubigerinteresses, z. B. bei einem nur teilweisen Zuschauerausschluss, entfällt die Gegenleistungspflicht nicht aufgrund von § 326 Abs. 1 S. 1 BGB. Grundsätzlich liegt das Verwendungsrisiko nämlich auf der Seite des Veranstalters. In einem Sonderfall wie den Coronavirus-bedingten Einschränkungen, die so nicht voraussehbar waren, könnte eine Anpassung des Vertrages nach § 313 BGB in Frage kommen. Hierfür müssen zunächst wesentliche Vorstellungen der Parteien, die zur Geschäftsgrundlage des Vertrages gehören, sich als falsch herausgestellt haben. Sowohl der Veranstalter des Fußballspiels als auch die Dienstleister sind bei den Vertragsverhandlungen davon ausgegangen, dass sich keine wesentlichen Probleme für die Vertragserfüllung ergeben werden. Hierbei wird man das Risiko einer Epidemie/Pandemie und deren Folgen zumeist nicht eingeplant haben. Wären die Parteien sich dieser Lage bewusst gewesen, wären die Verträge auch nicht wie nun vereinbart abgeschlossen worden. Um eine Vertragsanpassung erreichen zu können, dürfte dieser Umstand nicht in der Sphäre einer Partei liegen. Das Risiko einer Epidemie/Pandemie kann wohl nicht dem Verantwortungsbereich ausschließlich einer Partei zugeordnet werden. Dies kann im Einzelfall anders zu beurteilen sein, wenn das Verwendungsrisiko lediglich eine Partei trifft. Im Streitfall wird das angerufene Gericht über Inhalt und Umfang einer Vertragsanpassung entscheiden.

Gegenseitige Schadenersatzansprüche scheiden regelmäßig aus

Erleiden Dienstleister oder Veranstalter Schäden wie Gewinnausfälle oder haben sie Aufwendungen getätigt, die nun nutzlos geworden sind, wie z. B. den Einkauf von Nahrungsmitteln durch einen Caterer, kommen grundsätzlich gegenseitige Schadenersatzansprüche in Betracht. Solche Ansprüche werden jedoch regelmäßig an einem mangelnden Verschulden des Vertragspartners scheitern, da keine Partei für die Auswirkungen der Pandemie verantwortlich gemacht werden kann. 

Kommunikation mit dem Vertragspartner wichtig 

Es wird eine Zeit kommen, in der die Fans im Stadion wieder ihr Team anfeuern können. Spätestens ab diesem Zeitpunkt werden die Clubs und ihre externen Dienstleister wieder im „Normalbetrieb“ zusammenarbeiten. Um die Vertragsbeziehungen nicht über Gebühr zu belasten, sollte frühestmöglich mit dem jeweiligen Vertragspartner Kontakt aufgenommen werden, um gemeinsame Lösungsmöglichkeiten für den jetzigen „Sonderbetrieb“ auszuloten. Dabei wird bisweilen Kreativität und ein hohes Maß an Kompromissbereitschaft gefragt sein. Manchen Ideen zur Nutzung des leeren Stadions hat die DFL allerdings bereits einen Riegel vorgeschoben. So ruft die DFL zu einem Verzicht auf „Klangteppiche“ auf. Auf großflächige digitale Overlays und die kommerzielle Nutzung der Tribüne für Werbezwecke sollen die Teams ebenso verzichten. 

Schließlich ist der derzeitigen Lage bei etwaigen Verhandlungen für Dienstleistungsangebote für die nächste Saison Rechnung zu tragen. Da zum heutigen Zeitpunkt unklar ist, wie lange es Geisterspiele geben wird, sollte für diesen Fall eine vertragliche Regelung getroffen werden, die die wirtschaftlichen Risiken angemessen verteilt. 


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Autoren

Foto vonGordian N Hasselblatt
Prof. Dr. Gordian N Hasselblatt, LL.M. (McGeorge School of Law, Sacramento/CA)
Partner
Köln
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Adrian Zarm, LL.M., MGlobL (University of Sydney)
Counsel
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