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Freihalteplanung einer Gemeinde kann zulässig sein

Update Real Estate & Public 09/2020

September 2020

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 07.05.2020 – 4 BN 13.20 – seine Rechtsprechung bestätigt, wonach das Entwicklungsgebot des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB auch die Erhaltung von Freiräumen ermöglicht.

Hintergrund

Die Antragstellerinnen wandten sich gegen einen Bebauungsplan, der u. a. ein allgemeines Wohngebiet und eine private Grünfläche festsetzt. Damit wird ein Teil des Geltungsbereichs des bisherigen Bebauungsplans überplant, der insoweit ein Sondergebiet „Hotel“ auswies, um ggf. eine Erweiterung der damals vorhandenen Gaststätte um ein Hotel zu ermöglichen.

Hiervon war zunächst allerdings kein Gebrauch gemacht worden. Die Antragstellerinnen stellten erst später auf Grundlage des bisherigen Bebauungsplans einen Bauantrag zur Genehmigung eines Hotels. Die Gemeinde fasste indes den Beschluss zur Aufstellung des streitgegenständlichen Bebauungsplans, stellte parallel das Baugesuch zurück und erließ eine Veränderungssperre. Für die bisherige Festsetzung des Sondergebiets „Hotel“ bestehe wegen der Schließung der Gaststätte kein Bedarf mehr, und es solle nunmehr der durch Grünflächen, Kleingärten und Sportanlagen geprägte Charakter der Umgebung erhalten und entwickelt werden.

Im Normenkontrollverfahren wandten sich die Antragstellerinnen gegen den neuen Bebauungsplan und argumentierten u. a., er verstoße gegen das Entwicklungsgebot des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Das Planungsziel, Freiräume zu erhalten, sei keine hinreichende Grundlage für die Planung. Das OVG Münster (Urteil vom 29.01.2020 – 7 D 4/17.NE) lehnte den Antrag ab. Der Bebauungsplan sei städtebaulich gerechtfertigt, weil ihm eine positive Planungskonzeption zugrunde liege.

Die Entscheidung

Das BVerwG bestätigte das Urteil der Vorinstanz. Es hielt die aufgeworfene Frage, ob ein Bebauungsplan im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB erforderlich ist, wenn die vorhandene bauliche Nutzung festgeschrieben wird, um Freiraum zu erhalten, für nicht klärungsbedürftig, da sie in der Rechtsprechung des Gerichts bereits beantwortet wurde.

Welche Planungsziele in der Bauleitplanung zulässig sind, bestimmt § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Im Rahmen des darin normierten Entwicklungsgebots definiere die Gemeinde mit ihrer planerischen Konzeption, was für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Nur solche Pläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des BauGB nicht bestimmt sind („Negativplanung“), sind in diesem Sinne nicht erforderlich. Im Übrigen darf eine Gemeinde mit den Mitteln des Bauplanungsrechts auch solche städtebaulichen Ziele verfolgen, die mehr auf Bewahrung als auf Veränderung der vorhandenen Situation zielen.
Im vorliegenden Fall hielt es das BVerwG für zulässig, Freiräume mit Mitteln der Bauleitplanung zu erhalten. Entscheidend war, dass dem eine positive Planungskonzeption der Gemeinde zugrunde lag. Das BVerwG bestätigte die Feststellung des OVG, wonach die Gemeinde unter Bezugnahme auf die Planbegründung die Sicherung des vorhandenen Freiraums am Schnittpunkt bestimmter Freiraumbereiche am Rande eines hochverdichteten Innenstadtbereichs verfolge. Eine Negativplanung konnte das Gericht darin nicht erkennen.

Praxistipp

Die Entscheidungen unterstreichen die Rolle der Gemeinde bei der Bestimmung der Städtebaupolitik. Die Erhaltung von Freiräumen oder auch, allgemeiner, die Freihaltung des Gemeindegebiets von einer Bebauung (s. dazu jüngst OVG Lüneburg, Urteil vom 11.02.2020 – 1 KN 183/17) ist nicht ohne Weiteres eine unzulässige Negativplanung. Den Gemeinden steht ein planerisches Ermessen dahingehend zu, welche städtebaulichen Ziele sie sich setzen. Dies gilt aber nicht unbegrenzt. Nur wenn einem Bebauungsplan eine von städtebaulich legitimen Zielen getragene positive Planungskonzeption zugrunde liegt, ist auch die Erhaltung bestehender Freiräume bzw. die Freihalteplanung erforderlich im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Dies kann nur im Einzelfall geprüft werden und setzt eine Auseinandersetzung mit den planerischen Vorstellungen voraus; dies sollte von Gemeinden insbesondere bei der Planbegründung und der planerischen Abwägung beherzigt werden.

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Dr. Benjamin Schirmer