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Gelten die Mindestsätze oder nicht? Umgang mit der HOAI vorerst weiter ungeklärt

Update Real Estate & Public 04/2020

April 2020

Im Rahmen eines gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Vertragsverletzungsverfahrens hat der EuGH mit Urteil vom 04.07.2019 entschieden, dass das bindende Preisrecht der HOAI gegen die europäische Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG verstößt (C-377/17). Die Verbindlichkeit der Mindest- und Höchstsätze der HOAI ist damit europarechtswidrig.

Die Bundesrepublik Deutschland ist aufgrund des Feststellungsurteils des EuGH verpflichtet, den gerügten Zustand abzustellen (Art. 260 Abs. 1 AEUV) und die HOAI durch den Gesetz- bzw. Verordnungsgeber entsprechend EU-konform zu überarbeiten. Unabhängig davon sind die staatlichen Organe und Gerichte aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts verpflichtet, die Mindest- und Höchstsätze der HOAI unangewendet zu lassen, da sie gegen das im Anwendungsvorrang (nicht im Geltungsvorrang) höherrangige Recht der EU-Dienstleistungsrichtlinie verstoßen, so zumindest die derzeit wohl herrschende Meinung, etwa des Kammergerichts Berlin und des OLG Celle. Danach ist es nicht mehr zulässig, getroffene Honorarvereinbarungen an den Mindest- und Höchstsätzen der HOAI zu messen. 

Deutlich umstrittener ist die Frage, ob sich auch Privatpersonen unmittelbar auf die supranationale Entscheidung und damit die Europarechtswidrigkeit der Höchst- und Mindestsätze berufen können bzw. müssen oder es zuvor der Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber bedarf. Für eine unmittelbare Wirkung des Urteils sprechen sich die Oberlandesgerichte Schleswig, Düsseldorf, Celle und Dresden aus. Anderer Auffassung sind die Oberlandesgerichte München und Hamm sowie das Kammergericht Berlin, wonach für den einzelnen Unionsbürger von dem Urteil des EuGH keine Rechtswirkung ausgehe. Letztlich bleibt es dem BGH vorbehalten, Rechtsklarheit zu schaffen, ob der verbindliche Preisrahmen der HOAI aufgrund des Anwendungsvorbehalts des Europarechts auch in Privatrechtsverhältnissen umgehend unberücksichtigt bleiben muss oder nicht. Der erste Verhandlungstermin in einem der derzeit drei anhängigen Revisionsverfahren vor dem BGH (Az.: VII ZR 174/19) ist für den 14.05.2020 anberaumt. Der EuGH selbst hat sich in seinem jüngsten Beschluss vom 06.02.2020 – C-137/18 – hierzu ausdrücklich nicht geäußert, da diese Frage nicht Gegenstand des diesbezüglichen Vorabentscheidungsersuchens gewesen sei. 

Praxistipp

Parteien eines Rechtsstreits, der die Mindest- und Höchstsätze der HOAI zum Gegenstand hat, bleibt vorerst nichts anderes übrig, als in gespannter Erwartung der Entscheidung des BGH entgegenzusehen. Prognosen zu den anstehenden Urteilen lassen sich derzeit nicht zuverlässig treffen.

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Autoren

Foto vonKatja Küpper
Dr. Katja Küpper
Counsel
Frankfurt