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HR-Lösungen aus der Wolke

Update Arbeitsrecht 03/2020

März 2020

Potential und Risiko cloudbasierter HR-Applikationen

Cloud-Computing ist heute aus dem immer weiter digitalisierten Alltag nicht mehr wegzudenken. Wo nahezu jedes Smartphone seine Daten automatisch auf externen Servern speichert, haben auch die Personalabteilungen nicht nur großer Konzerne das Potential dieser Technologie für sich entdeckt: Cloudbasierte Applikationen sind laut Roland Berger der Wachstumsfaktor auf dem HR-Software-Markt.1  Die Nachfrage kommt dabei verstärkt auch von kleinen und mittelständischen Unternehmen, die zunehmend in die Digitalisierung ihrer Personalabteilungen investieren. Doch was genau ist die vielbeschworene HR-Cloud, welche Vorteile bietet sie und was gilt es bei ihrer Einführung gerade aus arbeitsrechtlicher Perspektive zu beachten?

1. Was sind HR-Cloud-Anwendungen?

Der Oberbegriff „Cloud-Computing“ bezeichnet sämtliche externe Datenverarbeitung. Im HR-Bereich wird diese Technologie genutzt, um Mitarbeiterdaten zu speichern und zu verwalten. 

Statt auf den hierzu eigens angeschafften und unterhaltenen Servern eine eingekaufte Software zu installieren und diese durch immer weitere kostenpflichtige Updates auf dem neuesten Stand zu halten („On-Premise-Lösung“), werden die Daten beim Cloud-Computing auf extern betriebene Server ausgelagert, wo sie mithilfe externer Software verarbeitet werden. Serverbau und -instandhaltung sind dabei genauso Sache des beauftragten externen Dienstleisters wie auch die Softwareinnovation und -pflege („Software as a Service“ [SaaS] / „Infrastructure as a Service“ [IaaS]). Der externe Dienstleister stellt dabei ein vollständig einsatzbereites System zur Verfügung – der Nutzer ist nur noch für die Dateneingabe und -pflege verantwortlich und kann ohne weitere Implementierung direkt durchstarten. 

Dabei wird unterschieden zwischen sog. „All-in-one-Lösungen“, die ganze Programmsuiten von der digitalen Personalakte bis zum Urlaubsmanagement beinhalten, und sog. „Best-of-Breed-Lösungen“, bei denen für jeden Aspekt des HR-Bereichs eine eigene Applikation genutzt wird. Bei Letzteren können sich freilich Probleme in der Kompatibilität der genutzten Programme ergeben, während die All-in-one-Lösungen oftmals deutlich kostspieliger sind. 

2. Spannende neue Möglichkeiten von HR-Cloud-Applikationen 

Das Potential solcher HR-Cloud-Applikationen umfasst das komplette auf Daten basierende Personalmanagement. 

Zunächst beherrschen die Systeme natürlich die „Basics“ des HR-Spektrums. Digitale Urlaubsplanung und Lohnabrechnungen gehören zur Grundausstattung genauso wie agile Funktionen in den Bereichen Recruiting, Talent Management, People Analytics und Weiterbildung. 

a) Bewerbungsprozess

Das Potential von cloudbasierten HR-Anwendungen beginnt bereits im Bewerbungsprozess. Hier kann das Programm Jobangebote gleichzeitig auf einer Vielzahl von Karriereplattformen schalten, wobei die Bewerbung direkt online erfolgt. Das System kann die Bewerber anhand der in den Lebensläufen angegebenen Daten vorsortieren, teils sogar per Sprachstilanalyse Aussagen über deren Charakter treffen, wenn neben der Einreichung eines Lebenslaufs zudem ein Video eingereicht oder ein vollautomatisches Telefoninterview mit einem Computer geführt wurde. Die dafür zum Einsatz kommenden Algorithmen sind sog. künstliche Intelligenzen (KI), die sich durch jeden Einsatz verbessern, indem sie ihre „Erfahrungsbasis“ durch die neu dazugewonnen Daten vergrößern. Durch die Cloud kommt dabei einer künstlichen Intelligenz nicht nur die Erfahrung aus Einsätzen innerhalb eines Unternehmens zugute, sondern diejenige aller Nutzer weltweit, was das Innovationstempo der Algorithmen natürlich enorm potenziert; sie werden selbstständig immer und immer besser. 

Hier ergeben sich jedoch bereits nicht unerhebliche rechtliche Risiken. Es ist strengstens darauf zu achten, dass der KI keine diskriminierenden Korrelationen „antrainiert“ werden. So gibt es beispielsweise diskriminierende Algorithmen, die weibliche Bewerber aussortieren, weil diese eine höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen, in Mutterschutz und Elternzeit zu gehen, und somit, rein rechnerisch wirtschaftlich, risikoreicher zu beschäftigen sind. Hier drohen Schadenersatzansprüche insbesondere gemäß § 15 AGG. Beim Einsatz solcher diskriminierenden Algorithmen ist zudem mit dem Widerstand von Betriebsräten zu rechnen. Da KI-Tools als Auswahlrichtlinien i. S. d. § 95 I BetrVG auszulegen sind, können sie nicht unilateral eingeführt werden: Eine Beteiligung des Betriebsrates ist daher erforderlich (s. u.). Ist dem Betriebsrat aber bekannt, dass (mittelbar) diskriminierende Faktoren angewandt werden, kann er bereits dem Konzept der Aufstellung der KI-Tools an sich eine Absage erteilen. Sollte der Arbeitgeber ohne Zustimmung des Betriebsrates trotzdem KI-Tools für Bewerbungsprozesse anwenden, läuft er Gefahr, dass die Zustimmung gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG zur Einstellung eines so ausgewählten Arbeitnehmers verweigert wird. 

Auch ist auf die Einhaltung der einschlägigen Datenschutzvorschriften aus DSGVO und BDSG zu achten. Es bedarf der Einwilligung der Bewerber zur Erhebung und Verarbeitung der benötigten Daten, um ggf. kostspielige Sanktionen und mögliche medial aufgeheizte Rufschädigungen zu vermeiden. 

b) Weiterbildung 

Auch innerhalb der Mitarbeiterweiterbildung, die klassischerweise im Aufgabenfeld der Personalabteilung liegt, bieten cloudbasierte Applikationen interessante Möglichkeiten: Dem einzelnen Mitarbeiter können passgenaue multimediale Weiterbildungsmodule angeboten werden, an denen direkt innerhalb der HR-Plattform teilgenommen wird. Während solche „Micro-Degrees“ den Teilnehmer belohnen, erhält die Personalabteilung einen genauen Überblick über absolvierte Module und erworbene Fähigkeiten. 

c) Prozessoptimierung, Flexibilität und Nutzerfreundlichkeit

Gleiches gilt für die Strukturierung und das Monitoring von Betriebsabläufen. Über die HR-Cloud können Mitarbeitern beispielsweise Ablaufpläne von Betriebsprozessen zugänglich gemacht werden. In Echtzeit kann darin verfolgt werden, welche Schritte bereits erledigt wurden bzw. in welcher Phase der Erledigung sie sich befinden. Während der Mitarbeiter so erkennt, was noch zu tun ist und wo Unterstützung notwendig sein wird, kann der für die Organisation Verantwortliche nachvollziehen, an welchen Schnittstellen Verbesserungspotential liegt. 

Dabei ist das Design der Applikationen häufig an das von sozialen Netzwerken angelehnt, um so ein vergleichbar selbsterklärendes Nutzererlebnis zu erreichen. Zudem können Arbeitsabläufe und die Kommunikation der Mitarbeiter miteinander verzahnt werden: Besondere Erfolge werden geteilt und von Kollegen „gelikt“. Diese angenehme „Usability“ dient nicht nur dem Betriebsklima und der Motivation, sondern kann auch die Zusammenarbeit innerhalb von Betriebsabläufen und über Teamgrenzen hinweg verbessern. 

Gerade All-in-one-Lösungen bieten den Vorteil, dass sich die Mitarbeiter nicht in verschiedene Systeme für unterschiedliche Funktionen einarbeiten müssen. Wenn das System einmal verstanden ist, können die unterschiedlichsten Tätigkeiten nach einmaliger Einarbeitung ausgeführt werden. 

Ebenso bedingt der cloudbasierte Ansatz der Applikationen, dass sie von überall genutzt werden können. So haben die Mitarbeiter an jedem Ort und zu jeder Zeit Zugriff auf ihre jobspezifischen Daten mit ihren mobilen Endgeräten. Das erleichtert das Arbeiten von zu Hause oder auf Geschäftsreisen. 

Insgesamt bringt dies zudem einen nicht zu unterschätzenden Vorteil hinsichtlich des „Employer-Brandings“ mit sich: In einer Zeit, in der es an Fachkräften mangelt und der Wettbewerb um gut ausgebildete Arbeitnehmer härter wird, hat es ein modern aufgestelltes Unternehmen leichter, sich gerade bei den Millennials als attraktiver Arbeitgeber darzustellen. Insofern kann der Einsatz moderner HR-Cloud-Lösungen zur innovativen Positionierung des Unternehmens beitragen. 

3. Rechtliche Need-to-knows 

So groß das Potential dieser digitalisierten und optimierten neuen HR-Welt ist, gilt es bei ihrer Implementierung gewisse rechtliche Aspekte zu beachten. Neben den schon oben angerissenen Problemen bei der KI-unterstützten Bewerberauswahl soll hier der Fokus auf mitbestimmungsrechtliche Bestimmungen sowie datenschutzrechtliche Fragestellungen gelegt werden. 

a) HR-Cloud-Applikationen und Mitbestimmung 

Zum einen ergibt sich gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG immer dann ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, wenn technische Einrichtungen eingeführt werden sollen, die die Überwachung des Verhaltens der Mitarbeiter ermöglichen. Hierbei zählt über den Wortlaut der Norm hinaus („bestimmt sind“) nicht der subjektive Wille des Arbeitgebers, die technischen Einrichtungen tatsächlich zur Überwachung einzusetzen, sondern die objektiv zu beurteilende abstrakte Möglichkeit zu einem Überwachungseinsatz. Bei den oben beschriebenen HR-Cloud-Applikationen handelt es sich um eben solche: Wenn die KI die Arbeitsergebnisse der Mitarbeiter analysiert, um bestmögliche Fortbildungsmöglichkeiten zu finden, oder wenn der Personalmanager die Teilnahme an eben solchen per App nachvollziehen kann, liegt hierin eine zumindest potentielle Leistungsüberprüfung vor. 

Ein Mitbestimmungsrecht ergibt sich dabei nicht nur bei der erstmaligen Einführung der neuen Applikationen, sondern bei jedem Update, das technische Neuerungen bringt. Empfehlenswert ist also, den Betriebsrat schon frühzeitig in den Planungsprozess hinsichtlich der Einführung einzubeziehen, ihm größtmögliche Transparenz zu bieten und durch den Abschluss von Rahmenbetriebsvereinbarungen Rechtssicherheit für beide Betriebsparteien zu schaffen: Der Betriebsrat legt seine Einwilligung zur Einführung der Cloud-Funktionen und deren Update nieder, der Arbeitgeber fixiert derweil Art und Intensität eventueller Leistungskontrollen. Hier kann auch ein sog. Ampelsystem angedacht werden: ein abgestuftes System der Mitbestimmung zu Updates bereits eingeführter Software-Systeme. Änderungen, die nur die Systemarchitektur betreffen, sind in diesem Sinne „grün“, bedürfen nur der Information des Arbeitgebers an den Betriebsrat. Kleinere Änderungen der Funktionen sind „gelb“, bedürfen der Information und einer Begründung durch den Arbeitgeber, während die Neueinführung oder tiefgreifende Änderung von Funktionen „rot“ sind, also den üblichen Mitbestimmungsprozess erfordern. Ein solches ausdifferenziertes System kann per Betriebsvereinbarung eingeführt werden und erleichtert die Handhabung von Updates sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Betriebsrat erheblich. 

Diese Vorgehensweise bietet zudem den Vorteil, mögliches Misstrauen auf Seiten der Belegschaft von vornherein zu vermeiden und transparent die Möglichkeiten und rechtlichen Rahmenbedingungen mit ihr zu teilen. 

Auch im Bereich des Recruitings ist der Einsatz von cloudbasierten KI-Tools mit dem Betriebsrat abzustimmen. Im Bewerbungsprozess eingesetzte Algorithmen bergen ansonsten die Gefahr der erheblichen Verzögerung und Verteuerung des Einstellungsprozesses (s. o.). 

Zunächst sind die durch den potentiellen Bewerber innerhalb der Bewerbung einzugebenden Daten in Hinblick auf § 94 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungsrelevant. Es handelt sich bei der Eingabemaske um einen Personalfragebogen im Sinne dieser Norm, der der Zustimmung des Betriebsrats bedarf. Die Verarbeitung von Daten, die ohne Zustimmung des Betriebsrats oder ersetzenden Einigungsstellenspruch erstellte Eingabemasken erhoben wurden, ist datenschutzrechtlich unzulässig und setzt den Arbeitgeber den Sanktionen des BDSG aus. 

Weiterhin wird man ein KI-Tool, das die (Vor-)Sortierung von Bewerbungen anhand von festgelegten Kriterien durchführt, als Auswahlrichtlinie im Sinne des § 95 Abs. 1 BetrVG qualifizieren müssen. Die Aufstellung solcher Richtlinien bedarf der Zustimmung des Betriebsrats oder eines ersetzenden Spruchs der Einigungsstelle. Erfolgt die Einführung des Tools unilateral durch den Arbeitgeber, so ist die Auswahlrichtlinie nicht wirksam aufgestellt worden. Dies ist einem Richtlinienverstoß des Arbeitgebers gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG gleichzustellen. Somit kann der Betriebsrat bei Neueinstellungen von Bewerbern, die durch die KI ausgewählt oder auch nur vorsortiert wurden, die nach § 99 Abs. 1 BetrVG erforderliche Zustimmung verweigern. 

b) Datenschutz 

Ein weiterer Punkt, der Konfliktpotential birgt, ist der Datenschutz. Viele Arbeitnehmer werden zu Recht Sorgen um die Weitergabe ihrer persönlichen Daten an externe Dienstleister anmelden. Problematisch ist hier insbesondere, dass einige Anbieter von Cloud-Lösungen ihre Server in Ländern außerhalb der EU haben und somit außereuropäischem Datenschutzrecht unterliegen, das häufig nicht den sehr strengen Standard europäischen oder gar deutschen Rechts wahrt. 

Abhilfe kann hier die Gestaltung der Verträge mit dem Dienstanbieter schaffen. So kann fixiert werden, dass nur inländische bzw. europäische Serverstandorte für die Speicherung der Arbeitnehmerdaten zu wählen sind. In der Praxis ist dies eine verbreitete Lösung: Schon 2016 gaben mehr als 75 % der Anbieter an, eigens Server in Deutschland zu betreiben.2 

Des Weiteren kommt auch datenschutzrechtlich Betriebsvereinbarungen eine große Wichtigkeit zu. Während sie einerseits die datenschutzrechtliche Grundlage für die DSGVO-konforme Speicherung der Arbeitnehmerdaten auf externen Servern darstellen, können sie andererseits ebenso vertrauensbildend wirken. Es empfiehlt sich hierzu, genauestens die Art der gespeicherten Daten, Zugriffsrechte und Löschfristen zu regeln, den Datenschutzbeauftragten zu benennen und auch festzulegen, inwiefern die gespeicherten Daten disziplinarrechtlich Verwendung finden können. Diese Transparenz kommt der Akzeptanz von cloudbasierten HR-Applikationen erfahrungsgemäß zugute. 

4. Fazit

Der Umzug der HR-Applikationen in die Cloud bietet vielfältige Möglichkeiten und enormes Potential sowohl für große als auch für kleinere und mittelständische Unternehmen. Um die Einführung jedoch möglichst reibungslos und so rechtssicher wie möglich zu gestalten, ist es ratsam, unter frühzeitiger Beteiligung der Arbeitnehmervertretungen transparent vorzugehen und entsprechende rechtliche Grundlagen zu schaffen. 

Weiterhin darf erwartet werden, dass die hochinnovative Softwarebranche schon bald mit neuen Entwicklungen auch auf dem HR-Software-Markt aufwartet. Es bleibt also spannend. 


Roland Berger, HR Trends Survey 2017, S. 16: 86 % des für 2020 prognostizierten Umsatzes im HR-Software-Bereich entfallen auf cloudbasierte Applikationen. 

2 Haufe HCM-Branchenmonitor 2016: https://www.haufe.de/personal/hr-management/hr-software-wandert-in-die-cloud_80_380284.html.


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