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Negativzinsen – aktuelle Rechtsprechung

Update Banking & Finance 08/2018 - Rechtsprechung

August 2018

Das Thema „Negativzinsen“ ist nach wie vor für die Bankenpraxis von großer Relevanz. Ernst zu nehmende Anzeichen für eine Änderung der Zinspolitik durch die Europäische Zentralbank (EZB) gibt es derzeit nicht. Seit unserem letzten Beitrag zu negativen Zinsen (siehe Update Banking & Finance Dezember 2017) wurde das Thema von der Rechtsprechung in zwei Urteilen aufgegriffen. Dies hat dazu geführt, dass sich auch die Diskussion in der juristischen Literatur intensiviert hat.

Anwendbarkeit des Darlehensvertragsrechts

Das Landgericht Tübingen hat in seiner Entscheidung vom 26. Januar 2018 (Az.: 4 O 187 / 17) darüber entschieden, ob und wie eine negative Verzinsung von Sicht-, Termin- und Festgeldeinlagen wirksam vereinbart werden kann. Dabei vertritt es die Ansicht, dass sowohl Termin- als auch Festgeldeinlagen aufgrund ihrer jeweiligen (Mindest-)Laufzeit als Darlehen des Kunden an die Bank im Sinne von § 488 BGB behandelt werden müssen. Sichteinlagen, also insbesondere unbefristete Tagesgeldkonten mit täglicher Verfügungsmöglichkeit ohne Kündigungsfrist, sind dagegen als unregelmäßige Verwahrung im Sinne von § 700 Abs. 1 BGB zu klassifizieren. Jedoch sollen auch hier die Vorschriften über den Darlehensvertrag gemäß § 488 BGB Anwendung finden. Ein echter Verwahrungsvertrag, bei dem das Verwahrungsinteresse des Kunden im Vordergrund steht, liegt hiernach im Regelfall bei Einlagengeschäften nicht vor.

Kein negativer Zins als gesetzliche Regel

Auf Einlagen ist daher regelmäßig das Darlehensrecht – unmittelbar oder über § 700 Abs. 1 BGB – anzuwenden. Das Landgericht Tübingen vertritt die Ansicht, dass das Darlehensrecht allerdings keine Entgeltpflicht für den Darlehensgeber kenne. Damit wäre die Erhebung negativer Zinsen ausgeschlossen. Das Gericht gibt zwar zu bedenken, dass es keine gesetzliche Definition des Zinses gibt.

Unter Rekurs auf den BGH geht die Entscheidung jedoch davon aus, dass der Darlehenszins allgemein als die „gewinn- und umsatzunabhängige, laufzeitabhängige, in Geld oder anderen vertretbaren Sachen zu entrichtende Vergütung für die Möglichkeit des Kapitalgebrauchs“ verstanden wird. Der Übergang von einer positiven bzw. einer Nullverzinsung zu einem Negativzins würde daher unter Änderung des Vertragscharakters hin zu einer Umkehr der Zahlungspflichten führen. Denn durch eine negative Verzinsung sei der Bankkunde entgegen § 488 BGB verpflichtet, der Bank zusätzlich zur Mittelüberlassung ein Entgelt zu entrichten.

Zu demselben Ergebnis kommt das OLG München in seiner Entscheidung vom 11. Januar 2018 (Az.: 23 U 1783 / 17): Der Senat erläutert in einem anderen Kontext (nämlich der Verzinsung bei Verzug hinsichtlich der Rückzahlung von Genussscheinkapital), dass es keine negativen Zinsen gebe. Der Basiszinssatz, der vereinzelt in der Literatur als Beispiel für einen gesetzlich vorgesehenen, im Einzelfall negativen Zinssatz angeführt wird, sei eine reine Rechengröße. Ein Verwahrentgelt, das ein solcher negativer Zins faktisch darstellen würde, ist nach dieser Ansicht vom gesetzlichen Leitbild des Darlehensvertragsrechts nicht umfasst. Dies ändert jedoch nichts daran, dass ein solches Entgelt individualvertraglich vereinbart werden kann.

Vereinbarung von negativen Zinsen in AGB

Die Entscheidung des Landgerichts Tübingen betrifft die Vereinbarung von negativen Zinsen in allgemeinen Geschäftsbedingungen. Aufgrund der Abweichung vom dargestellten gesetzlichen Leitbild des § 488 BGB wäre die Vereinbarung eines negativen Zinses auf diesem Wege jedenfalls für Altverträge gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB i. V. m. Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

Auch über die – im konkreten Fall in den einzelnen Kundenverträgen vorhandene – Zinsanpassungsklausel sei die Einführung eines negativen Zinssatzes nicht zulässig, da ein solches Leistungsbestimmungsrecht die prinzipielle Einigung der Beteiligten über die Begründung einer konkretisierungsbedürftigen Leistung voraussetzt. Wenn jedoch im ursprünglichen Vertrag ein Hinweis auf eine Negativverzinsung noch nicht enthalten ist, müsse die rechtsgeschäftliche Einigung der Beteiligten dahingehend ausgelegt werden, dass eine solche Negativverzinsung nicht erfasst sein sollte.

Dabei umfasse der Begriff einer variablen Verzinsung vom Wortlaut eine Entgeltpflicht des Kunden nicht.

Jedenfalls sei eine solche Klausel unklar im Sinne von § 305 c Abs. 2 BGB und somit zu Lasten des Klauselverwenders dahingehend auszulegen, dass eine Negativverzinsung nicht erfasst sein solle. Außerdem stelle eine solche Zinsanpassungsmöglichkeit – jedenfalls für Altverträge – eine überraschende Klausel im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB dar.

Konsequenzen für die Praxis

Die vom Landgericht Tübingen vorgenommene Differenzierung zwischen Alt- und Neuverträgen führt dazu, dass Banken davon ausgehen müssen, dass ihre bestehenden Geschäftsverbindungen zu Privatkunden im Einlagengeschäft nicht die Möglichkeit umfassen, einen negativen Zins an den Kunden weiterzureichen. Ob sich diese Ansicht durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.

Das Landgericht äußert sich nicht zu der Frage, ob Negativzinsen für Neuverträge eingeführt werden können. Dies dürfte der Fall sein. Altverträge, die nicht im gegenwärtigen wirtschaftlichen Umfeld geschlossen wurden, sind nach der vom Landgericht Tübingen vertretenen Ansicht dahingehend auszulegen, dass eine Negativverzinsung von den jeweiligen Willenserklärungen nicht umfasst gewesen sein soll. Dies kann mit entsprechend klarer vertraglicher Vereinbarung – auch über AGB – bei Neuverträgen aber durchaus der Fall sein.

Die Erforderlichkeit etwaiger Änderungskündigungen hängt daher im Einzelfall von dem in den Altverträgen und AGB enthaltenen Wortlaut ab. Jedenfalls dürfte eine einfach gestaltete Zinsanpassungsklausel, die die Möglichkeit eines negativen Zinses nicht explizit benennt, nicht ausreichend sein, um einen negativen Zins für ein solches bestehendes Vertragsverhältnis einzuführen.


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