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Neues Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen in Sichtweite

Update Gewerblicher Rechtschutz & Kartellrecht 12/2018

Dezember 2018

Die Richtlinie (EU) 2016 / 943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung verpflichtet die Mitgliedstaaten bis spätestens 9. Juni 2018 zum zivilrechtlichen Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Im deutschen Recht wird der Schutz von Geschäftsgeheimnissen bislang zwar über die Strafvorschriften der §§ 17 bis 19 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) sowie über die zivilrechtlichen Bestimmungen der §§ 823 und 826 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gewährleistet. Nach Auffassung des Gesetzgebers ist dies aber für eine Umsetzung der Richtlinie nicht ausreichend. Durch ein spezielles Gesetz soll daher ein in sich stimmiger Schutz vor rechtswidriger Erlangung, Nutzung und Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen erreicht werden. Ein entsprechender Regierungsentwurf liegt seit dem 18. Juli 2018 vor. Dem Entwurf zufolge kodifiziert das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) bisheriges Richterrecht und bringt auch einige Neuerungen mit sich. Wir geben einen Überblick:

Paradigmenwechsel

Bisher genügte für den Schutz einer Information als Geschäftsgeheimnis der bloße Wille des Informationsinhabers zur Geheimhaltung. Zukünftig gilt eine Information hingegen nur dann als Geschäftsgeheimnis, wenn sie Gegenstand angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen des Informationsinhabers ist. Dieser Paradigmenwechsel kann also den Schutz desjenigen Informationsinhabers schwächen, der sich nicht ausreichend um den Schutz seines Know-hows kümmert.  

Reverse Engineering

Das sogenannte „Reverse Engineering“, also die Entschlüsselung von Geschäftsgeheimnissen durch Beobachten, Untersuchen, Rückbauen oder Testen von Produkten, wird künftig grundsätzlich erlaubt sein. Bislang war es das nur, wenn ein Fachmann ohne größeren Arbeits-, Zeit- und Kostenaufwand zur Entschlüsselung in der Lage gewesen wäre. Auch dies kann den Schutz von Geschäftsgeheimnissen des Inhabers schwächen. Grenzen des zulässigen Reverse Engineering können sich aber weiterhin aus Immaterialgüterrechten, etwa Patenten und Urheberrechten, oder aus dem Wettbewerbsrecht ergeben. Zudem können vertragliche Verbote vor Reverse Engineering schützen.

Whistleblowing

Darüber hinaus sieht das Gesetz Privilegierungen für sogenannte „Whistleblower“ vor. Geheimnisse dürfen durch Dritte – z. B. durch Mitarbeiter – aufgedeckt werden, wenn dies zum Schutz eines berechtigten Interesses erforderlich ist. Erlaubt ist damit insbesondere die Aufdeckung rechtswidriger Handlungen oder eines beruflichen oder sonstigen Fehlverhaltens, sofern dies in der Absicht geschieht, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen. Entgegenstehende vertragliche Vereinbarungen dürften unwirksam sein.

Zivilrechtliche Ansprüche

Das GeschGehG bringt für den Geheimnisinhaber aber nicht nur Nachteile mit sich, sondern auch Vorteile. So enthält das Gesetz eine umfassende Kodifizierung bislang teils nur richterrechtlich ausgeprägter Ansprüche und dient damit der Rechtssicherheit. Es regelt nun auch bei der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen die von den gewerblichen Schutzrechten bereits bekannten gesetzlichen Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung, Auskunft, Schadenersatz, Vernichtung, Herausgabe und Rückruf. Wie etwa bei Patentverletzungen kann der Verletzte bei der Berechnung seines Schadens wählen zwischen dem Ersatz eines konkreten Schadens, der Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr oder der Herausgabe des Gewinns, den der Verletzer durch die Verletzung erzielt hat. Ist der Schadenersatzanspruch verjährt, kann der Verletzte grundsätzlich weiterhin die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung des Verletzers verlangen. Auch für Schäden, die nicht Vermögensschäden sind, kann der Verletzte eine Entschädigung in Geld verlangen. Ist der Verletzer Beschäftigter oder Beauftragter eines Unternehmens, bestehen die Ansprüche des Verletzten auch gegen den Inhaber des Unternehmens; ausgenommen sind Schadenersatz- und Entschädigungsansprüche, sofern der Unternehmensinhaber nicht selbst Täter oder Teilnehmer ist. Der schuldlos handelnde Verletzer kann Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung, Vernichtung, Herausgabe und Rückruf durch Zahlung einer angemessenen Abfindung in Geld abwenden, wenn die Durchsetzung dieser Ansprüche unverhältnismäßig wäre.

Geheimnisschutz im Zivilverfahren

Kodifiziert werden nun auch von den Zivilgerichten seither schon angewendete Grundsätze zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen in Zivilverfahren. Solche Geheimnisse werden dort unter Umständen gefährdet durch die Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlung, die Teilnahme oft zahlreicher Verfahrensbeteiligter und die Akteneinsichtsrechte Dritter. Auf Antrag einer Partei kann das Gericht daher streitgegenständliche Informationen, die ein Geschäftsgeheimnis sind, ganz oder teilweise als geheimhaltungsbedürftig einstufen. Wer Verfahrensbeteiligter ist oder Zugang zu den Verfahrensdokumenten hat, unterliegt insoweit einer gesetzlichen Geheimhaltungspflicht. Akteneinsichtsrechte Dritter bestehen nicht hinsichtlich dieser Geschäftsgeheimnisse. Zudem kann das Gericht auf Antrag einer Partei im Rahmen einer Interessenabwägung die Anzahl der Verfahrensbeteiligten beschränken, die Zugang zu Verfahrensdokumenten oder der mündlichen Verhandlung und deren Protokoll erhalten.

Strafvorschriften

Keine wesentlichen inhaltlichen Änderungen weisen die neuen Straftatbestände des GeschGehG gegenüber den §§ 17 bis 19 UWG auf. Die unbefugte Erlangung, Nutzung und Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen ist weiterhin mit demselben, nach Tatbeständen differenzierenden Strafrahmen belegt. Ob die Neuregelung allerdings potenziellen Geheimnisverletzern immer hinreichend deutlich macht, was erlaubt ist und was nicht, und damit die gewünschte Abschreckungsfunktion erfüllt, darf bezweifelt werden. Teils komplizierte Paragrafenverweisungsketten machen manche Regelung schwer nachvollziehbar und damit intransparent. Gegenüber dem UWG ist dies ein Rückschritt.

Fazit

Endlich liegt in Form des Entwurfs des GeschGehG erstmals eine umfassende Kodifizierung des Geheimnisschutzes hinsichtlich seiner Voraussetzungen, Rechtsfolgen und seiner verfahrensmäßigen Behandlung vor. Nicht alle Neuerungen des GeschGehG dürften indes zur Freude der Geheimnisinhaber gereichen. Insbesondere sind Geheimnisinhaber spätestens jetzt gezwungen, angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen zu treffen, um Geheimnisschutz in Anspruch nehmen zu können. Welche Maßnahmen konkret ergriffen werden müssen, regelt das GeschGehG nicht. In Betracht kommen insbesondere physische und organisatorische Vorkehrungen, vertragliche Sicherungsmaßnahmen, elektronische Verschlüsselungen, die Erstellung eines dokumentierten Geheimnisschutzkonzeptes und die Schulung von Mitarbeitern.

Dieser Artikel ist Teil des Update Gewerblicher Rechtsschutz und Kartellrecht, welches Sie hier abonnieren können.

Autoren

Dr. Klaus Ikas