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Pandemien – Wissenswertes für Arbeitgeber

26/02/2020

Das Coronavirus beschäftigt seit Wochen die Öffentlichkeit. Auch in Deutschland gibt es inzwischen mehrere Fälle der hochansteckenden Lungenkrankheit. Die WHO ordnet die Coronawelle mittlerweile als Pandemie, also als eine länder- und kontinentübergreifende Krankheit, ein. In unserem Mandantennewsletter informieren wir Sie darüber, welche Folgen der Ausbruch einer Pandemie für Ihre Rechte und Pflichten als Arbeitgeber hat. 

Kann der Mitarbeiter aus Angst vor Ansteckung die Arbeit verweigern? 

In Zeiten kursierender schwerer Infektionserkrankungen ist es denkbar, dass Arbeitnehmer vorsorglich zu Hause bleiben wollen, um das Risiko einer Ansteckung zu minimieren. Allerdings haben Mitarbeiter nur dann ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn die Ausübung ihrer Tätigkeit mit einer objektiv erheblichen persönlichen Gefahr für Gesundheit und Leben verbunden ist und über das allgemeine Ansteckungsrisiko hinausgeht. Die Rechtsprechung erkennt ein Leistungsverweigerungsrecht zum Beispiel bei einem asbestbelasteten Arbeitsplatz an (vgl. BAG vom 19. Februar 1997 – 5AZR 982/94). Bleibt ein erkrankter Kollege zu Hause oder wird vom Arbeitgeber nach Hause geschickt, wird davon ausgegangen, dass der Arbeitnehmer auf dem Weg zum oder am Arbeitsplatz keinem höheren Risiko ausgesetzt ist als sonst auch durch den Kontakt zu seiner Umwelt. Daher wäre ein prophylaktisches Fernbleiben vom Arbeitsplatz rechtlich als (unzulässige) Arbeitsverweigerung zu qualifizieren. 

Kann ein Arbeitnehmer darauf bestehen, im Homeoffice zu arbeiten? 

Arbeitnehmer haben grundsätzlich nicht das Recht, aus Sorge vor Ansteckung von zu Hause aus zu arbeiten. Etwas anderes gilt nur, wenn Homeoffice vertraglich vereinbart wurde oder der Arbeitgeber dies aufgrund einer Sondersituation, also etwa einer Pandemie, ausdrücklich für zulässig erklärt. 

Was passiert, wenn ein Großteil der Mitarbeiter erkrankt?

Erkrankt eine Vielzahl von Mitarbeitern im Unternehmen, muss im schlimmsten Fall aus Infektionsschutzgründen der Betrieb eingestellt werden. Das Risiko trägt in diesem Fall der Arbeitgeber. Er muss dann an erkrankte Mitarbeiter Entgeltfortzahlung leisten und auch gesunde Mitarbeiter, die er nicht beschäftigen kann, vergüten.

Es besteht aber die Möglichkeit, die gesunden Arbeitnehmer anzuhalten, Überstunden abzubauen oder Urlaub zu nehmen. Auch die Anordnung von Kurzarbeit ist denkbar. Diese müsste dann aber einzelvertraglich oder kollektivrechtlich vereinbart beziehungsweise zulässig sein.

Wenn ein Großteil der Arbeitnehmer erkrankt ist und daher eine Betriebsunterbrechung droht, handelt es sich um einen „außergewöhnlichen Fall“ im Sinne des Arbeitszeitgesetzes, sodass Überstunden angeordnet werden können. So kann mit den verbliebenen gesunden Mitarbeitern der Betrieb aufrechterhalten werden. Arbeitnehmer müssen dieser Anordnung aufgrund ihrer allgemeinen Treuepflicht Folge leisten.

Der Arbeitgeber kann außerdem prüfen, ob er gesunden Arbeitnehmern auch eine andere als die vertraglich vereinbarte Tätigkeit für einen längeren Zeitraum zuweisen darf. Dies hängt von den arbeitsvertraglichen Regelungen und der Reichweite des Direktionsrechts ab. Auch im Fall einer Pandemie muss dies in jedem Einzelfall untersucht werden.

Wie ist die Rechtslage, wenn Kindergärten und Schulen schließen?

Schließen Kindergärten und Schulen wegen einer ansteckenden Infektionskrankheit, ist es für Arbeitnehmer oftmals schwierig oder gar unmöglich, zur Arbeit zu kommen, weil Kinder zu Hause betreut werden müssen. Grundsätzlich darf der Mitarbeiter für eine „nicht erhebliche Zeit“ bezahlt der Arbeit fernbleiben, soweit er nicht auf anderweitige Betreuungsmöglichkeiten bzw. Urlaub, Überstunden oder ggf. auch Homeoffice verwiesen werden kann. Die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen anderweitiger Betreuungsmöglichkeiten trägt der Arbeitnehmer. Was eine „nicht erhebliche Zeit“ ist, ist allerdings umstritten. Die Literatur geht von fünf bis zehn Tagen aus, aktuelle Rechtsprechung existiert nicht. Es bleibt also eine gewisse Rechtsunsicherheit. 

Wenn § 616 BGB, der den Fall der „vorübergehenden Dienstverhinderung“ regelt, arbeits- oder tarifvertraglich konkretisiert oder abbedungen wurde, kann etwas anderes gelten. Der Mitarbeiter wird dann im Zweifel allenfalls einen Anspruch auf unbezahlte Freistellung zur Versorgung seiner Kinder haben, soweit diese nicht anderweitig betreut werden können und er nicht auf Urlaub oder Überstundenabbau verwiesen werden kann. Ein Blick in Arbeits- und Tarifverträge kann also hilfreich sein.

Im Ergebnis sollte man sich mit seinen Mitarbeitern zusammensetzen und gemeinsam versuchen, für alle akzeptable Lösungen zu erarbeiten. 

Können Mitarbeiter Dienstreisen oder Entsendungen verweigern? 

Arbeitnehmer können eine Reise oder Entsendung in betroffene Gebiete grundsätzlich nicht verweigern. Erst wenn eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes, eine entsprechende Empfehlung der WHO oder des Robert Koch-Instituts vorliegen, haben sie dazu das Recht. Das Auswärtige Amt spricht solche Reisewarnungen allerdings nur in Ausnahmefällen aus. Geschieht dies, so werden die dortigen Deutschen auch aufgefordert, das Land zu verlassen. Liegt eine entsprechende Reisewarnung vor, behält der betroffene Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch. Er kann aber zu einer anderen als der – berechtigt – verweigerten Tätigkeit angewiesen werden.

Wie geht man am besten mit Rückkehrern aus Risikogebieten um?

Unternehmen sollten Mitarbeiter, die aus Risikogebieten zurückkehren, vorsorglich von der Arbeitsleistung freistellen und dafür Sorge tragen, dass sie nicht an ihren Arbeitsplatz im Büro kommen. Dies gebietet die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber der restlichen Belegschaft. Stellt der Arbeitgeber Rückkehrer frei, behalten diese ihren Vergütungsanspruch.

Vor der Rückkehr in den Betrieb können Arbeitgeber vom betroffenen Mitarbeiter auch eine formlose ärztliche Bestätigung verlangen, die bestätigt, dass keine Infektionskrankheit vorliegt.

Benötigt der Arbeitgeber die Arbeitsleistung der zurückgekehrten Arbeitnehmer, die er in „häusliche Quarantäne“ geschickt hat, ist eine vorrübergehende Tätigkeit im Homeoffice denkbar. Dazu muss der Arbeitgeber die notwendige technische Ausstattung, beispielsweise einen Laptop, zur Verfügung stellen.

Wird ein Mitarbeiter durch öffentliche Stellen in Quarantäne geschickt, so hat der Arbeitgeber den Verdienstausfall für die Dauer von maximal sechs Wochen zu zahlen (§ 56 Infektionsschutzgesetz, IfSG). Unter den Voraussetzungen der §§ 56 f IfSG kann er sich diese Aufwendungen aber erstatten lassen.

Wie geht man mit erkrankten Mitarbeitern um, die trotz einschlägiger Symptome arbeiten kommen?

Der Arbeitgeber hat das Recht, Arbeitnehmer, die bekannte Symptome einer Pandemie-Infektionserkrankung zeigen, (bezahlt) freizustellen. Der Beschäftigungsanspruch des Erkrankten bleibt hinter dem Interesse des Arbeitgebers zurück, die übrige Belegschaft zu schützen und den Betriebsablauf sicherzustellen.

Hat der Arbeitgeber bei akuten Pandemien ein Fragerecht im Hinblick auf den letzten Aufenthaltsort des Mitarbeiters?

Während entsprechender Risikozeiten hat der Arbeitgeber das Recht, einen kranken Arbeitnehmer mit bekannten Symptomen zu fragen, ob er sich – etwa während seines Urlaubs – in einem Pandemie-Risikogebiet aufgehalten hat. Der Arbeitnehmer muss Auskunft darüber geben, ob er in einem Risikogebiet war oder nicht. Seinen genauen letzten Aufenthaltsort muss er aber nicht angeben.

Ist ein „Pandemieplan“ im Unternehmen sinnvoll?

Ein betrieblicher Notfallplan für Pandemien erscheint sinnvoll. Ein solcher „Pandemieplan“ definiert das Procedere, wenn es in der Belegschaft zu infektiösen Erkrankungen kommt. Festgelegt werden sollte, welche kritischen Funktionen besetzt sein müssen, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Der Arbeitgeber sollte möglichst verschiedene Stellen – von der Belegschaft über den Betriebsrat und Betriebsarzt bis zur Arbeitssicherheit – bei der Erstellung beteiligen.

Muss der Betriebsrat bei der Erstellung eines „Pandemieplans“ beteiligt werden?

Der Betriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht bei der Erstellung eines „Pandemieplans“ als solchen. Jedoch sind sehr viele der im Pandemiefall zweckmäßigen Maßnahmen mitbestimmungspflichtig. Man denke etwa an (Hygiene-) Verhaltensregelungen, Überstundenanordnungen oder die Zuweisung anderer als vertraglich vereinbarter Tätigkeiten. Hinzu kommt, dass einzelne dieser Maßnahmen schon in bereits bestehenden Betriebsvereinbarungen geregelt sein können. Überdies besteht die Gefahr, dass widersprechende einzelvertragliche Vereinbarungen existieren. Daher stellt sich der Abschluss eines „Pandemieplans“ als Betriebsvereinbarung als nahezu alternativlos dar.

Fazit 

Sofern Sie in Ihrem Unternehmen Handlungsbedarf sehen oder sich mit Fragestellungen im Zusammenhang mit Pandemien beschäftigen, stehen Ihnen unsere Anwältinnen und Anwälte aus dem Geschäftsbereich Arbeitsrecht gerne zur Verfügung!


Aktuelle Informationen zu COVID-19 finden Sie in unserem Corona Center. Wenn Sie Fragen zum Umgang mit der aktuellen Lage und den Auswirkungen für Ihr Unternehmen haben, sprechen Sie unser CMS Response Team jederzeit gerne an.

Autoren

Foto vonNina Hartmann
Dr. Nina Hartmann
Partnerin
München
Foto vonEsther Dehmel
Dr. Esther Dehmel, LL.M. (Victoria University of Wellington)