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Umweltverbandsklage bei immissionsschutzrechtlicher Verlängerungsentscheidung

Update Real Estate & Public 09/2020

September 2020

Hintergrund

Der Kläger, eine anerkannte Umweltvereinigung nach § 3 UmwRG, wendet sich gegen eine immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung für die Erweiterung einer Hähnchenmastanlage. Die Genehmigung erlischt, wenn die Anlage bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht in Betrieb genommen wird. Während des Rechtsstreits verlängerte die Beklagte zweimal die Frist für die Inbetriebnahme (vgl. § 18 Abs. 3 BImSchG). Der Kläger ersuchte das zu diesem Zeitpunkt mit der Sache befasste Oberverwaltungsgericht, den zweiten Fristverlängerungsbescheid aufzuheben. Dem kam das Oberverwaltungsgericht nicht nach, ließ aber insoweit die Revision zum BVerwG zu. Die Revision hatte Erfolg.

Die Entscheidung

Das BVerwG, Urteil vom 19.12.2019 – 7 C 28.18 –, entschied, dass der Kläger gegen die Verlängerungsentscheidung nach § 18 Abs. 3 BImSchG klagebefugt ist. 
Nach § 2 Abs. 1 UmwRG kann eine anerkannte Umweltvereinigung Rechtsbehelfe gegen die in § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG benannten Entscheidungen einlegen, ohne eine eigene Rechtsverletzung geltend machen zu müssen.
Nach dem BVerwG ist die Verlängerungsentscheidung zwar keine Zulassungsentscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG i. V. m. § 2 Abs. 6 UVPG. Denn mit ihr wird nicht abschließend über die formellen und materiellen Zulassungsvoraussetzungen eines Vorhabens entschieden (wie bei einer Erlaubnis oder Genehmigung). Sie modifiziert nur eine Nebenbestimmung der Zulassungsentscheidung, nämlich deren Befristung. Ferner besteht bei der Verlängerung keine Pflicht zur Durchführung einer UVP; eine solche setzt § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG aber voraus.
Die Verlängerungsentscheidung falle jedoch unter § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG. Diese Vorschrift betrifft Verwaltungsakte, durch die ein anderes Vorhaben unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften zugelassen wird. Die Vorschrift ist so weit wie möglich im Einklang mit den Zielen von Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention und dem Ziel effektiven Rechtsschutzes auszulegen. Sie erfasst daher auch Entscheidungen, die nur Elemente einer Zulassungsentscheidung enthalten.
So liegt es bei der Verlängerungsentscheidung nach § 18 Abs. 3 BImSchG. Sie knüpft an den Zweck des BImSchG an und enthält damit eine umweltbezogene Bestimmung im Sinne des Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention. Bei der Verlängerungsentscheidung werden also (kursorisch) auch materielle Normen des Umweltrechts geprüft; dies genügt, um den Anwendungsbereich des UmwRG zu eröffnen. Dafür spricht nach dem BVerwG der Auffangcharakter der Vorschrift, die durch das Gesetz zur Anpassung des UmwRG und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorhaben vom 29.05.2017 mit dem Ziel eingefügt worden war, Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention vollständig umzusetzen. Eine einschränkende Auslegung der Vorschrift verbietet sich nach dem BVerwG auch deshalb, weil die Mitgliedstaaten nach der Aarhus-Konvention zwar Kriterien festlegen dürfen, die Mitglieder der Öffentlichkeit erfüllen müssen, um klagebefugt zu sein. Sie dürfen den Umfang der Klagebefugnis dann aber nicht weiter einschränken.

Praxistipp

Anerkannte Umweltvereinigungen können nun auch gegen immissionsschutzrechtliche Verlängerungsentscheidungen vorgehen. Vorhabenträger sollten daher künftig besonderes Augenmerk auf deren Voraussetzungen legen, damit sie möglichst rechtssicher gestaltet werden. 

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Autoren

Foto vonJulius Städele
Dr. Julius Städele, LL.M. (Cambridge)
Counsel
Berlin