Home / Veröffentlichungen / Vorlagebeschluss des BGH zur Frage der Anwendbarkeit...

Vorlagebeschluss des BGH zur Frage der Anwendbarkeit der Mindestsatzbestimmungen der HOAI

Update Real Estate & Public 09/2020

September 2020

Hintergrund

Der EuGH hatte in seinem Urteil vom 04.07.2019 – C-377/17 – festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland durch die Beibehaltung der in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) verbindlich geregelten Mindestsätze gegen Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 g und Abs. 3 der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123 EG verstoßen hat.

Seitdem ist zwischen verschiedenen Oberlandesgerichten streitig, ob das Preisrecht der HOAI weiterhin Anwendung findet.

Die Entscheidung

Der Kläger verlangt für seine erbrachten Ingenieurleistungen von der Beklagten unter Berufung auf die Mindestsätze der HOAI eine über das vertraglich vereinbarte Pauschalhonorar hinausgehende Vergütung. Wäre das Preisrecht nicht mehr anwendbar, hätte der Kläger wegen der dann wirksamen Pauschalhonorarvereinbarung keinen Anspruch auf zusätzliche Vergütung. 

Der BGH hat das Verfahren ausgesetzt und mit Beschluss vom 14.05.2020 – VII ZR 174/19 – dem EuGH in einem Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV wiederum entscheidungserhebliche Fragen zur richtigen Anwendung des Unionsrechts vorgelegt:

  1. Entfaltet die Dienstleistungsrichtlinie in laufenden Zivilrechtsstreitigkeiten eine unmittelbare Wirkung in der Weise, dass die in § 7 HOAI verbindlich geregelten Mindestsätze nicht mehr angewendet werden dürfen?
  2. Sofern die erste Frage verneint wird: Liegt in dem Preisrecht der HOAI ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit aus Art. 49 AEUV oder sonstige allgemeine Grundsätze des Unionsrechts und folgt hieraus eine Nichtanwendbarkeit der nationalen Mindestsätze?

Eine richtlinienkonforme Auslegung des § 7 HOAI sei nach Ansicht des BGH nicht zulässig, weil sie in klarem Widerspruch zu dem erkennbaren Willen des Gesetz- und Verordnungsgebers stünde und als nicht zulässige Auslegung contra legem einzustufen wäre.

Daher kommt es darauf an, ob die Dienstleistungsrichtlinie unmittelbare horizontale Wirkung zwischen Privaten entfaltet. Der BGH neigt dazu, dies abzulehnen. Zwar sei anerkannt, dass sich der Einzelne gegenüber dem Mitgliedstaat unmittelbar auf eine Richtlinie berufen könne, wenn diese nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt worden und die Bestimmung inhaltlich unbedingt sowie hinreichend genau sei. Allerdings könne eine Richtlinie nicht selbst einem Einzelnen diesem nach nationalem Recht zustehende Ansprüche, hier den Anspruch auf Vergütung in Höhe der Mindestsätze, unmittelbar entziehen. Dies sei nur auf der Grundlage von Verordnungen zulässig.

Praxistipp

Bis zur Entscheidung der Vorlagefragen durch den EuGH oder zum Inkrafttreten einer novellierten HOAI verbleibt eine erhebliche Rechtsunsicherheit mit Blick auf die Gültigkeit des verbindlichen Preisrechts. Werden Verträge unter der Annahme geschlossen, dass das Preisrecht nicht mehr gilt, empfiehlt es sich, vorsorglich Regelungen für den Fall zu treffen, dass dies doch der Fall ist, insbesondere die dann anzuwendenden Parameter für die Honorarberechnung (Honorarzone, Honorarsatz, anzurechnende Kosten etc.) zu vereinbaren. Ein Rückgriff auf die Bestimmungen der HOAI, die die Leistungen (insbesondere Grund- und besondere Leistungen) in den einzelnen Leistungsphasen beschreiben, um den vom Architekten oder Ingenieur zu erbringenden Leistungsumfang zu definieren, ist aber unabhängig von der Frage der Anwendbarkeit des verbindlichen Preisrechts weiterhin möglich.

Dieser Artikel ist Teil des Update Real Estate & Public, das Sie hier abonnieren können.


Aktuelle Informationen zu COVID-19 finden Sie in unserem Corona Center. Wenn Sie Fragen zum Umgang mit der aktuellen Lage und den Auswirkungen für Ihr Unternehmen haben, sprechen Sie Ihren Ansprechpartner bei CMS oder unser CMS Response Team jederzeit gerne an.


Autoren

Foto vonDésirée Oberpichler
Désirée Oberpichler