Home / Veröffentlichungen / Wann ist ein Auftrag über die Bestellung eines bestimmten...

Wann ist ein Auftrag über die Bestellung eines bestimmten Produkts ein Bauauftrag?

Update Real Estate & Public 09/2020

September 2020

Hintergrund

Ein Universitätsklinikum in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts (Antragsgegner) schrieb die Lieferung und den Aufbau eines Sterilisators mit einem Kammervolumen von neun Sterilguteinheiten als Lieferauftrag europaweit aus. Der Laborsterilisator war für den Neubau des Zentrums für Synthetische Lebenswissenschaften vorgesehen, dessen geschätzte Gesamtbaukosten sich auf EUR 31,45 Mio. brutto beliefen. Nachdem der Antragsgegner den Zuschlag an den erstplatzierten Bieter erteilt hatte, beantragte ein Bieter, dessen Angebot nach dem Ergebnis des Submissionstermins auf Platz zwei lag, die Unwirksamkeit des Vertragsschlusses festzustellen. Die Vergabekammer verwarf den Nachprüfungsantrag als offensichtlich unzulässig. Gegen die Entscheidung der Vergabekammer erhob der Bieter sofortige Beschwerde. 

Die Entscheidung

Der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 11.12.2019 – VII-Verg 53/18 – zurückgewiesen, weil der Antragsteller keinen drohenden Schaden dargelegt habe und daher nicht antragsbefugt sei. Da der Zuschlag bereits erteilt worden sei, hätte der Antragsteller einen der in § 135 Abs. 1 GWB genannten Unwirksamkeitsgründe geltend machen müssen. Der Antragsteller habe aber nur für die Zuschlagsentscheidung relevante Vergabeverstöße gerügt. 

Der Vergabesenat qualifizierte die in der Auftragsbekanntmachung als Lieferauftrag bezeichnete Lieferung des Laborsterilisators als Bauauftrag. Für die Abgrenzung, ob ein Auftrag über die Bestellung eines bestimmten Produkts ein Lieferauftrag oder ein Bauauftrag ist, stellt der Vergabesenat – wie schon in seinem Beschluss vom 16.10.2019 – VII-Verg 66/18 – auf den funktionalen Zusammenhang zwischen dem zu liefernden Produkt und dem bestimmten technischen Zwecken dienenden Gebäude ab. Die Lieferung eines Produkts stehe in einem Funktionszusammenhang mit einer Bauleistung, wenn die zur Erfüllung des Bauauftrags notwendigen Bauteile geliefert werden sollen oder wenn das Produkt für die Herstellung eines funktionsfähigen Gebäudes mit seinem spezifischen Nutzungszweck erforderlich sei. Letzteres treffe auf die ausgeschriebene Lieferung des Laborsterilisators zu, denn das zu errichtende Zentrum für Synthetische Lebenswissenschaften könne seinen spezifischen Nutzungszweck nur erfüllen, wenn es mit dem fest in das Bauwerk integrierten Laborsterilisator ausgestattet sei. 

Praxistipp

Bei Aufträgen über die Lieferung und den Einbau eines Produkts in ein Bauwerk stellt sich regelmäßig die Frage, ob der Auftrag als Bau- oder Lieferauftrag zu bewerten ist. Die Einordnung hat weitreichende Folgen, da sie darüber entscheidet, welcher EU-Schwellenwert einschlägig ist und ob für das Vergabeverfahren das Verfahrensrecht der Vergabeverordnung (VgV) oder die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) Anwendung findet. Für die Abgrenzung ist eine funktionale Betrachtung entscheidend. Wenn ein öffentlicher Auftraggeber für einen Bauauftrag Produkte beschafft, die in einem engen Funktionszusammenhang mit dem Nutzungszweck der herzustellenden baulichen Anlage stehen, sind diese Produkte nicht Teil eines Lieferauftrags, sondern eines Bauauftrags.

Dieser Artikel ist Teil des Update Real Estate & Public, das Sie hier abonnieren können.


Aktuelle Informationen zu COVID-19 finden Sie in unserem Corona Center. Wenn Sie Fragen zum Umgang mit der aktuellen Lage und den Auswirkungen für Ihr Unternehmen haben, sprechen Sie Ihren Ansprechpartner bei CMS oder unser CMS Response Team jederzeit gerne an.


Autoren

Foto vonKarima Sameri
Karima Sameri
Senior Associate
Hamburg