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Zumutbarkeit denkmalschutzrechtlicher Anordnungen

Update Real Estate & Public 09/2018

September 2018

Im Beschluss vom 07.03.2018 – 1 B 372 / 17 – bekräftigt das Sächsische OVG die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung zur Zumutbarkeit denkmalschutzrechtlicher Anordnungen und gibt neue Impulse für die Anforderungen an die Darlegungen des Denkmaleigentümers, wenn er die Unzumutbarkeit solcher Anordnungen geltend macht.

Hintergrund

Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines baufälligen leerstehenden Industriegebäudes, das unter Denkmalschutz steht. Die Antragsgegnerin erließ eine Sicherungsanordnung und gab der Antragstellerin die fachgerechte Wiederherstellung des zerstörten Satteldachs bzw. die Herstellung eines funktionstüchtigen Notdachs auf.

Im einstweiligen Rechtsschutz blieb die Antragstellerin erfolglos. Das Verwaltungsgericht Leipzig führte in seinem Beschluss aus, die Anordnung sei zumutbar. Es sei weder glaubhaft gemacht noch offensichtlich, dass es keine Nutzungsmöglichkeit gebe bzw. diese nach denkmalrechtlichen Maßstäben unwirtschaftlich sei oder das Objekt nicht zu einem angemessenen Preis verkauft werden könne.

Die Entscheidung

Das Sächsische OVG ändert den Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig und gewährt der Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz.

Die Anordnung sei mangels Zumutbarkeit voraussichtlich rechtswidrig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei die Erhaltung eines Kulturdenkmals für einen privaten Eigentümer unzumutbar, wenn selbst ein dem Denkmalschutz aufgeschlossener Eigentümer von diesem keinen vernünftigen Gebrauch machen und es auch nicht veräußern kann, sodass die Privatnützigkeit nahezu vollständig beseitigt und aus dem Eigentumsrecht eine Last wird, die der private Eigentümer allein im öffentlichen Interesse zu tragen hat, ohne dafür die Vorteile einer privaten Nutzung genießen zu können.

Davon ausgehend habe die Antragstellerin glaubhaft gemacht, dass das Gebäude absehbar keiner vernünftigen Nutzung zugeführt oder veräußert werden könne. Sie habe mit eidesstattlicher Versicherung erklärt, das Gebäude habe nach dem Erwerb im Jahr 1999 keiner wirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden können. Eine solche sei derzeit auch nicht absehbar. Der einzige Kaufinteressent in der näheren Vergangenheit habe nichts mehr von sich hören lassen. Anhaltspunkte für eine Nutzungsmöglichkeit des Gebäudes und Amortisierung der damit verbundenen Kosten – mindestens EUR 600.000 – lägen nicht vor. Das Gebäude befinde sich ausweislich der Fotodokumentation in den Gerichts- und Behördenakten in einem desolaten Zustand, der auf allgemeinen Sanierungsrückstau, Brandschäden und Vandalismus zurückgehe. Die Antragsgegnerin habe demgegenüber nicht glaubhaft gemacht, dass eine wirtschaftliche Nutzung möglich sei oder Kaufinteresse bestehen könne.

Praxistipp

Der Beschluss reduziert jedenfalls im einstweiligen Rechtsschutz die Anforderungen an die Darlegungen des Denkmaleigentümers. Dieser musste bislang die Unzumutbarkeit der Anordnung etwa durch Vorlage eines Nutzungskonzepts für die fehlende Nutzungsmöglichkeit oder den dokumentierten Nachweis der Unveräußerlichkeit glaubhaft darlegen. Dies war u. U. mit großem Aufwand verbunden. Die Behörden konnten sich darauf beschränken, eine ausreichende Darlegung zu bestreiten. Diese pauschale Vorgehensweise steht den Behörden künftig nicht mehr zur Verfügung. Sie werden nun jedenfalls die Möglichkeit einer weiteren Nutzung oder einer Veräußerung aufzeigen müssen. Ob dies auch außerhalb des einstweiligen Rechtsschutzes gilt, bleibt abzuwarten.

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Autoren

Foto vonJulius Städele
Dr. Julius Städele, LL.M. (Cambridge)
Counsel
Berlin