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Zuschlag auf ein Angebot nach Ablauf der Bindefrist

Update Real Estate & Public 09/2020

September 2020

Hintergrund

Nach den Vorgaben des Vergaberechts ist der Zuschlag auf das in einem förmlichen Vergabeverfahren ermittelte wirtschaftlichste Angebot zu erteilen (§ 127 Abs. 1 Satz 1 GWB). Um die Bieter bis zur Zuschlagsreife an ihre Angebote zu binden, gibt der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen Angebotsbindefristen vor und verlängert sie erforderlichenfalls im Einvernehmen mit den Bietern. Problematisch sind die Fälle, in denen die Vergabestelle die Einholung einer Bindefristverlängerung versäumt oder ein Bieter die abgeforderte Bindefristverlängerung versehentlich nicht bestätigt. Sie werfen die Frage auf, ob einem Bieter nach Ablauf der Bindefrist der Zuschlag erteilt werden darf, obwohl sein Angebot nach zivilrechtlichen Grundsätzen durch Fristablauf erloschen ist (§ 148 BGB).

Für das Versäumnis der Vergabestelle, eine Bindefristverlängerung rechtzeitig einzuholen, hatte der BGH mit Urteil vom 28.10.2003 – X ZR 248/02 – entschieden, dass der Auftraggeber dem Bestbieter den Vertragsschluss zu den angebotenen Bedingungen antragen darf (§ 150 Abs. 1 BGB). Nach dem haushaltsrechtlichen Gebot einer sparsamen und effizienten Verwendung öffentlicher Mittel könne der Auftraggeber hierzu sogar gehalten sein. Mit dieser Entscheidung stellte der BGH einen Ausgleich zwischen der formalen Strenge des Vergabeverfahrens und dem Gebot einer wirtschaftlichen Beschaffung her. Das OLG Celle hat nun mit Beschluss vom 30.01.2020 – 13 Verg 14/19 – die Rechtsprechung auf den umgekehrten Fall einer Versäumnis des Bieters, die abgeforderte Bindefristverlängerung zu bestätigen, übertragen.

Die Entscheidung

Zu dem grundlegenden Problem einer fortwährenden vergaberechtlichen Relevanz von erloschenen Angeboten gesellte sich die Frage, ob infolge der unterlassenen Bestätigung der abgeforderten Bindefristverlängerung das Angebot zwingend wegen formaler Unvollständigkeit auszuschließen war. Im Kern der Auseinandersetzung stand der Katalog des § 57 Abs. 1 VgV, der u. a. den zwingenden Ausschluss von Angeboten vorsieht, die nicht die geforderten oder nachgeforderten Unterlagen enthalten (Nr. 2). Nach Auffassung des OLG Celle fällt die unterlassene Verlängerung der Bindefrist nicht in den Anwendungsbereich des Ausschlusstatbestandes, da eine Fristverlängerung weder in den Vergabeunterlagen gefordert war noch eine nachgeforderte Unterlage in diesem Sinne darstellt. Die Norm umfasse ausschließlich unternehmens- und leistungsbezogene Unterlagen gemäß § 56 Abs. 2 VgV. Gestützt auf die Rechtsprechung des BGH, wonach der Auftraggeber dem Bestbieter eines erloschenen Angebots den Vertragsschluss antragen darf und hierzu sogar gehalten sein kann, verpflichtete das OLG Celle die Vergabestelle antragsgemäß, auch das erloschene Angebot zu werten, obwohl der Bieter die Bestätigung der Bindefristverlängerung versäumt hatte. 

Praxistipp

Die Entscheidung des OLG Celle behandelt eine komplexe und vom Einzelfall abhängige Problematik, weshalb sie nur bedingt verallgemeinert werden kann. Insbesondere die Einflüsse des Unionsrechts sowie eine stärkere Gewichtung des vergaberechtlichen Nachverhandlungsverbotes lassen abweichende Entscheidungen zu. Den sicheren Weg beschreiten Auftraggeber, wenn sie in den Vergabeunterlagen den Ausschluss verfristeter Angebote ausdrücklich bestimmen.

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Autoren

Foto vonPeter Oriwol
Peter Oriwol
Senior Associate
Leipzig