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Zwangsversteigerung: Gutachter haftet für unrichtiges Verkehrswertgutachten

Update Real Estate & Public 04/2019

April 2019

Hintergrund

Das OLG Brandenburg (Urteil vom 07.03.2018 – 7 U 87 / 16) beschäftigte sich mit der Frage, ob ein im Zwangsversteigerungsverfahren vom Gericht beauftragter Wertgutachter dem Erwerber für ein grob fahrlässig unrichtig erstelltes Verkehrswertgutachten haftet. Im entschiedenen Fall schätzte der Gutachter eine Wohnung auf 99 m2 und einen Wert von EUR 100.000. Der Kläger erhielt den Zuschlag auf Basis des Mindestgebots von EUR 50.000. Im Anschluss an den Erwerb der Eigentumswohnung stellte der Kläger fest, dass die Immobilie ca. 9 % kleiner war als in dem Gutachten angegeben. Der Gutachter hatte die Räume weder innen besichtigt noch Vergleichsdaten eingeholt. Bei richtiger Bewertung hätte der Kläger somit nur EUR 43.000 bieten müssen, da der Verkehrswert der Wohnung zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich EUR 86.000 betrug. Der Kläger nahm den Gutachter somit auf Zahlung der Differenz von EUR 7.000 in Anspruch. Das Landgericht wies die Klage als unbegründet zurück. Hiergegen richtete sich die Berufung des Klägers.

Die Entscheidung

Das OLG Brandenburg hat dem Kläger einen Schadensersatzanspruch, gestützt auf § 839 a BGB, zugesprochen. Dem Kläger sei durch eine gerichtliche Entscheidung – der ein Zuschlagsbeschluss in der Zwangsversteigerung gleichsteht – ein Schaden infolge einer grob fahrlässig unrichtigen Gutachtenerstellung entstanden. Der Umstand, dass der Verkehrswert eines Grundstücks nur näherungsweise und somit nicht mit mathematischer Genauigkeit ermittelt werden könne, rechtfertige dabei die unrichtige Ermittlung der Wohnungsfläche nicht, da im konkreten Fall die Flächendifferenz mit ca. 9 % zu groß sei. Das OLG Brandenburg hat insbesondere der Wohnfläche als wertbildendem Faktor eine grundsätzliche Bedeutung zugewiesen, da sie eine wesentliche Grundlage für die Wertermittlung darstelle. Die für einen Schadensersatzanspruch aus § 839 a BGB erforderliche grob fahrlässige Gutachtenerstellung sei darin zu sehen, dass es sich sowohl objektiv als auch subjektiv um ein nicht entschuldbares Versäumnis handele, wenn ein gerichtlich bestellter Gutachter eine Wohnfläche in seinem Gutachten ohne Besichtigung von innen angebe. Wenn einem Gutachter die Besichtigung der Immobilie nicht möglich sei, müsse er diesen Umstand in seinem Gutachten offenlegen und es müsse sich die fehlende Besichtigungsmöglichkeit durch einen Abschlag beim Verkehrswert widerspiegeln. Zudem sei er gehalten, zur Überprüfung seiner Schätzung weitere Erkundigungen beim örtlichen Gutachterausschuss einzuholen. Die Unterlassung dieser Maßnahmen stelle ein grob fahrlässiges Verhalten des Sachverständigen dar. Da ihm als vom Gericht bestellter Gutachter die Leichtfertigkeit seiner Vorgehensweise hätte bewusst sein müssen, treffe ihn zudem auch eine subjektive Vorwerfbarkeit.

Tipp für die Praxis

Das OLG Brandenburg hat mit seinem Urteil ein Zeichen gesetzt. Bislang musste ein gerichtlich bestellter Gutachter kaum Konsequenzen fürchten, wenn er sich mangels Zugang zu einer Immobilie mit einer groben Schätzung der Wohnfläche begnügte. Um einer möglichen Haftung zu entgehen, muss der Sachverständige nunmehr in seinem Gutachten konkret zum Ausdruck bringen, wie er die Flächenangaben ermittelt hat, wenn eine Messung nicht erfolgen konnte.

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Autoren

Foto vonLukas Potstada
Lukas Potstada
Counsel
Stuttgart