Home / Veröffentlichungen / Alternativenprüfung bei Bebauungsplan

Alternativenprüfung bei Bebauungsplan

Update Real Estate & Public 04/2020

April 2020

Hintergrund

Das im Rahmen von Planfeststellungsverfahren zu beachtende Abwägungsgebot verlangt von Planfeststellungsbehörden u. a., dass alle ernsthaft in Betracht kommenden Alternativlösungen (z. B. alternative Standorte) ermittelt, bewertet und innerhalb des Abwägungsvorgangs berücksichtigt werden müssen. In dem zugrunde liegenden Fall vor dem VGH Mannheim (Urteil vom 23.05.2019 – 8 S 2431/17) ging es um die Frage, ob die im Fachplanungsrecht anerkannte Pflicht zur Alternativenprüfung auch im Rahmen der Bauleitplanung, d. h. bei der Aufstellung von Bebauungsplänen, zu beachten ist.

Der Antragsteller (AS) betreibt angrenzend an ein Baugebiet eine Schmiede. Die Gemeinde beabsichtigte, für dieses Baugebiet einen Bebauungsplan aufzustellen, der ausschließlich eine Wohnnutzung vorsah. Nachdem der AS den Bebauungsplan mehrfach (erfolgreich) insbesondere deshalb als abwägungsfehlerhaft angegriffen hatte, weil die Schallimmissionen seines Betriebs nicht ausreichend berücksichtigt worden waren, stellte die Gemeinde schließlich einen Bebauungsplan auf, der zwar aktive Schallschutzmaßnahmen in Form einer Lärmschutzwand westlich seines Grundstücks zur Lärmabschirmung für das Wohngebiet vorsah; hierdurch wäre jedoch die westliche Zufahrt zum Betrieb des AS nicht mehr nutzbar gewesen. Aus diesem Grund forderte der AS von der Gemeinde die Festsetzung einer entsprechenden Schallschutzmauer im Osten seines Grundstücks und machte die Nichtberücksichtigung dieser Alternative als Abwägungsfehler geltend.

Die Entscheidung

Der VGH entschied zugunsten des AS. Bei der Wahl des Standorts der Lärmschutzwand war die Gemeinde zu einer Alternativenprüfung verpflichtet. Nach Ansicht des VGH folge dies aus dem Gebot der Proportionalität der Abwägung und damit aus dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Auf einfachgesetzlicher Ebene zieht der erkennende Senat hierfür die Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung und die Abfassung des Umweltberichts heran, §§ 3 Abs. 1, 2 Abs. 4 BauGB. Diese Pflicht zur Alternativenprüfung bestehe dabei nicht nur für die Aufstellung eines Planentwurfes als solchem, sondern gerade auch für Einzelfestsetzungen.

Der VGH hebt dabei hervor, dass eine Alternativenprüfung zwar nur in Ausnahmefällen angezeigt sei, und begründet dies mit dem gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren städtebaulichen Planungsermessen. Dieses erweise sich jedoch dann als fehlerhaft ausgeübt, wenn sich eine andere als die gewählte Lösung als die eindeutig bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere Variante, hätte aufdrängen müssen. Hierbei müssten stets die spezifischen Umstände des Einzelfalls sachgerecht gewürdigt werden. Die im vorliegenden Fall qua Festsetzung geforderte Lärmschutzwand hätte ebenso gut auf der gegenüberliegenden Straßenseite errichtet werden können, was die Effektivität des Lärmschutzes nur geringfügig verschlechtert hätte. Zudem wäre die massive Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit der Zufahrt zur Schmiede für den AS vermieden worden. Aus Sicht des Senats drängte sich eine Alternativenprüfung deshalb geradezu auf.

Praxistipp

Die Entscheidung des VGH stärkt den Grundrechtsschutz betroffener Dritter. Mit Blick auf die gegenwärtige Diskussion um die zügige Ausweisung neuen Baulandes ist für die Planersteller daher Vorsicht geboten. Gemeinden ist zu empfehlen, in ihrem Planungsverfahren sorgfältig abzuwägen. Dies gilt umso mehr, wenn – wie hier – das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als grundrechtssensible Position in Rede steht.

Dieser Artikel ist Teil des Update Real Estate & Public, das Sie hier abonnieren können.


Aktuelle Informationen zu COVID-19 finden Sie in unserem Corona Center. Wenn Sie Fragen zum Umgang mit der aktuellen Lage und den Auswirkungen für Ihr Unternehmen haben, sprechen Sie Ihren Ansprechpartner bei CMS oder unser CMS Response Team jederzeit gerne an.


Autoren

Foto vonTobias Sdunzig
Dr. Tobias Sdunzig