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Aufklärung geht vor Ausschluss

Update Real Estate & Public 04/2020

April 2020

Hintergrund

Die Auftraggeberin schrieb Reinigungsleistungen in mehreren objektbezogenen Losen europaweit im offenen Verfahren aus. Die Bieter hatten mit dem Angebot eine tabellarische Aufstellung der Stundenverrechnungssätze sowie weitere ausgefüllte Anlagen einzureichen. 

Nach der ersten Wertung der Angebote teilte die Auftraggeberin in einer Vorabinformation gemäß § 134 GWB zunächst mit, die Antragstellerin habe das wirtschaftlichste Angebot abgegeben und sei für die Zuschlagerteilung vorgesehen. Das Angebot eines weiteren Bieters hatte die Auftraggeberin wegen einer Überschreitung vorgegebener Richtwerte ausgeschlossen. Der Bieter rügte den Angebotsausschluss und verwies auf einen Übertragungsfehler zwischen den von ihm ausgefüllten Anlagen.

Die Auftraggeberin half der Rüge ab und wiederholte die Wertung unter Einbeziehung des zuvor ausgeschlossenen Angebots. Im Rahmen der Neuwertung bewertete die Auftraggeberin das zuvor ausgeschlossene Angebot als das wirtschaftlichste und teilte der Antragstellerin mit, dass der Zuschlag nicht mehr auf ihr Angebot erteilt werden sollte. Die Antragstellerin beanstandete die Einbeziehung des zunächst ausgeschlossenen Angebots in die Wertung mit einer Rüge und einem Nachprüfungsantrag, da die Aufklärung des Angebots unzulässig gewesen sei und gegen das Nachverhandlungsverbot aus § 15 Abs. 5 Satz 2 VgV verstoße. 

Die Entscheidung

Der Nachprüfungsantrag blieb ohne Erfolg. Nach Ansicht der Vergabekammer Brandenburg (Beschluss vom 17.07.2019 – VK 7/19) war die von der Auftraggeberin auf die Rüge hin durchgeführte Aufklärung des Angebots geboten und daher zulässig. 

Ein Bieter habe zwar nach dem Wortlaut von § 15 Abs. 5 Satz 1 VgV keinen Anspruch, dass divergierende Angaben in seinem Angebot einer Klärung zugeführt würden. Die Spruchpraxis der Nachprüfungsinstanzen geht aber von einer Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers zur Aufklärung vor Ausschluss aus (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.10.2015 – VII-Verg 35/15; Beschluss vom 11.5.2016 – VII-Verg 50/15). Dem schließt sich die Vergabekammer Brandenburg an. Gemäß der Intention der VgV (und der VOB) solle der Ausschluss von Angeboten aus lediglich formalen Gründen möglichst vermieden werden. Öffentliche Auftraggeber dürften daher Angebote, die bei Vorliegen formaler Mängel jedenfalls wegen widersprüchlicher oder unvollständiger Angaben (Erklärungen oder Nachweise) an sich „ausschlusswürdig“ sind, nicht ohne Weiteres von der Wertung ausnehmen. Vor dem Ausschluss des Angebots müsse der Auftraggeber den Bieter zu einer Aufklärung über den Inhalt des Angebots aufgefordert und ihm Gelegenheit gegeben haben, den Tatbestand der Widersprüchlichkeit oder Unvollständigkeit nachvollziehbar auszuräumen. 

Das Ergebnis der Aufklärung stellte in dem entschiedenen Fall auch keine unzulässige Nachverhandlung im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 2 VgV dar, da keine Änderung des ursprünglich eingereichten Angebotsgesamtpreises oder der ihn bildenden Faktoren vorgenommen worden sei. Die Aufklärung habe lediglich zur Klarstellung des Angebotsinhalts geführt. Es seien dabei keine neuen, kalkulationsrelevanten Werte eingeführt worden. Der in einer der Anlagen zu niedrig eingetragene Stundeneinsatz konnte zweifelsfrei mit dem an anderer Stelle richtig errechenbaren Stundeneinsatz korrigiert werden. Die Neuwertung der Angebote sei aus diesem Grund nicht zu beanstanden. 

Praxistipp

Angebotsausschlüsse aus lediglich formalen Gründen sollen nach Möglichkeit vermieden werden. Auftraggeber müssen daher bei Angeboten, die wegen widersprüchlicher oder unvollständiger Angaben an sich ausschlusswürdig sind, den Bieter vor einem Ausschluss zur Aufklärung auffordern. Nur wenn der Bieter die Widersprüchlichkeit nicht ausräumt, ist ein Ausschluss zulässig. Auf die Mitwirkungspflichten und den drohenden Ausschluss des Angebots bei unterlassener Mitwirkung sollten Auftraggeber den Bieter aus Transparenzgründen zuvor hinweisen.

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Autoren

Foto vonKarima Sameri
Karima Sameri
Senior Associate
Hamburg