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Befristete Senkung der Umsatzsteuersätze vom 1. Juli 2020 bis 31. Dezember 2020

30/06/2020

Die Senkung der Umsatzsteuersätze von 19 % auf 16 % (Regelsteuersatz) und von 7 % auf 5 % (ermäßigter Steuersatz) soll befristet vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 (sechs Monate) gelten. Sie betrifft Lieferungen, sonstige Leistungen, innergemeinschaftliche Erwerbe und Einfuhren. Ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren („Zweites Corona-Steuerhilfegesetz“) läuft derzeit; ein Abschluss ist in Kürze, jedenfalls noch vor dem 1. Juli 2020, zu erwarten. Die Finanzverwaltung hat am 12. Juni 2020 den Entwurf einer Verwaltungsanweisung veröffentlicht (Entwurf BMF-Schreiben), worin die Auffassung der Finanzverwaltung zu den verschiedenen Fragestellungen dargelegt wird. Dieser Entwurf wurde zwischenzeitlich zweimal aktualisiert und gibt in der derzeitigen Fassung den Stand vom 26. Juni 2020 wieder. Er zeigt zwar verschiedene Vereinfachungsmöglichkeiten auf, diese berühren aber nur das Prozedere, nicht die rechtlich zutreffende Steuersatzhöhe. Eine finale Fassung des BMF-Schreibens liegt weiterhin nicht vor; dem Vernehmen nach soll diese aber in Kürze veröffentlicht werden. Auch wenn das BMF zwischenzeitlich eine FAQ-Liste „Anstehende Umsatzsteuersatzsenkung“ (Stand 25. Juni) veröffentlicht hat, bleibt es bis dahin bei verschiedenen Rechtsunsicherheiten. Unternehmen sollten sich schon heute nicht nur auf die Umstellung zum 1. Juli 2020, sondern auch bereits auf die „Rückumstellung“ auf den bisherigen Zustand zum 1. Januar 2021 vorbereiten, auch wenn diese politisch nochmals in die Zukunft verschoben werden sollte.

Auch sollten Unternehmen ihre Verträge daraufhin prüfen, ob eine sog. Netto- oder Bruttovereinbarung hinsichtlich des Preises vorliegt. Für Leistungsausführungen in der Zeit vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 kann bspw. die Marge des leistenden Unternehmers höher werden, sofern eine Bruttovereinbarung vorliegt. Sofern die zivilrechtlichen Vereinbarungen keine genaue Aussage treffen, kann sich eine Anpassung des Entgeltanspruchs auch aus dem nur wenig bekannten § 29 UStG ergeben, der einen eigenen zivilrechtlichen Ausgleichsmechanismus normiert.

Überblick zur Anwendung des Umsatzsteuersatzes

Ob der alte Steuersatz (19 % bzw. 7 %) oder der neue Steuersatz (16 % bzw. 5 %) anzuwenden ist, richtet sich allein danach, zu welchem Zeitpunkt die umsatzsteuerliche Leistung und die Lieferung ausgeführt worden sind (vgl. § 27 Abs. 1 S. 1 UStG). Nicht zu verwechseln hiermit ist der Zeitpunkt der umsatzsteuerrechtlichen Steuerentstehung.

  1. Es kommt damit nicht darauf an, wann der zivilrechtliche Vertragsschluss erfolgt und ob bereits eine (Schluss-)Rechnung gestellt worden ist. 
  2. Nicht erheblich für diese Frage ist ferner der Zeitpunkt der Entgeltvereinnahmung oder ob der Unternehmer der umsatzsteuerrechtlichen „Ist-“ oder „Soll-Versteuerung“ unterliegt.
  3. Es ist auch nicht von Relevanz, ob die Leistungen an Endkunden (Verbraucher) oder an andere Unternehmer (etwa als Subunternehmer) ausgeführt werden. 
  4. Auch in den Fällen der Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger (§ 13 b UStG, „reverse charge“) ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Ausführung der bezogenen Leistung für den anzuwendenden Steuersatz maßgeblich. 

Exemplarische Auswahl möglicher Fallgruppen

A. Lieferungen

(Werk-)Lieferungen im umsatzsteuerrechtlichen Sinne sind grundsätzlich zu dem Zeitpunkt ausgeführt, zu dem der Leistungsempfänger die Verfügungsmacht an einem Gegenstand erworben hat. Bei wiederkehrenden Lieferungen ist der Tag jeder einzelnen Lieferung relevant. Wann die Lieferung im Einzelnen ausgeführt ist, kommt auf den Inhalt der (Werk-)Lieferung an. 

Beispiel: Der Unternehmer A übergibt und übereignet im Rahmen eines Kaufvertrages ein Fahrzeug an den Kunden B am 25. Juni 2020. Hier gilt der alte Satz von 19 %. Sofern Unternehmer A den Vorgang erst am 3. Juli 2020 tätigt, gilt der neue Satz von 16 %. 

Befristete Senkung der USt Timeline

B. Sonstige Leistungen

Bei sonstigen Leistungen im umsatzsteuerrechtlichen Sinne kommt es auf den Zeitpunkt der Vollendung der jeweiligen Leistung an. Bei sog. Dauerleistungen (z. B. Vermietungen, Leasing, Wartungen, Überwachungen, laufende Finanz- und Lohnbuchführung) ist auf das Ende des jeweiligen Leistungsabschnitts abzustellen. Verträge über Dauerleistungen, die als Rechnung anzusehen sind, sind an die geänderten (reduzierten) Umsatzsteuersätze anzupassen (Entwurf BMF-Schreiben, Rn. 24) oder eine Dauerrechnung mit den jeweils aktuellen Steuersätzen ist zu stellen. 

Beispiel: Der Unternehmer B erbringt Marketingleistungen gegenüber Unternehmen C. Die letzten Arbeiten für C erfolgen im Juni 2020. Hier gilt der alte Satz von 19 %, womit auch die Rechnung entsprechend auszustellen ist. Erbringt Unternehmer B hingegen die letzten Arbeiten im Sinne eines „Projektabschlusses“ nach dem 30. Juni 2020 und vor dem 1. Januar 2021, gilt der neue Satz von 16 %.

Befristete Senkung der USt Timeline

Von entscheidender Bedeutung dafür, was der „Leistungsabschnitt“ ist, sind die vertraglichen Regelungen. Dazu reicht es nicht unbedingt, dass monatliche Abrechnungen vereinbart sind.

C. Teilleistungen

Anders zu behandeln sind sog. umsatzsteuerliche Teilleistungen. Teilleistungen liegen grundsätzlich vor, wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt zivilrechtlich gesondert vereinbart wird (bspw. Mietleistungen, Wartungsverträge, Leasingverträge, Telekommunikationsleistungen). Hier kommt es auf den Zeitpunkt der Ausführung (oft der Abschluss der Arbeiten oder die Abnahme derselben) der jeweiligen Teilleistung an. Ob und inwieweit eine umsatzsteuerliche Teilleistung vorliegt, ist im Einzelfall insbesondere anhand der zugrundeliegenden Verträge zu prüfen. Es kann sich anbieten, für den Zeitraum der befristeten Umsatzsteuersenkung in den Verträgen noch Teilleistungen zu vereinbaren, um ggf. von dem reduzierten Umsatzsteuersatz zu profitieren.

Befristete Senkung der USt Timeline

D. Anzahlungen / Abschlagszahlungen

(i)   Erbringt der Unternehmer Arbeiten im Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020, ohne dass zugleich umsatzsteuerrechtliche (Teil-)Leistungen vorliegen, und vereinnahmt er in diesem Zeitraum Entgelte von seinem Kunden (Anzahlungen, Abschlagszahlungen), so hat der Unternehmer die Vereinnahmung der Entgelte mit 16 % zu versteuern. Handelt es sich dabei aber um umsatzsteuerliche (Teil-)Leistungen, die erst ab dem 1. Januar 2021 abgeschlossen werden, muss er die verbleibenden drei Prozentpunkte (auf 19 %) nachversteuern und (ggf.) seine Rechnung berichtigen (Entwurf BMF-Schreiben, Tz. 45 f.). Es ist insbesondere darauf zu achten, dass der Unternehmer auch zivilrechtlich einen Anspruch gegenüber seinem Kunden auf diese nachzuversteuernde Umsatzsteuer hat.

In dieser Fallgruppe ist auch bei der Erstellung von Schlussrechnungen in 2021 der Steuersatz von 19 % zu berücksichtigen.

Befristete Senkung der USt Timeline

(ii)   Vereinnahmt der Unternehmer noch vor dem 1. Juli 2020 Entgelte und führt er die umsatzsteuerrechtliche (Teil-)Leistung im Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 aus (Abschluss der Arbeiten), so kann er die Leistung mit 16 % versteuern und entsprechend in der Rechnung bereits den neuen Steuersatz von 16 % ausweisen (Entwurf BMF-Schreiben, Tz. 8). In diesem Fall ist eine Berichtigung der Umsatzsteuer nicht erforderlich.

E. Der Entwurf des BMF-Schreibens enthält für verschiedene Gruppen von umsatzsteuerlichen Leistungen spezielle Übergangsregelungen, wie bspw. für Gutscheine, Pfandbeträge, Jahresboni, Telekommunikationsdienstleistungen, Strom-, Gas- und Wärmelieferungen, Personenbeförderung, Handelsvertretertätigkeiten und Handelsmaklertätigkeiten. Auch insofern bietet sich oft eine einzelfallabhängige Prüfung an. 

Besondere Pflichtenstellung der Unternehmer

  1. Die leistenden Unternehmer sind nach dem Umsatzsteuerrecht besonderen Pflichten ausgesetzt. Neben der zutreffenden Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuerjahreserklärungen unter Berücksichtigung der richtigen Rechtslage (s. hierzu unter 3.) müssen sie auch besonders sorgfältig bei der Ausstellung von Rechnungen vorgehen. Denn im Falle eines fehlerhaften Steuerausweises (bspw. Verwendung des falschen Steuersatzes) haften sie für die zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuer (§ 14 c UStG). 
  2. Sofern der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist, kann dieser, soweit er selber umsatzsteuerpflichtige Umsätze ausführt, grundsätzlich einen Vorsteuerabzug geltend machen. Denn die Umsatzsteuer soll den Unternehmer nicht belasten. Der Leistungsempfänger kann die Umsatzsteuer als Vorsteuer allerdings nur insoweit abziehen, wie sie auch angefallen ist, also nur in Höhe des zutreffenden Steuersatzes. Ist auf der Rechnung also zu viel Umsatzsteuer ausgewiesen und bringt der Unternehmer diese als Vorsteuer in Abzug, so kann die Finanzverwaltung dies im Nachhinein korrigieren. Dies führt ggf. darüber hinaus zu Zinslasten. Insofern sollten auch Leistungsempfänger Acht darauf geben, dass die Umsatzsteuer zutreffend ausgewiesen ist. Ist zu wenig Umsatzsteuer in der Rechnung angegeben, kann der Rechnungsempfänger auch nur den ausgewiesenen Betrag als Vorsteuer beanspruchen, während der Rechnungsteller die tatsächliche höhere Umsatzsteuer schuldet. Eine Rechnungsberichtigung kann hier helfen. 

Für Fragen und Unterstützung bei der Umstellung der Steuersätze und rund um Umsatzsteuern einschließlich Korrekturen und Durchsetzung von Erstattungsansprüchen stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.

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Dr. Björn Demuth
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