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Keine Mietminderung wegen Umgebungslärm

Update Real Estate & Public 09/2020

September 2020

Hintergrund

Der Beklagte ist Mieter einer Wohnung des Klägers. Über einen Zeitraum von ca. zwei Jahren wird auf einem 40 m vom Mietgegenstand entfernten Grundstück ein Neubau errichtet. Der Beklagte zeigt gegenüber dem Kläger zweimal, u. a. auch unter Vorlage eines Lärmprotokolls, an, dass die Wohnungsnutzung durch von der Baustelle ausgehenden Baulärm sowie Staub- und Schmutzbelastungen beeinträchtigt werde. Der Beklagte behält daher für 22 Monate monatlich 10 % der Miete ein. Das Amtsgericht hat der Klage auf Zahlung der einbehaltenen Miete des Klägers überwiegend stattgegeben. Das Landgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Entscheidung

Der BGH (Urteil vom 29.04.2020 – VIII ZR 31/18) hatte in der vom Kläger erhobenen Revision u. a. zu entscheiden, ob (i) im laufenden Mietverhältnis auftretende erhöhte Geräusch- und Schmutzimmissionen als Mangel der Wohnung anzusehen sind, wenn mietvertraglich keine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen ist, und (ii) welche Partei für welche Umstände die Beweislast trägt.

Die Revision des Vermieters hatte Erfolg. Zur Frage des Mangels urteilte der Senat wie folgt: Nach Abschluss des Mietvertrags eintretende erhöhte Geräusch- und Schmutzimmissionen, auch wenn sie von einer auf einem Nachbargrundstück betriebenen Baustelle herrühren, begründen bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarungen grundsätzlich keinen gemäß § 536 Abs. 1 BGB zur Minderung berechtigenden Mangel, wenn auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB hinnehmen muss. § 906 BGB regelt Duldungs- und Ausgleichsansprüche bezüglich Immissionen von Nachbargrundstücken. Soweit Parteiabreden zur Beschaffenheit fehlten, sei der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben nach der Verkehrsanschauung zu bestimmen. Maßgeblich sei, welche Regelungen Mieter und Vermieter bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen getroffen hätten, wenn ihnen bei Vertragsschluss die Entwicklung einer erhöhten Lärmbelastung bewusst gewesen wäre. Das führe jedenfalls dann nicht zu einem Mangel, wenn auch der Vermieter die Lärmbelastung als unwesentlich / ortsüblich hinnehmen müsse. Insoweit nehme der Mieter an der Situationsgebundenheit des Mietgrundstücks teil. Eine Risikotragung nur des Vermieters sei nicht sachgerecht.

Zur Frage der Beweislast seien die allgemeinen Grundsätze des Wohnraummietrechts und die dort geltende Verteilung nach Verantwortungsbereichen zu beachten: Danach hat der Mieter darzulegen und ggf. zu beweisen, dass die von ihm angemietete Wohnung Immissionen ausgesetzt ist, die die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung unmittelbar beeinträchtigen. Außerdem trifft den Mieter die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass es sich um eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne des § 906 BGB handelt. Beruft sich der Vermieter darauf, Ansprüche nach § 906 BGB nicht zu haben, hat er diejenigen Tatsachen aus dem Verhältnis zwischen ihm und dem Nachbarn vorzubringen und ggf. zu beweisen, die dazu führen, dass weder Abwehr- noch Entschädigungsansprüche bestehen.

Praxistipp

Der BGH bestätigt mit der Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung zu Umweltmängeln (vgl. u. a. BGH, Urteil vom 29.04.2015 – VIII ZR 197/14). Die im Urteil für die Wohnraummiete entwickelten Grundsätze gelten entsprechend auch in der Gewerbemiete, wenn in dem Gewerbemietvertrag – wie üblich – keine bestimmte Beschaffenheit der Umgebung vereinbart ist. Eine weitere „Hürde“ für den Gewerberaummieter dürfte sein, dass das Recht zur Minderung in Gewerbemietverträgen regelmäßig im zulässigen Umfang ausgeschlossen wird. 

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Aylin Kocak