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Kombi-Bürgschaft über 8 % der Auftragssumme: keine Gefahr der Übersicherung?

Update Real Estate & Public 04/2020

April 2020

Hintergrund

Nach der Rechtsprechung des BGH liegt eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers vor, wenn dieser nach den vom Auftraggeber gestellten AGB eines Bauvertrags für einen erheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus für mögliche Mängelansprüche eine Sicherheit in Höhe von 7 % der Auftragssumme zu leisten hat (Urteil vom 01.10.2014 – VII ZR 164/12 – und vom 22.01.2015 – VII ZR 120/14). Nicht beanstandet werden Sicherheiten nach der Abnahme in Höhe von 5 % der Auftragssumme.

Die Entscheidung

In dem vom OLG Stuttgart (Urteil vom 09.07.2019 – 10 U 247/18) entschiedenen Fall beauftragte die beklagte Kommune (AG) die Klägerin (AN) mit der Ausführung von Bauleistungen unter Einbeziehung der von der Beklagten gestellten „Besonderen Vertragsbedingungen“ (BVB) gemäß VHB-Bund. Nach Ziff. 4 BVB vereinbarten die Parteien als Möglichkeit eine Kombi-Bürgschaft als Sicherheit für die Vertragserfüllung in Höhe von 5 % der Auftragssumme und von 3 % für Mängelansprüche. Zudem konnte der AN nach Abnahme und Erfüllung aller bis dahin erhobenen Ansprüche einschließlich Schadensersatz die Umwandlung der Sicherheit für die Vertragserfüllung in eine „Mängelansprüchesicherheit“ verlangen.

Als die Parteien später in Streit gerieten, klagte der AN mit der Behauptung, die Sicherungsabrede sei unwirksam, auf Herausgabe der Kombi-Bürgschaft.

Das OLG Stuttgart, gegen dessen Urteil Revision eingelegt wurde, lehnte einen Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde ab, da die Sicherungsabrede zu keiner Übersicherung des AG führe und somit einer AGB-rechtlichen Nachprüfung standhalte. Eine unangemessene Benachteiligung des AN könne sich nur ergeben, wenn er für einen nicht unerheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus Sicherheiten von 8 % (5 % + 3 %) für Mängelansprüche leisten müsse. Die Klausel sei aber so auszulegen, dass der AN zu keinem Zeitpunkt eine Sicherheit für Mängelansprüche nach Abnahme in Höhe von mehr als 5 % zu stellen habe. Die oben zitierten Urteile des BGH seien wegen anderer Klauselgestaltungen nicht einschlägig. Zwar erhalte der AG mit der Kombi-Bürgschaft beide Sicherheiten auf einmal, aber der Zweck von Ziff. 4 BVB sei es nicht, den Sicherungsumfang der Vertragserfüllungsbürgschaft auch auf Mängelansprüche nach der Abnahme zu erstrecken. Vor allem habe der AG daneben keinen zusätzlichen Anspruch auf die Stellung einer Sicherheit wegen Mängelansprüchen. Da erst nach Erfüllung aller bis zur Abnahme erhobenen Ansprüche die Umwandlung der Vertragserfüllungsbürgschaft in eine 3%ige Mängelansprüchebürgschaft verlangt werden könne, trete keine Überlappung der beiden Sicherheiten ein.

Praxistipp

Auch wenn das Urteil des OLG Stuttgart zeigt, dass die Kombi-Bürgschaft möglich ist, verbleibt bis zur Revisionsentscheidung des BGH eine Rechtsunsicherheit. Das Recht des AN, die Umwandlung der Vertragserfüllungsbürgschaft in eine Gewährleistungsbürgschaft nach Erfüllung aller bis zur Abnahme erhobenen Ansprüche zu verlangen, birgt rechtliche Risiken. Offen bleibt, ob die Vertragserfüllung „alle Ansprüche“ umfasst. Zudem könnte allein die bloße Behauptung von Ansprüchen die Umwandlung zeitlich hinausschieben und zu einer langen Aufrechterhaltung der Kombi-Bürgschaft führen. Es ist zu hoffen, dass der BGH im Rahmen des Revisionsverfahrens (VII ZR 159/19) klare Vorgaben macht, in welcher Ausgestaltung eine Kombi-Bürgschaft AGB-rechtlich wirksam ist. Für die Praxis folgt hieraus, dass bei der Vereinbarung der Sicherungsabrede weiterhin Sorgfalt geboten ist, um die Gefahr einer Übersicherung des AG zu verhindern.

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Désirée Oberpichler