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Strenge Formanforderungen für eine dem Erwerber ausgestellte Kündigungsvollmacht

Update Real Estate & Public 04/2020

April 2020

Hintergrund

Der Kläger erwarb eine Immobilie, die an den Beklagten zum Betrieb eines Lebensmittelgeschäfts vermietet war. Der Verkäufer wurde bei Beurkundung durch einen Stellvertreter vertreten; die entsprechende Vollmacht lag bei Beurkundung im Original vor und wurde dem Kaufvertrag in Kopie beigefügt. Verkäufer und Kläger vereinbarten den Eintritt des Klägers in das mit dem Beklagten bestehende Mietverhältnis zum Besitzübergang. Der Kläger wurde durch eine entsprechende Regelung im Kaufvertrag bevollmächtigt, ab dem Besitzübergang alle Rechte aus dem Mietvertrag wie u. a. Kündigungen geltend zu machen. Der Kläger zeigte dem Beklagten den Erwerb der Immobilie und den Besitzübergang an. Anschließend stellte der Beklagte die Mietzahlungen ein. Vor Eintragung des Klägers als Eigentümer im Grundbuch kündigte der Kläger das Mietverhältnis – namens und in Vollmacht des Verkäufers – unter Berufung auf den Mietrückstand des Beklagten fristlos außerordentlich. Vorsorglich kündigte er zusätzlich das Mietverhältnis „als künftiger Eigentümer“ fristlos außerordentlich. Dem Kündigungsschreiben legte er eine notarielle Ausfertigung des Kaufvertrages und eine beglaubigte Abschrift der Vollmacht des Stellvertreters des Verkäufers bei. Der Beklagte wies die Kündigungen unverzüglich mit Verweis auf § 174 BGB zurück und glich die rückständigen Monatsmieten aus. Der Kläger erhob dennoch Räumungsklage. 

Die Entscheidung

Das LG München I (Urteil vom 29.05.2019 – 16 HK O 18173/18) wies die Klage ab. Die vom Kläger eingelegte Berufung wies das OLG München mit Beschluss vom 21.10.2019 – 7 U 3659/19 – zurück. Gemäß § 174 S. 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte nicht eine Vollmachtsurkunde vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Diesen Tatbestand sah das OLG als erfüllt an. Die von dem Kläger vorgelegte beglaubigte Abschrift der Vollmacht erfülle nicht die Anforderungen des § 174 BGB an die vorzulegende Vollmachtsurkunde. Dass der Notar bei der Beurkundung des Kaufvertrags die Übereinstimmung des Originals der Vollmacht mit der Kopie geprüft und bestätigt hat, sei nicht ausreichend. Das Überprüfungsrecht nach § 174 BGB stehe dem jeweiligen Geschäftsgegner zu. Durch die Einsichtnahme in die Originalvollmacht solle sich der Geschäftsgegner Sicherheit über das Bestehen einer Vertretungsmacht der als Vertreter bei Vertragsschluss auftretenden Person verschaffen. Er müsse sich deshalb nicht auf eine Überprüfung durch einen Notar verlassen, bei der er nicht anwesend war und auf deren Durchführung er keinen Einfluss hatte. 

Praxistipp

Der Möglichkeit einer Zurückweisung von einseitigen Rechtsgeschäften kommt in der Praxis erhebliche Bedeutung zu. Ist die Zurückweisung erfolgreich, besteht die Gefahr, dass eine Frist nicht mehr gewahrt wird. Der Erklärende hat auf einen vollständigen Nachweis seiner Bevollmächtigung durch Originalurkunden zu achten, vor allem, wenn er seine Berechtigung seinerseits von einem Stellvertreter ableitet. Eine Vollmacht im Sinne von § 174 BGB ist nur die „echte“ Urkunde in ihrer Urschrift oder in Form einer notariellen Ausfertigung; letztere vertritt im Rechtsverkehr die Urschrift. Das Zurückweisungsrecht ist aber gemäß § 174 S. 2 BGB ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den Erklärungsempfänger von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hat. Im Rahmen der Immobilientransaktion könnte dies etwa in einem gemeinsamen Schreiben von Verkäufer und Käufer erfolgen.

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Autoren

Aylin Kocak