06/12/2023
Überarbeitung des Kartellrechts: Die 11. GWB-Novelle
Die 11. GWB-Novelle enthält drei wesentliche Erweiterungen der Befugnisse des Bundeskartellamts (BKartA): Kernstück der Novelle ist eine erhebliche Aufwertung der Sektoruntersuchung nach § 32e GWB. Darüber hinaus soll das BKartA künftig leichter Vorteile abschöpfen können, die aus Kartellverstößen erlangt wurden. Schließlich enthält das Gesetz Vorschriften zur erleichterten öffentlichen und privaten Durchsetzung des Digital Markets Act der Europäischen Union. Überarbeitung der Vorschriften zu Sektoruntersuchungen Bei der Sektoruntersuchung handelt es sich um ein etabliertes Werkzeug der Kartellbehörden, das diesen erlaubt, fundierte Erkenntnisse über die Wettbewerbsverhältnisse auf den untersuchten Märkten zu gewinnen. Soweit das BKartA keine Anhaltspunkte für ein kartellrechtswidriges Verhalten fand, hatte es bislang – auch im Falle hochkonzentrierter Märkte – jedoch keine Kompetenzen, um regulierend einzugreifen. Dies ändert sich nun im Zuge der 11. GWB-Novelle. Die Eingriffsbefugnisse des BKartA nach einer Sektoruntersuchung werden erheblich erweitert:Künftig kann das BKartA – unabhängig vom Vorliegen eines Kartellrechtsverstoßes – Unternehmen umfangreiche Abhilfemaßnahmen auferlegen, wenn es in einem ersten Schritt eine erhebliche und fortwährende Störung des Wettbewerbs festgestellt hat (§ 32f Abs. 3 S. 1, Abs. 5 GWB). Kriterien für die Beurteilung einer solchen Störung sind zum Beispiel die Angebots- und Nachfragemacht, Marktzutrittsschranken, gleichförmiges oder koordiniertes Verhalten der wesentlichen Akteure und Abschottungseffekte durch vertikale Beziehungen (§ 32f Abs. 5 GWB). In einem zweiten Schritt erhält das BKartA ein ganzes Bündel an Abhilfemaßnahmen an die Hand, die es Unternehmen auferlegen kann. Darunter fallen zum Beispiel:die Gewährung des Zugangs zu Daten, Schnittstellen, Netzen,Verpflichtung zur Etablierung transparenter, diskriminierungsfreier und offener Normen und Standards durch Unternehmen,Vorgaben zu bestimmten Vertragsformen oder Vertragsgestaltungen einschließlich vertraglicher Regelungen zur Informationsoffenlegung oderdie buchhalterische oder organisatorische Trennung von Unternehmens- oder Geschäftsbereichen. Als ultima ratio kann das BKartA sogar die Entflechtung eines Unternehmens anordnen, also den Verkauf bzw. die Auflösung von Unternehmensteilen. Im Gegensatz zu den sonstigen Abhilfemaßnahmen kann das BKartA eine Entflechtung jedoch nur gegenüber marktbeherrschenden Unternehmen oder Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb nach § 19a GWB anordnen. Flankiert werden diese Maßnahmen durch die Möglichkeit, Unternehmen dazu zu verpflichten, für einen Zeitraum von drei Jahren alle Zusammenschlüsse anzumelden, die – im Vergleich zu den allgemeinen Anmeldeschwellen des § 35 Abs. 1 GWB für eine Fusionskontrollanmeldung – deutlich niedrigere Schwellenwerte erfüllen. Angemeldet werden müssen dann alle Zusammenschlüsse, bei denen der Erwerber im letzten Geschäftsjahr im Inland Umsatzerlöse von mehr als EUR 50 Mio. und das Zielunternehmen im letzten Geschäftsjahr im Inland Umsatzerlöse von mehr als EUR 1 Mio. erzielt haben (§ 32f Abs. 2 GWB). Erleichterte Vorteilsabschöpfung Das BKartA soll künftig leichter Vorteile abschöpfen können, die aus Kartellrechtsverstößen erlangt wurden. Dazu führt die 11. GWB-Novelle zwei Vermutungen ein: § 34 Abs. 4 Satz 1 GWB enthält eine Vermutung dem Grunde nach, die besagt, dass einem kartellrechtswidrig handelnden Unternehmen ein Vorteil entstanden ist. Außerdem enthält § 34 Abs. 4 Satz 4 GWB eine Vermutung der Höhe nach, nämlich dass der so entstandene Vorteil mindestens 1% des tatbefangenen Umsatzes beträgt. Ein Gegenbeweis gegen das Eintreten eines wirtschaftlichen Vorteils und des Mindestvorteils in Höhe von 1% des tatbefangenen Umsatzes ist nicht möglich (§ 34 Abs. 4 Satz 6 GWB). Durchsetzung des Gesetzes über Digitale Märkte Die dritte wesentliche Änderung durch die 11. GWB-Novelle betrifft die Umsetzung des EU Digital Markets Act (DMA). Während die Durchsetzung des DMA weiterhin allein in der Kompetenz der Europäischen Kommission verbleibt, kann das BKartA die Europäische Kommission künftig bei der Durchsetzung der in den Art. 5 bis 7 DMA normierten Verhaltenspflichten unterstützen (§ 32g GWB). Um einen Verstoß gegen diese Verhaltenspflichten festzustellen, kann das BKartA künftig alle erforderlichen Ermittlungen durchführen, zum Beispiel Dawn Raids bei Unternehmen (vgl. § 32g i.V.m. § 59b GWB). Zu der Stärkung der privaten Durchsetzung des DMA wird außerdem die in § 33b GWB enthaltene Bindungswirkung auch auf Entscheidungen der Europäischen Kommission und Europäischer Gerichte wegen Verstößen gegen die im DMA normierten Verhaltenspflichten erstreckt (§ 33b GWB). Ausblick: Nach der Novelle ist vor der Novelle Das Bundeswirtschaftsministerium hat bereits im Zuge der Vorlage des Entwurfs einer 11. GWB-Novelle angekündigt, noch in dieser Legislaturperiode eine weitere Überarbeitung des GWB anzugehen. Dabei beabsichtigt das Bundeswirtschaftsministerium weitere Punkte der wettbewerbspolitischen Agenda bis 2025 umzusetzen. Das Bundeswirtschaftsministerium hat dazu am 6. November 2023 eine umfassende „öffentliche Konsultation zur Modernisierung des Wettbewerbsrechts – Wettbewerb weiter stärken“ eingeleitet.
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