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Auskunftsanspruch nach dem Entgelttransparenzgesetz

Arbeitsrecht – gut zu wissen …

Januar 2018

Überblick zum Entgelttransparenzgesetz

Das "Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen" (kurz: "Entgelttransparenzgesetz"), ist am 06.07.2017 in Kraft getreten. Es bündelt einige Regelungen und Vorgaben, die ohnehin bereits im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, dem Grundgesetz und im europäischen Recht (u. a. in Art. 157 AEUV) geregelt waren und soll ausweislich der Gesetzesbegründung insbesondere die sog. "bereinigte Entgeltlücke" zwischen Männern und Frauen (= Lohnunterschied trotz vergleichbarer Qualifikation und Tätigkeit), die im Jahre 2016 nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes immer noch bei 6 bis 7% lag, schließen.

Das Gesetz ist zwar bereits Mitte letzten Jahres in Kraft getreten, hat allerdings in der betrieblichen Praxis bislang kaum eine Rolle gespielt. Das verwundert, weil es insbesondere in § 4 Abs. 4 (Anforderung zur benachteiligungsfreien Ausgestaltung von Entgeltsystemen), § 10 Abs. 1 (Auskunftsanspruch für Arbeitnehmer/innen) und § 21 Abs. 1 (Berichtspflicht im Lagebericht) Vorgaben macht, die vor allem für tarifungebundene Arbeitgeber hohe bürokratische Hürden darstellen. Dieser bürokratische Aufwand dürfte auch den wirtschaftlichen Aufwand, den der Gesetzgeber für die Gesamtwirtschaft auf ca. 3 Millionen Euro schätzt, deutlich überwiegen. So geht der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung davon aus, dass alleine vom Auskunftsanspruch mehr als 14 Millionen Beschäftigte betroffen sind. Er rechnet pauschal damit, dass etwa ein Prozent der Mitarbeiter auch tatsächlich eine Auskunft verlangt. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass dies grundsätzlich nur alle zwei Jahre möglich ist, ergäben sich dabei ca. 70.000 Anfragen pro Jahr.

Die bisher eher geringe praktische Relevanz des Gesetzes lässt sich sicherlich damit erklären, dass der Auskunftsanspruch gemäß § 25 Abs. 1 des Gesetzes erst seit dem 06.01.2018 geltend gemacht werden kann.

Nichtsdestotrotz sollte bedacht werden, dass der bürokratische Aufwand, den das Gesetz mit sich bringt, groß ist und dass die Rechtsfolgen unterlassener Auskünfte noch nicht abschließend geklärt sind. Gerade Arbeitgeber in Betrieben mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten ist daher anzuraten, sich spätestens jetzt mit den Anforderungen des Gesetzes zu befassen. Denn ab dem 06.01.2018 müssen diese Arbeitgeber Beschäftigten Auskunft über den Median des Bruttomonatsentgelts und bis zu zwei weiteren Entgeltbestandteilen geben, sofern mindestens sechs Arbeitnehmer des anderen Geschlechts eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit ausführen. Für tarifgebundene und tarifanwendende Unternehmen gibt es insoweit jedoch vereinfachte Verfahren: Sie müssen lediglich die tarifvertraglichen Entgeltregelungen nennen und mitteilen, wo diese einzusehen sind.

Im Folgenden beantworten wir wichtige Fragen zum Auskunftsanspruch. Allgemeine Informationen zum Entgelttransparenzgesetz entnehmen Sie bitte unserem Mandantennewsletter aus 05/2017.

Wer ist Ansprechpartner für das Auskunftsverlangen?

In tarifgebundenen und tarifanwendenden Unternehmen ist grundsätzlich der Betriebsrat Ansprechpartner für die Arbeitnehmer. Der Betriebsrat kann jedoch verlangen, dass der Arbeitgeber diese Aufgabe übernimmt bzw. der Arbeitgeber kann die Aufgabe auch von sich aus an sich ziehen (siehe im Einzelnen § 14 EntgTranspG). In nicht tarifgebundenen und nicht tarifanwendenden Unternehmen ist nach dem Gesetz der Arbeitgeber erster Ansprechpartner. Er kann die Aufgabe aber auf den Betriebsrat delegieren (§ 15 EntgTranspG). Sowohl in tarifgebundenen als auch in nicht tarifgebundenen Unternehmen gilt: Es kann nur delegiert werden, wenn die Übernahmeerklärung dem anderen Betriebspartner bereits vor dem Auskunftsverlangen zugegangen ist. Die Übernahme gilt im Übrigen längstens für die Amtszeit des amtierenden Betriebsrats. Die Betriebsparteien müssen sich gegenseitig über eingehende Auskunftsverlangen und Antworten informieren, die Mitarbeiter müssen erfahren, an wen sie sich wenden dürfen.

Wir empfehlen grundsätzlich, dass Arbeitgeber die Beantwortung des Auskunftsanspruchs an sich ziehen und mit dem Betriebsrat dazu eine Betriebsvereinbarung abschließen, um Haftungsfragen bei unrichtiger Beantwortung zu vermeiden.

Was ist Entgelt im Sinne des Entgelttransparenzgesetzes?

Nach § 5 Abs. 1 EntgTranspG sind Entgelte im Sinne dieses Gesetzes alle Grund- oder Mindestarbeitsentgelte sowie alle sonstigen Vergütungen, die unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses gewährt werden. Nach der Rechtsprechung des EuGH muss das Entgelt zudem vom Arbeitgeber bereitgestellt werden.

Unerheblich ist, ob das Entgelt oder der einzelne Entgeltbestandteil qua Gesetz gewährt wird, individual- oder tarifvertraglich vereinbart, Gegenstand einer Betriebsvereinbarung ist, aufgrund betrieblicher Übung oder freiwillig gewährt wird. Im Einzelnen umfasst der Entgeltbegriff:

a)   Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall,
b)   Leistungen während der Mutterschutzzeiten,
c)   Sondervergütungen, wie Prämien, Weihnachts- und Urlaubsgeld,
d)   Aktienoptionen und ein Long-Term-Incentive-Plan des Arbeitgebers,
e)   Zuschüsse zu Direkt- und Unfallversicherungen und zum Krankengeld,
f)    Zulagen, wie beispielsweise für ungünstige Arbeitszeiten, Erschwerniszuschläge,
g)   Mehrarbeitsvergütung,
h)   geldwerte Sachleistungen, wie Personalrabatte in der Kantine, Firmenzuschüsse bei einem Fitnessstudio, die vergünstigte Nutzung von Betriebseinrichtungen,
i)    Ersatz von Schulungskosten von Betriebsratsmitgliedern,
j)    betriebliche Hinterbliebenenversorgung,
k)   bezahlte Freistellung wegen des Alters,
l)    Leistungen, die aufgrund eines betrieblichen Altersversorgungssystems durch einen Dritten gewährt werden

Problematisch kann im Einzelfall der Wert eines Entgeltbestandteils (z.B. einer Aktienoption) sein. Bei Sachleistungen, wie beispielsweise einer privaten Dienstwagennutzungserlaubnis, dem Betriebskindergarten, der Sportmöglichkeit, dem Essenszuschuss oder dem Fahrtgeld wird der entsprechende finanzielle Wert des Arbeitgeberanteils anzusetzen sein. Bei Aktienoptionen beispielsweise besteht der geldwerte Vorteil in dem Differenzbetrag zwischen dem Vorzugs- und dem fremdüblichen Bezugspreis. Bei einem Dienstwagen, der auch zur Privatnutzung überlassen wird, setzt sich der geldwerte Vorteil aus dem Wert des Wagens (1% des Bruttolistenpreises des Wagens) zzgl. eines Entfernungszuschlags (Bruttolistenpreis des Wagens x 0,03% x Entfernungskilometer) zusammen. Bei einer Bonuszahlung aufgrund einer Zielvereinbarung, die im Ermessen des Arbeitgebers steht, werden hingegen nur die Faktoren zur Zusammensetzung des Bonus vom Auskunftsanspruch umfasst.

Nicht einzubeziehen sind Krankengeld, Elterngeld oder Kurzarbeitsentgelt. Dies sind lediglich Leistungen mit Entgeltersatzfunktion, die aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses gewährt werden.

Wann ist eine Tätigkeit vergleichbar?

Der Auskunftsanspruch besteht im Hinblick auf das Entgelt für eine vergleichbare Tätigkeit, die von mindestens sechs Personen einer Vergleichsgruppe des anderen Geschlechts ausgeübt wird. Jedoch gestaltet sich die Bestimmung, wann vergleichbare Arbeit vorliegt, mangels eindeutiger gesetzlicher Vorgaben schwierig.

Eine Tätigkeit ist vergleichbar, wenn die Arbeit gleich oder gleichwertig ist.

Die Arbeit eines Beschäftigten ist gleich, wenn er tatsächlich eine identische oder gleichartige Tätigkeit ausführt. Dies wird selten der Fall sein. Wenn keine gleiche Arbeit vorliegt, kann die Vergleichbarkeit nur aufgrund gleichwertiger Arbeit bestehen.

Die Prüfung, ob gleichwertige Arbeit vorliegt, bereitet aufgrund der abstrakten gesetzlichen Vorgaben erhebliche Probleme. Gleichwertige Arbeit liegt vor, wenn Beschäftigte als in einer vergleichbaren Situation befindlich angesehen werden können. Tarifgebundene Arbeitgeber können sich dabei auf Beschäftigte derselben Entgeltgruppe beziehen. Außerhalb der Bindung von Tarifverträgen sind die tatsächlichen objektiven Faktoren der Tätigkeit zu betrachten. Dazu zählen insbesondere die Art der Arbeit, die Ausbildungsanforderungen und die Arbeitsbedingungen.

Zwar kann diese Definition, aufgrund ihrer Abstraktheit branchen- und berufsunabhängig angewendet werden. Jedoch birgt ebendiese Abstraktheit auch den Nachteil, dass die Bestimmung, ob eine gleichwertige Arbeit vorliegt, nur schwer rechtssicher getroffen werden kann. Nicht festgelegt ist insbesondere, wie die zu beurteilenden Faktoren zu gewichten sind. Weiterhin ist nicht bestimmt, welcher Grad an Unterschieden erforderlich bzw. ausreichend ist, um eine gleichwertige Arbeit zu verneinen.

Aufgrund der unbestimmten Definition und der damit einhergehenden Rechtsunsicherheit ist eine überzeugende und belastbare Argumentation für bzw. gegen eine Vergleichbarkeit der Beschäftigten unerlässlich.

Wie wird das Vergleichsentgelt (Median) ermittelt?

Der Arbeitgeber hat auf das Auskunftsverlangen hin das Vergleichsentgelt der Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts mitzuteilen. Hier ist Vorsicht geboten, denn mit "Vergleichsentgelt" meint das Gesetz nicht das Durchschnittsentgelt (arithmetisches Mittel), das Beschäftigte des anderen Geschlechts für eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit erhalten. Die Gehälter der Vergleichsgruppe zu addieren und die Gesamtsumme anschließend durch die Anzahl der Mitglieder der Vergleichsgruppe zu dividieren, führt daher nicht zu dem Auskunftsinhalt, den das Entgelttransparenzgesetz fordert.

Mitzuteilen ist vielmehr der so genannte statistische Median des durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelts der Vergleichsgruppe im Laufe eines Kalenderjahres. Hierbei handelt es sich um das Entgelt des Mitarbeiters, das bei einer absteigenden Aufstellung der Entgelthöhe der Mitglieder der Vergleichsgruppe in der mittleren Position steht und damit den Mittelwert bildet. Bei einer ungeraden Anzahl an Mitgliedern der Vergleichsgruppe ist der Median daher das Entgelt des Mitarbeiters, dessen Gehaltshöhe genau in der Mitte liegt. Besteht die Vergleichsgruppe aus einer geraden Anzahl an Mitgliedern, liegt der Median zwischen den Entgelten der beiden Mitarbeiter, die hinsichtlich der Gehaltshöhe gemeinsam den mittleren Bereich abbilden.

Die Berechnung dieses Medians stellt den Rechtsanwender vor praktische Probleme. Erleichterungen gelten auch hier für tarifgebundene oder tarifanwendende Arbeitgeber, denen ein Bezug zur jeweiligen Entgeltgruppe des Auskunft begehrenden Arbeitnehmers möglich ist. Alle übrigen Unternehmen stehen der Herausforderung gegenüber, nach Festlegung der maß-geblichen Vergleichsgruppe den Mittelwert aus den Entgelten aller Mitarbeiter dieser Vergleichsgruppe zu bestimmen.

Welche Form- und Fristvorgaben bestehen?

Arbeitnehmer müssen ihr Auskunftsverlangen in Textform geltend machen. In nicht tarifgebundenen und nicht tarifanwendenden Unternehmen muss der Arbeitgeber die Auskünfte innerhalb von drei Monaten nach Zugang des Auskunftsverlangens ebenfalls in Textform erteilen. Für tarifgebundene und tarifanwendende Unternehmen gibt es hingegen keinerlei Form- und Fristvorgaben. Dennoch erscheint es ratsam, sich zu Beweiszwecken und um gerichtliche Streitigkeiten zu vermeiden an den Vorgaben für tarifungebundene Unternehmen zu orientieren.

Folgen nicht erteilter Auskünfte

Für nicht tarifgebundene und nicht tarifanwendende Arbeitgeber regelt das EntgTranspG in § 15 Abs. 5, dass der Arbeitgeber bei Unterlassen des Auskunftsanspruchs im Streitfall die Beweislast dafür trägt, dass kein Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot vorliegt. Dies gilt auch, wenn der Betriebsrat aus Gründen, die der Arbeitgeber zu vertreten hat, die Auskunft nicht erteilen konnte. Für tarifgebundene bzw. tarifanwendende Unternehmen gibt der Gesetzgeber keine Umkehr der Beweislast vor.

Bei Fragen zum Auskunftsanspruch oder zum Entgelttransparenzgesetz im Allgemeinen stehen wir Ihnen gerne jederzeit zur Verfügung.

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Autoren

Stefan Handermann
Anke Kuhn
Viktoria Afanasjew
Dr. Henrike Seifert
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