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Der Börsengang für Familienunternehmen: Wagnis oder Chance?

Update Gesellschaftsrechtliche Gestaltung 04/2020

22/04/2020

Entgegen dem immer wieder kolportierten Vorurteil, dass Familienunternehmen und Börse nicht zusammenpassen, haben die IPOs von CTS Eventim, Henkel, Merck oder Drägerwerk gezeigt, dass ein Gang aufs Parkett für Familienunternehmen die Chance darstellt, sich weiterzuentwickeln, zu professionalisieren und zu wachsen, ohne dabei ihren Charakter als Familienunternehmen zu verlieren. Dabei muss mit einem IPO weder ein Kontrollverlust noch eine Verfremdung des Unternehmens einhergehen. Die familiären Interessen können also durchaus beachtet und weiterverfolgt werden. Hier stehen verschiedene Gestaltungs- und Regulierungsmöglichkeiten zur Verfügung, die flexibel auf die Bedürfnisse des Unternehmens abgestimmt werden können. Voraussetzung ist, dass sich das Unternehmen und die Familie dieser Chance öffnen und auf die Besonderheiten des Kapitalmarkts einlassen.

Motive und Vorteile eines IPOs

Es gibt verschiedene Gründe und Motive für einen IPO. Für Familienunternehmen spielt häufig die Frage der Unternehmensnachfolge eine wichtige Rolle. Unabhängig von der Entscheidung für ein externes Management oder für eine familiäre Nachfolge erleichtert die Börsennotierung die Bewertung der Unternehmensanteile und deren Übertragung. Auch ist es nach einem IPO dadurch einfacher, sich von Anteilen zu trennen. Potenzielle Konfliktherde können so schon vorab vermieden werden.

Weiteres Motiv für den Börsengang kann die Reduzierung von Abhängigkeiten sein. Ein Großteil der Familienunternehmen nimmt Kapital über klassische Bankenfinanzierungen auf, die meist auch nur nach einer besonderen Risikoprüfung vergeben werden. Dies kann die Investitionsmöglichkeiten für Wachstums- und Innovationspläne erheblich einschränken. Der Kapitalmarkt eröffnet neue strategische Finanzierungsoptionen: Das Eigenkapital kann (durch Kapitalerhöhungen auch wiederholt) aufgestockt werden und durch die gesteigerte Eigenkapitalquote wird ein einfacherer und günstigerer Zugang zu Fremdkapital (z. B. in Form von Anleihen) ermöglicht. Durch ein erhöhtes Eigenkapital können dann auch Expansionsvorhaben und notwendige Investitionen in Entwicklung und Forschung leichter umgesetzt werden. Auch bietet eine bessere Bonität eine gute Krisenabsicherung in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.

Als zusätzlicher Effekt verbessern sich für börsengelistete Unternehmen die Reputation und der Bekanntheitsgrad am Markt, bei Kunden und Geschäftspartnern sowie bei den Stakeholdern des Unternehmens. Der IPO schafft für die Investoren Transparenz und eine Vertrauensbasis, was sich in Kombination mit einer verbesserten Bilanz nicht zuletzt an gestärkten geschäftlichen Beziehungen und auch an einem intensivierten Interesse seitens der Kunden bemerkbar macht. 

Und nicht zuletzt steigert die Börsennotierung die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber. Für die Mitarbeitermotivation und Talentbindung stehen nach einem IPO zusätzliche Beteiligungsmöglichkeiten, z. B. in Form von Aktienoptionsplänen, zur Verfügung.

Rechtzeitige Vorbereitung des IPOs und Börsenreife

Ein IPO stellt für jedes Unternehmen eine besondere Herausforderung dar. Umso wichtiger ist es, mit der Vorbereitung auf einen IPO frühzeitig und in Begleitung erfahrener Berater zu beginnen. Man spricht hier von der Herstellung der „Börsenreife“, mit deren Planung bis zu zwei Jahre vor dem IPO begonnen werden sollte. In dieser Phase sind Management und Mitarbeiter auf den IPO vorzubereiten. Die Organisations- und Unternehmensstrukturen sind anzupassen. Hier ist häufig die Umwandlung in eine börsenfähige Rechtsform (AG, KGaA, SE) erforderlich. Für Familienunternehmen, die auch nach dem IPO den Einfluss der Familie sicherstellen möchten, stellt die Rechtsform der KGaA eine anerkannte Möglichkeit dar, die Kontrolle über das Unternehmen zu erhalten. Auf diesem Weg können der angestrebte Fortbestand und die erfolgreiche Entwicklung des Unternehmens gesichert werden. 

Auch die Umstellung auf ein börsenfähiges Rechnungswesen und Controlling ist im Hinblick auf die börsenrechtlichen Zulassungs- und Folgepflichten unerlässlich. Ein besonderes Augenmerk ist auf die Erstellung der Equity Story zu richten, die im Rahmen der Vermarktung als maßgebliches Werbeinstrument für Investoren dient. Hierbei geht es um eine für den Kapitalmarkt angepasste, prägnante Präsentation des Geschäftsmodells sowie der Stärken und Perspektiven des Unternehmens. Dazu gehören unter anderem eine überzeugende, dynamische Unternehmensstrategie, innovative Produkte und idealerweise eine hohe Wachstumsdynamik. Der hierfür erforderliche Planungsaufwand sollte nicht unterschätzt werden. 

Die „heiße Phase“ des Börsengangs 

Mit Erreichen der Börsenreife ist eine große Hürde genommen. Es geht dann darum, den IPO erfolgreich durchzuführen.

Wesentliche Punkte sind hier die Erstellung des Wertpapierprospekts und dessen Billigung durch die BaFin sowie die Durchführung verschiedener Due-Diligence-Prüfungen.

Im Anschluss folgt die Vermarktungsphase, die maßgeblich von den emissionsbegleitenden Banken und dem Management durchgeführt wird. Ziel ist es, Investoren zu werben und eine gute Unternehmensbewertung zu erreichen, um möglichst viele der angebotenen Wertpapiere an der Börse zu platzieren.

Nach dem IPO…

Ist der IPO erfolgreich abgeschlossen, sind Folgepflichten zu erfüllen. Das Familienunternehmen muss sich der gesetzlichen Publizitätsanforderungen wie der rechtzeitigen Veröffentlichung von Jahres- und Halbjahresfinanzberichten sowie der Ad-hoc-Pflichten bewusst sein und seine Organisation darauf abstimmen.

Praxistipp

Ein IPO bietet einem Familienunternehmen die einmalige Chance, sich zusätzliche Potenziale zu erschließen und die Unternehmensentwicklung weiter voranzutreiben. Dabei darf der dahinterstehende Aufwand allerdings nicht unterschätzt werden. Eine detaillierte Planung und frühzeitige Vorbereitung bis zu zwei Jahre im Voraus sind wichtig. 

Die Begleitung erfahrener Berater ist für eine effiziente und effektive Vorbereitung und Durchführung des IPOs sehr ratsam. Die Beratergruppe umfasst in der Regel eine Investmentbank, die die Emission begleitet und vermarktet, Rechtsberater, die die gesamten rechtlichen Themen abdecken, sowie einen Investment-Relation-Berater, der für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich ist. Management und Mitarbeiter müssen auf den IPO eingestellt werden, um einen reibungslosen Prozessablauf zu gewährleisten. 

Ist dieses Fundament gelegt, steht einer erfolgreichen Zukunft des Familienunternehmens am Kapitalmarkt nichts mehr im Wege.

Weitere Informationen zum IPO von Familienunternehmen finden Sie im Praxisleitfaden „Der Börsengang für Familienunternehmen“, den das Kapitalmarktteam von CMS Deutschland in Kooperation mit dem Wittener Institut für Familienunternehmen (WIFU) an der Universität Witten / Herdecke und der Deutschen Börse erstellt hat.

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Autoren

Jörg Baumgartner