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Entwurf zum Verbandssanktionengesetz – Zuckerbrot und Peitsche?

04/12/2019

Nach seit Jahren anhaltender Diskussion über die Einführung eines speziellen Sanktionsrechts für Unternehmen hat das BMJV nun einen Referentenentwurf des Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität vorgestellt. Kernbestandteil ist die Einführung eines Verbandssanktionengesetzes (VerSanG-E).

Wir möchten Sie nachfolgend über die zentralen Regelungen des VerSanG-E informieren und aufzeigen, welche unternehmerischen Herausforderungen künftig zu bewältigen sind.

Zukünftig besteht eine Verfolgungspflicht 

Unternehmen können zwar nach derzeitigem Recht für Straftaten von Mitarbeitern ordnungswidrigkeitsrechtlich durch die Verhängung einer Geldbuße sanktioniert werden. Jedoch steht den Verfolgungsbehörden bislang ein Verfolgungs- und Ahndungsermessen zu. Dies soll sich mit der Einführung des Verbandssanktionengesetzes ändern. Besteht der Verdacht einer unternehmensbezogenen Straftat, so wird künftig eine Verfolgungspflicht der Verfolgungsbehörden bestehen und ein Absehen hiervon lediglich in Ausnahmefällen möglich sein.

Verbandsgeldsanktionen in Milliardenhöhe sind nun möglich

Die im Ordnungswidrigkeitenrecht normierte starre Bußgeldobergrenze von EUR 10 Mio. wird im VerSanG-E nun durch eine sich am durchschnittlichen Jahresumsatz orientierende Sanktionsobergrenze (von bis zu 10 %) ersetzt. Abhängig von Unternehmensgröße und Tat ist somit denkbar, dass Verbandsgeldsanktionen in Milliardenhöhe verhängt werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der Einziehung des aus der Straftat Erlangten.

Überwachung des Unternehmens durch einen Monitor denkbar

Den Einsatz eines Monitors kennen deutsche Unternehmen bislang nur aus der US-amerikanischen Justizpraxis. Nach dem VerSanG-E kann nun anstelle der Verhängung einer Geldsanktion auch die Verwarnung des Unternehmens mit einem Verbandsgeldsanktionsvorbehalt erfolgen, was die Einschaltung einer „sachkundigen Stelle“ nach sich zieht. Dies könnte in Zukunft das deutsche Pendant zum amerikanischen Monitor darstellen. Die Einschaltung eines Monitors bedeutet erfahrungsgemäß jedoch einen erheblichen Mehraufwand, weshalb diese gesetzliche Neuerscheinung nicht auf Jubelstürme treffen wird.

Compliance-Maßnahmen lohnen sich

Compliance-Maßnahmen sollen bei der Bemessung der Sanktionen ausdrücklich berücksichtigt werden. An dieser Stelle differenziert der VerSanG-E explizit zwischen präventiven Compliance-Bemühungen im Vorfeld von Straftaten und nachgelagerten adaptiven Compliance-Bemühungen zur Optimierung des Compliance-Management-Systems und ordnet die Berücksichtigung bei der Sanktionsbemessung an. Dies bedeutet, dass sich für Unternehmen bereits jetzt Aufbau und Weiterentwicklung eines Compliance-Management-Systems lohnen.

Interne Untersuchungen bringen Sanktionsmilderung

Zukünftig wird sich die Frage nach dem „Ob“ einer unternehmensinternen Untersuchung nicht mehr stellen. Der VerSanG-E normiert erstmals den gesetzlichen Auftrag zur Durchführung interner Untersuchungen und schafft hierfür ein umfangreiches Anreizsystem. Kooperiert das von einer Unternehmensstraftat betroffene Unternehmen uneingeschränkt mit den Verfolgungsbehörden, wird die vorgesehene Sanktionsobergrenze halbiert und das vorgesehene Mindestmaß entfällt. Auch die öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung des Unternehmens kann hierdurch verhindert werden. Das Bemühen des Unternehmens, die Unternehmensstraftat aufzudecken, soll zudem sowohl bei einer im Raum stehenden Verfahrenseinstellung als auch bei der Sanktionsbemessung Berücksichtigung finden.

Herausforderungen interner Untersuchungen 

Im VerSanG-E werden konkrete Vorgaben für Unternehmen aufgestellt, wie eine interne Untersuchung durchzuführen ist. Dabei ist professionelles Verhalten seitens der Unternehmen zwingend erforderlich: Sanktionsmilderungen sollen bereits bei kleinsten Verstößen versagt werden können. Unternehmen müssen deshalb insbesondere datenschutzrechtliche Regelungen, Arbeitnehmerrechte sowie die Grundsätze eines fairen Verfahrens beachten sowie die Einhaltung dokumentieren. Unternehmen werden künftig also bei der Vorgehensweise von internen Untersuchungen umdenken müssen.

Kooperationsfreiheit auf dem Prüfstand

Zwar soll es jedem Unternehmen weiterhin freistehen, ob es mit den Behörden kooperieren und somit von der Milderungsmöglichkeit Gebrauch machen möchte. Jedoch wird diese grundsätzliche Kooperationsfreiheit torpediert: Zum einen soll der Beschlagnahmeschutz von Arbeitsprodukten aus internen Untersuchungen nach dem VerSanG-E zeitlich erst nach Erlangen der Beschuldigtenstellung greifen. Zum anderen steht die persönliche Haftung der Unternehmensführung bei Nicht- bzw. Schlechterfüllung der Vorgaben des Milderungstatbestands im Raum. Insofern wird das Unternehmen regelmäßig von Anfang an umfassend kooperieren und Unterlagen herausgeben, um die Milderungsmöglichkeit nicht zu gefährden.

Fazit: Compliance-Maßnahmen jetzt!

Unternehmen steht eine herausfordernde Zeit bevor. Obwohl das Verbandssanktionengesetz erst zwei Jahre nach Verkündung in Kraft tritt, muss davon ausgegangen werden, dass die Neuregelungen sehr zeitnah die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden maßgeblich beeinflussen werden.

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Dieser Artikel ist Teil unserer Mandanteninformation "2020 - Themen, die Sie bewegen werden", welche Sie hier einsehen können.

Autoren

Foto vonHarald W Potinecke
Dr. Harald W Potinecke
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München