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Grundstückskauf: Zur Beweislast bei „unsichtbaren“ Mängeln am Grundstück

Update Real Estate & Public 04/2021

April 2021

Hintergrund

Wer einen Vertrag wegen arglistiger Täuschung anficht, hat sämtliche Umstände darzulegen und zu beweisen, die den Arglisttatbestand ausfüllen. Hierzu gehört bei einer Täuschung durch Verschweigen auch die negative Tatsache der unterbliebenen Offenbarung. Der BGH hatte in seinem Urteil vom 06.03.2020 – V ZR 2/19 – zu entscheiden, ob die in einem Grundstückskaufvertrag enthaltene Erklärung des Verkäufers, ihm seien keine unsichtbaren Mängel bekannt, eine Abweichung von diesem Grundsatz rechtfertigt.

Die Entscheidung

Der klagende Käufer erwarb unter Ausschluss der kaufrechtlichen Mängelgewährleistung ein mit einem Wochenendhaus und einer Motorradgarage bebautes Grundstück. Die Motorradgarage wurde vom Verkäufer als zusätzlicher Wohnraum genutzt und gegenüber dem Käufer auch als solcher angepriesen. Der Grundstückskaufvertrag enthielt u. a. die Vereinbarung, dass der Grundbesitz in dem Zustand veräußert wird, in dem er sich bei seiner letzten Besichtigung befunden hat, sowie die Erklärung des Verkäufers, ihm seien keine unsichtbaren Mängel bekannt. Nach Kaufvertragsabschluss teilte die Bauaufsichtsbehörde dem Käufer mit, dass die Motorradgarage ohne Genehmigung zu Wohnzwecken genutzt wird. Der Kläger focht daraufhin den Grundstückskaufvertrag wegen arglistiger Täuschung an und begehrt dessen Rückabwicklung sowie Schadensersatz.

Das Berufungsgericht hat der Klage stattgegeben. Der Beklagte hätte nicht bewiesen, den Kläger über den baurechtswidrigen Zustand aufgeklärt zu haben. Den Beklagten treffe vorliegend auch die Beweislast für die erfolgte Offenlegung. Dies folge daraus, dass der Grundstückskaufvertrag keine Anhaltspunkte für eine erfolgte Aufklärung enthalte und der Verkäufer erklärt habe, ihm seien keine unsichtbaren Mängel bekannt. Die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der notariellen Urkunde führe hier zu einer entsprechenden Beweislastumkehr.

Der BGH ist dieser Ansicht des Berufungsgerichts nicht gefolgt. Der Inhalt des Grundstückskaufvertrags rechtfertige keine Abweichung von den allgemeinen Beweislastregeln. Der Erklärung des Verkäufers, ihm seien keine unsichtbaren Mängel bekannt, komme kein Beweiswert in Bezug auf eine vom Verkäufer behauptete Aufklärung zu. Hat die Aufklärung stattgefunden, handele es sich bereits nicht um einen unsichtbaren Mangel. Auch die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der notariellen Urkunde vermöge hieran nichts zu ändern. Die Vermutung betreffe nur die vollständige und richtige Wiedergabe der getroffenen Vereinbarungen, nicht die bei Besichtigungen und Vertragsverhandlungen erteilten Informationen. Im Ergebnis bleibe es daher dabei, dass der Käufer die unterbliebene Offenlegung zu beweisen hat.

Tipp für die Praxis

Das Urteil des BGH verdeutlicht die immense Bedeutung einer sorgfältig geführten Frageliste bei Immobilientransaktionen, welche die bei den Vertragsverhandlungen erteilten Informationen schriftlich festhält. Dem Käufer erleichtert die Frageliste den Nachweis einer trotz Nachfrage unterbliebenen oder fehlerhaften Aufklärung. Aus Käufersicht sollte daher stets darauf geachtet werden, alle relevanten Fragen im Frageprozess zu stellen und die Antworten des Verkäufers schriftlich festzuhalten.

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Autoren

Foto vonMichelle Schickinger
Michelle Schickinger, LL.M. (University of Liverpool)
Senior Associate
Stuttgart