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Kundenstammentschädigung und der Grundsatz von Treu und Glauben

Update Deutsch-Spanische Gruppe 01/2023

Februar 2023

Der Handelsvertretervertrag ist eine der gängigsten Gestaltungsvarianten für Unternehmen, die wirtschaftlich expandieren wollen. Es handelt sich um einen flexiblen Vertrag, der eine sowohl für den Auftraggeber als auch für den Handelsvertreter potentiell vorteilhafte Vergütungsregelung vorsieht. In Spanien sind Handelsvertreterverträge gesetzlich geregelt (Gesetz 12/1992 vom 27. Mai 1992 über Handelsvertreterverträge – HVG).

Demnach ist der Handelsvertreter im Falle einer ungerechtfertigten Beendigung des Handelsvertretervertrags durch den Auftraggeber zu entschädigen. Diese Entschädigung soll den Handelsvertreter vor einer einseitigen Beendigung des Vertrags schützen, wenn der Auftraggeber seinen Kundenstamm durch seine Bemühungen vergrößert hat.  

Diese Besonderheit des Handelsvertretervertrags hat zu einer Vielzahl von Urteilen geführt, zum Beispiel dem Urteil des Landgerichts Barcelona vom 22. Februar 2019. Dieses Urteil ist insofern von Bedeutung, als es einer der wenigen Fälle ist, in denen ein Gericht in Bezug auf die Kundenstammentschädigung zugunsten des Auftraggebers entschieden hat. Der Fall basierte auf der Verweigerung des Handelsvertreters, neue Bedingungen im Vertrag auszuhandeln. Das Gericht war der Ansicht, dass der Handelsvertreter nach Treu und Glauben handeln muss und eine völlige Verweigerung als Verstoß gegen Treu und Glauben zu werten ist. Daher kann ein Fall von mangelnder Kooperation seitens des Handelsvertreters die einseitige Kündigung des Auftraggebers rechtfertigen, ohne dass daraus eine Verpflichtung zum Ausgleich des Handelsvertreters resultiert.

Das HVG enthält jedoch Grauzonen, die eine klare Abgrenzung von Fällen, in denen eine Kundenstammentschädigung zu zahlen ist, von solchen Fällen, in denen keine Kundenstammentschädigung zu zahlen ist, erschweren. 

Unstreitig ist, dass die Parteien keine vom HVG abweichenden Regelungen vereinbaren dürfen. Dies hat zur Folge, dass Verträge – unabhängig von ihrer Bezeichnung durch die Parteien – als Handelsvertreterverträge eingeordnet werden, wenn die Voraussetzungen des HVG erfüllt sind. Daraus lässt sich schließen, dass der Gesetzgeber den Handelsvertreter gegenüber dem Auftraggeber für schutzwürdiger hält. Gerade aus diesem Grund ist das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts Barcelona von erheblicher Bedeutung. 

Die Rechtsprechung stellt klar, dass Handelsvertreter zwar durch die Kundenstammentschädigung vor ungerechtfertigten Kündigungen seitens des Auftraggebers geschützt sind, dies jedoch nicht grenzenlos gilt. Vielmehr wird die Kundenstammentschädigung durch den Grundsatz von Treu und Glauben eingeschränkt, auch wenn das HVG primär den Schutz des Handelsvertreters bezweckt.

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Autoren

David Jódar Huesca