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Lockerung der DFL-Lizenzierungsordnung und des UEFA Financial Fair Play

03/04/2020

370 Millionen Euro – so viel würde den Vereinen der Bundesliga und 2. Bundesliga allein an TV-Vermarktungs-Geldern verloren gehen, wenn die aktuelle Saison aufgrund der Corona-Pandemie nicht zu Ende gespielt wird. Um diese letzte Rate von den Medienpartnern zu erhalten, konnte es nach der Mitgliederversammlung der DFL per Videokonferenz am 31. März 2020 nur heißen: „The show must go on.“ Alternativen: keine. Anderenfalls wäre das finanzielle Loch für einige Clubs existenzbedrohend.

Die Einnahmen durch das Ticketing sind bereits nicht mehr eingeplant. Die Saison wird ohne Zuschauer in den Stadien – voraussichtlich ab Anfang Mai 2020 – zu Ende gespielt. Alternativen: aus virologischer Sicht keine. Bratwurst und Bier werden nun auch nicht mehr verkauft. Die Merchandising-Maschine hat Sand im Getriebe. 

Dieser Beitrag befasst sich damit, ob die fehlenden Einnahmen zu Lockerungen in der Lizenzierungsordnung der DFL und im UEFA Financial Fair Play führen oder der Markt die Auswirkungen der Corona-Pandemie selbst regeln wird. 

DFL lockert Lizenzierungsverfahren

In der Mitgliederversammlung der DFL vom 31. März 2020 wurde beschlossen, dass die Vorgaben im Lizenzierungsverfahren vorübergehend an die Situation der Pandemie angepasst werden. Dies betrifft vor allem die Bestimmungen zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und deren Prüfung vor und während einer Spielzeit. Im jetzt anstehenden Lizenzierungsverfahren für die Spielzeit 2020 / 21 wird demnach auf die Überprüfung der Liquiditätssituation der Clubs verzichtet. Allerdings wird die DFL die Überprüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit während der nächsten Spielzeit von Ende Oktober – wie sonst üblich – auf Mitte September vorziehen, um möglichst zeitnah auf Basis der Jahresabschlüsse zum 30. Juni 2020 ein realistisches Bild der wirtschaftlichen Lage der einzelnen Clubs zu erhalten. Sollten im Rahmen dieses Prüfverfahrens festgestellte Liquiditätslücken nicht geschlossen werden, wird dies mit einer Restriktion der Transfer-Aktivitäten des Clubs sanktioniert. Zur Saison 2021 / 22 soll das Lizenzierungsverfahren wieder in der üblichen Weise angewandt werden.

Im Fall einer Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in der kommenden Saison würde zudem eine Sanktion in Höhe eines Abzugs von nur drei Punkten, statt wie sonst neun Punkten, erfolgen.

Nach Angaben der DFL ist Ziel dieser Maßnahmen, allen Clubs die Möglichkeit und Zeit zu geben, die finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie zu bewältigen und den regulären Spielbetrieb fortzusetzen, um sämtliche Wettbewerbs-Entscheidungen auf sportlichem Weg zu erreichen.

Welche Maßnahmen beschließt die UEFA für das Financial Fair Play?

Jeder Verein, der in der jeweils kommenden Spielzeit an einem europäischen Wettbewerb – der UEFA Champions League oder der UEFA Europa League – teilnehmen will, muss sich vor der jeweiligen Saison nicht nur sportlich qualifizieren, sondern die finanziellen Kriterien des UEFA Financial Fair Play erfüllen. Hierfür müssen die in internationalen Wettbewerben vertretenen Clubs mindestens ausgeglichene Bilanzen im Sinne der Break-even-Vorschrift innerhalb eines bestimmten Zeitraumes aufweisen. Grob zusammengefasst besagt die Break-even-Vorschrift gemäß Art. 58 des UEFA Financial Fair Play i. V. m. Anhang X., dass die Vereine insbesondere für Spielergehälter und Transfers – als „relevante Ausgaben“ – nur noch das ausgeben dürfen, was sie z. B. mit Übertragungsrechten, Sponsoring, Werbung, Stadioneintritten und Transfers – als „relevante Einnahmen“ – einnehmen. Die Erfüllung dieser Kriterien ist jedoch aufgrund der Corona-Pandemie und der dadurch wegfallenden Einnahmen deutlich erschwert. Wie kann die UEFA auf die fehlenden Einnahmen wegen Corona reagieren?

Eine verbandsrechtliche Maßnahme wäre die Lockerung des UEFA-Financial-Fair-Play-Reglements. In einer Stellungnahme stellte die UEFA klar, dass kein Club um seine Teilnahme am Europacup bangen müsse, wenn er aufgrund der aktuellen Situation in finanzielle Schieflage geraten sollte. Bei Vorkommnissen, die außerhalb der Kontrolle der Vereine lägen, würden die besonderen Umstände bei der Bewertung durch die UEFA berücksichtigt. Was dies konkret bedeutet, ist noch nicht klar. 

Denkbar wäre zunächst eine Regelung der UEFA, die durch die Corona-Pandemie entstandene Defizite bei der abschließenden Beurteilung über die Lizenzerteilung nicht berücksichtigt. Würden einem Verein beispielsweise 10 Millionen Euro Einnahmen aus dem Ticketing fehlen und könnte der Verein dies glaubhaft machen, so könnte die UEFA genau dieses Defizit bei der Berechnung des Break-even-Ergebnisses außer Betracht lassen. 

Eine weitere Möglichkeit bestünde darin, die bisherigen Regelungen zur sogenannten annehmbaren Abweichung zu ändern. Bislang gilt ein aggregiertes Break-even-Defizit bis 5 Millionen Euro gemäß Art. 61 Abs. 2 S. 1 des UEFA Financial Fair Play als annehmbare Abweichung. Diese Abweichung könnte für eine bestimmte Zeit auf einen höheren Betrag – z. B. 15 oder 20 Millionen Euro – festgesetzt werden. Nach dem aktuellen Reglement darf zudem ein Defizit bis zu 30 Millionen Euro durch Beiträge von Anteilseignern oder verbundenen Parteien kompensiert werden (Art. 61 Abs. 2 S. 2 des UEFA Financial Fair Play). Diese Kompensationsmöglichkeiten von Anteilseignern oder verbundenen Parteien könnten für einen bestimmten Zeitraum ebenfalls erhöht werden. 

Ob derartige Maßnahmen durch die UEFA beschlossen werden, und wenn ja, welche, wird sich zeigen. Als „erste Maßnahme“ und „Reaktion auf die aktuelle außergewöhnliche Situation“ hat die UEFA die Frist für die Vereine für den Nachweis, dass sie keine ausstehenden Zahlungen gegenüber anderen Vereinen, ihren Mitarbeitern und Steuerbehörden haben, um einen Monat, also bis zum 30. April 2020, verlängert.

Für weitergehende Maßnahmen könnte sich die UEFA auch an den in Deutschland von der DFL getroffenen Regelungen zur Lockerung der Lizenzierungsordnung orientieren. Ein zeitweiliger Verzicht auf die Überprüfung der Einhaltung der Break-even-Vorschrift des UEFA Financial Fair Play wäre demnach eine weitere Alternative.

Wie kann der Markt reagieren? 

Sehr wahrscheinlich reagiert der Markt selbst auf die Corona-Pandemie im Zweifel mit positiven Effekten hinsichtlich der relevanten Ausgaben im Sinne der Break-even-Vorschrift.

Am schnellsten können diese positiven Effekte aus den eigenen Reihen der Vereine kommen. Genauer gesagt vom Aushängeschild, der Profi-Mannschaft. Bei zahlreichen Vereinen verzichten die Spieler mindestens bis zum Ende der Saison auf Teile ihres Gehalts. 

Spannend wird es nach der Saison mit Beginn der Transferperiode. Die Scouts und Kaderplaner arbeiten um diese Zeit des Jahres auf Hochbetrieb. Aber werden die Clubs auch in diesem Sommer wieder derart viel Geld in die Hand nehmen, um schwindelerregende Ablösesummen für Spieler zu zahlen? Möglicherweise wird der eine oder andere geplante 100-Millionen-Euro-Transfer nun doch nicht mehr getätigt. Da die Clubs dennoch eine Kaderoptimierung betreiben müssen und die Spieler auf ihre sportliche und finanzielle Weiterentwicklung achten, ist davon auszugehen, dass Transfers trotz der Corona-Pandemie weiter stattfinden werden, wahrscheinlich jedoch zu geringeren Transferentschädigungen, die aufnehmende Vereine an die abgebenden Vereine zahlen.

Möglicherweise schafft die Corona-Pandemie dann das, was sich viele Fußballfans nicht zuletzt seit dem 222-Millionen-Euro-Transfer von Neymar erhoffen: eine Deckelung der Ablösesummen. Eine derartige Regulierung durch die Verbände hätte wohl eine unzulässige, da nicht rechtfertigbare Wettbewerbsbeschränkung nach Art 101 AEUV, dargestellt. 

Auf die negativen Effekte einer Marktreaktion – schlimmstenfalls Insolvenzen mancher Clubs – werden hingegen alle Beteiligten und Sportbegeisterten verzichten wollen. Insofern können die Maßnahmen der Verbände zur Lockerung der finanziellen Lizenzierungskriterien den Vereinen Sicherheit geben, zumindest vorläufig.


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Autoren

Foto vonStefan Schreiber
Stefan Schreiber
Counsel
Leipzig