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Mehr als nur der Name – auch die Optik eines Produkts kann als Ursprungsbezeichnung geschützt sein

Update Gewerblicher Rechtsschutz & Kartellrecht 04/2021

April 2021

Geschützte Ursprungsbezeichnungen sind in der EU seit vielen Jahren als ein System zum Schutz und zur Förderung regionaler traditioneller Lebensmittelerzeugnisse etabliert. Das Zeichen „geschützte Ursprungsbezeichnung“ enthält aus Verbrauchersicht eine Garantie, dass die gesamte Herstellung eines Lebensmittels in einer bestimmten Region nach einem festgelegten Verfahren erfolgt.

In Deutschland bestehen derzeit z. B. die geschützten Ursprungsbezeichnungen „Fränkischer Grünkern“ (der in Franken angebaut sein muss) sowie „Allgäuer Bergkäse“ (der ausschließlich mit im Allgäu produzierter Milch hergestellt werden darf). Ähnliche Produkte, die in anderen Regionen und / oder nach anderen Verfahren hergestellt werden, dürfen eine geschützte Ursprungsbezeichnung für ihre Produkte nicht verwenden.

Streit um den Käse Morbier

Doch wie weit reicht die Schutzwirkung der geschützten Ursprungsbezeichnung? Vermittelt sie tatsächlich nur Schutz für die Bezeichnung eines Erzeugnisses als solche oder ist auch dessen Optik von der Schutzwirkung umfasst? In einem Vorabentscheidungsverfahren musste sich der EuGH mit dieser Fragestellung auseinandersetzen (Urteil vom 17. Dezember 2020, Az. C-490/19). Dem Urteil liegt ein Rechtsstreit aus Frankreich zugrunde, bei dem es um den Käse Morbier geht. Seit dem Jahr 2000 ist „Morbier“ eine geschützte Ursprungsbezeichnung. Dieser Käse wird im Jura-Massiv in Frankreich produziert und zeichnet sich durch eine besondere Optik aus: Horizontal durch den Käselaib verläuft ein schwarzer Streifen aus pflanzlicher Kohle, der den Käse optisch in zwei Hälften teilt.

In Frankreich brachte nun ein Käsehersteller einen Käse auf den Markt, der zwar nicht als Morbier-Käse bezeichnet wurde, aber dessen charakteristische Optik aufwies. Denn auch in diesem Käse zog sich horizontal durch den Käselaib eine schwärzliche Kohleschicht. Hiergegen ging ein Verband französischer Käsehersteller vor. Aus dessen Sicht verletzte dieser Käse, der weder im Jura-Massiv noch nach den traditionellen Verfahrensweisen zur Herstellung eines Morbier-Käses produziert wurde, aufgrund seiner Optik die geschützte Ursprungsbezeichnung „Morbier“. Nach Auffassung der Ausgangsgerichte in Frankreich stellte die Vermarktung eines Käses mit einer horizontal durch den Käselaib verlaufenden Kohleschicht unter einem anderen Namen indes keine Verletzung der geschützten Ursprungsbezeichnung „Morbier“ dar. Denn diese diene lediglich dazu, den Namen eines Erzeugnisses als solchen zu schützen, nicht aber dessen Erscheinungsbild.

EuGH: Charakteristische Optik kann in die Irre führen

Im Rechtsmittelverfahren legte das oberste französische Gericht daraufhin dem EuGH die Frage vor, ob auch die Aufmachung eines Erzeugnisses, das von einer geschützten Ursprungsbezeichnung erfasst wird, in den Schutzumfang der geschützten Ursprungsbezeichnung fällt. Konkret wollte das oberste französische Gericht von dem EuGH wissen, ob die Wiedergabe der charakteristischen Form eines solchen Erzeugnisses oder seines charakteristischen Erscheinungsbildes geeignet ist, den Verbraucher in Bezug auf den tatsächlichen Ursprung des Erzeugnisses irrezuführen – und zwar auch dann, wenn der eingetragene Name nicht verwendet wird.

Der EuGH stellte zunächst klar, dass nur die eingetragene geschützte Ursprungsbezeichnung (also der Name des Erzeugnisses selbst) Gegenstand des Schutzes sei. Allerdings sei es Wesensmerkmal der geschützten Ursprungsbezeichnung, dass das von ihr erfasste Erzeugnis eng mit der Bezeichnung selbst verbunden sei. Daher dürfen auch charakteristische Formen oder charakteristische Erscheinungsbilder eines Erzeugnisses, das unter eine geschützte Ursprungsbezeichnung fällt, nicht unter einem anderen Namen auf den Markt gebracht werden, wenn Verbraucher hierdurch hinsichtlich des wahren Ursprungs des betreffenden Erzeugnisses in die Irre geführt werden können. Rechtliche Grundlage für diese Bestimmung des Schutzumfangs ist nach Auffassung des EuGH Art. 13 Abs. 1 lit. d der Verordnungen Nr. 510/2006 und 1151/2012. Ausgehend von dieser Auslegung durch den EuGH muss nun das zuständige französische Gericht die Frage der Verletzung der Ursprungsbezeichnung „Morbier“ bewerten.

Neue Compliance-Anforderungen für Lookalikes

Produzenten herkunftsgeschützter Erzeugnisse können nach diesem Urteil des EuGH deutlich effektiver gegen Nachahmungen vorgehen. Denn auch Lookalikes, die unter anderem Namen als dem der geschützten Ursprungsbezeichnung vertrieben werden, können im Einzelfall rechtswidrig sein. Voraussetzung dafür ist aber stets, dass die Übernahme der charakteristischen Optik des geschützten Erzeugnisses tatsächlich dazu führen kann, den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen europäischen Verbraucher in die Irre zu führen. Dies ist weiterhin im Einzelfall festzustellen.

Hersteller solcher „Imitationsprodukte“ sollten diese Rechtsprechungsentwicklung zum Anlass nehmen, etwaige Compliance-Risiken ihrer Produkte im Hinblick auf geschützte Ursprungsbezeichnungen neu zu bewerten.

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Foto vonJulia Dönch
Julia Dönch, M.A.