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Mitgliederversammlung und Beschlussfassung in Vereinen während der Corona-Krise

Erleichterungen für die Durchführung ohne physische Präsenz

03/04/2020

Die Corona-Krise stellt auch die Vereine, vor allem große Sportvereine mit vielen Mitgliedern, vor neue Herausforderungen. Bislang waren Mitgliederversammlungen ohne physische Präsenz nahezu undenkbar und ohne ausdrückliche Regelung in der Satzung auch rechtlich unmöglich. Auch Beschlüsse anderer Organe außerhalb von Präsenzsitzungen waren schwierig durchzuführen. Der Gesetzgeber hat nun kurzfristig Erleichterungen geschaffen. Dennoch verbleiben viele Herausforderungen in der Praxis. Ein Überblick.

Problemstellung im geltenden Recht

Ist eine physische Zusammenkunft der Mitglieder in der Mitgliederversammlung des Vereins nicht möglich, konnten nach bislang geltendem Recht Beschlüsse im schriftlichen Verfahren nur gefasst werden, wenn alle Mitglieder ihre Zustimmung zu dem Beschluss schriftlich erklärten (§ 32 Abs. 2 BGB). Eine für Großvereine wenig hilfreiche Lösung, da eine Entscheidung außerhalb der Präsenzversammlung damit zumeist schon faktisch scheitert. Abweichende Regelungen in der Vereinssatzung waren und sind zwar möglich, allerdings in vielen Vereinen bislang nicht vorhanden. Für andere Vereinsorgane gilt § 32 Abs. 2 BGB entsprechend, sodass auch hier eine Beschlussfassung außerhalb von Präsenzsitzungen die Zustimmung aller Organmitglieder erfordert. Widerspricht nur ein Mitglied, kann auch hier die Beschlussfassung nicht stattfinden.

Aber auch wenn eine Beschlussfassung außerhalb von Präsenzsitzungen möglich ist, kann sie eine Versammlung der Organmitglieder nicht in allen Punkten ersetzen. Es bleibt also die Frage: Wie treten die Organmitglieder zusammen, wenn sie einander nicht physisch begegnen dürfen? Wie kann das Teilnahmerecht als unentziehbares Mitgliedschaftsrecht sichergestellt werden? Wie kann gewährleistet werden, dass bei der Abstimmung nur stimmberechtigte Organmitglieder ihre Stimme abgeben? 

Sieht die Satzung des Vereins die Möglichkeit vor, eine Versammlung eines Organs ohne physische Präsenz durchzuführen, etwa im Wege einer Video- oder Telefonkonferenz über Skype, Zoom, Facetime oder – für Mitgliederversammlungen – über den geschlossenen Mitgliederbereich auf den Websites großer Clubs (Stichwort: „virtuelle Mitgliederversammlung“), wurde dies bislang grundsätzlich als zulässig erachtet und Beschlüsse konnten im Rahmen virtueller Versammlungen gefasst werden. Ohne Satzungsermächtigung und ohne Zustimmung aller Organmitglieder war und ist eine virtuelle Versammlung hingegen nach bislang geltender Rechtslage unzulässig.

Durch die derzeitigen Kontakt- und Versammlungsverbote des Bundes und der Länder aufgrund der Corona-Krise steht daher die Handlungsfähigkeit der Vereinsorgane, insbesondere diejenige der Mitgliederversammlungen, in Frage.

Ein weiteres Problem tritt beim Auslaufen von Amtsperioden von Organmitgliedern auf, wenn die Nachbesetzung durch die Versammlungsverbote nicht oder nicht rechtzeitig erfolgen kann. Sieht die Satzung des Vereins nicht ausdrücklich vor, dass ein Organmitglied noch bis zur Bestellung seines Nachfolgers im Amt bleibt, scheidet das Organmitglied mit Ablauf seiner Amtszeit automatisch aus. Hierdurch kann der Verein im Extremfall handlungsunfähig werden, wenn eine wirksame Vertretung im Rechtsverkehr nicht mehr gewährleistet ist oder ein Organ beschlussunfähig wird.

Diesen Unsicherheiten ist nun der Gesetzgeber durch eine zeitlich befristete Regelung entgegengetreten.

Abhilfe durch das COVID-19-Gesetz

Am 23. März 2020 hat die Bundesregierung ein Maßnahmenpaket beschlossen, das unter anderem einen Gesetzentwurf zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht als Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen vorsieht (Covid-19-Abmilderungsgesetz). Nach Veröffentlichung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt (BGBl I Jg. 2020, Nr. 14, S. 569) sind die Regelungen zum Vereinsrecht am 28. März 2020 in Kraft getreten. 

Artikel 2, § 5 des Gesetzes trifft folgende Änderungen im Vereinsrecht:

1) Amtsperiode von Organmitgliedern:

Vorstandsmitglieder eines Vereins bleiben auch nach Ablauf ihrer Amtszeit bis zu ihrer Abberufung oder bis zur Bestellung eines Nachfolgers im Amt.

Damit stellt der Gesetzgeber sicher, dass Vereine handlungsfähig bleiben, selbst wenn zwischenzeitlich die Amtsperiode eines Amtsträgers abgelaufen ist.

2) Virtuelle Versammlung:

Auch ohne Ermächtigungen in der Satzung oder Geschäftsordnung werden Mitgliederversammlungen ohne physische Präsenz ermöglicht. Mitglieder können teilnehmen, ohne selbst am Versammlungsort anwesend zu sein, und ihre Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben. Virtuelle Versammlungen und Sitzungen in jeglicher Form, also auch über Skype oder die geschlossenen Mitgliederbereiche großer Vereine, sind damit möglich.

Ferner können Vereinsmitglieder schon vor der Durchführung der Mitgliederversammlung ihre Stimme schriftlich abgeben. Das Gesetz ermöglicht also eine sogenannte „gemischte Beschlussfassung“, in der einzelne Mitglieder vor einer (virtuellen oder physischen) Sitzung oder Versammlung ihre Stimmen schriftlich abgeben.

3) Erleichtertes Umlaufverfahren:

Schließlich sieht das Gesetz vor, dass das Umlaufverfahren zur Beschlussfassung erleichtert wird. Die Zustimmung aller Mitglieder zur Beschlussfassung im Umlaufverfahren ist nicht mehr erforderlich, vielmehr genügt es, dass

  • alle Mitglieder an der Beschlussfassung im Umlaufverfahren beteiligt werden,
  • mindestens die Hälfte der Mitglieder bis zum Ende der gesetzten Entscheidungsfrist in Textform (dazu gehören auch E-Mail, WhatsApp, SMS und andere Nachrichtendienste) an der Abstimmung teilnehmen und
  • der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wird.

Dadurch ermöglicht der Gesetzgeber, dass Beschlüsse in Abwesenheit gefasst werden können und dass die Verhinderung Einzelner, die bislang ein Umlaufverfahren blockieren konnte, nicht zum Problem wird. In Großvereinen wird das reine Umlaufverfahren aufgrund der Anforderung zur Beteiligung aller Mitglieder und der Abstimmungsteilnahme von mindestens 50 % der Mitglieder allerdings meist nicht in Betracht kommen.

Für Sitzungen und Beschlussfassungen des Vereinsvorstandes gelten diese Erleichterungen aufgrund des Verweises in § 28 Abs. 2 BGB entsprechend. 

Die vorstehend genannten Regelungen sind allerdings zeitlich begrenzt. Sie gelten nur für die im Jahr 2020 ablaufenden Bestellungen in Vereinsvorständen und nur für die im Jahr 2020 stattfindenden Versammlungen und Sitzungen. Danach gilt wieder die alte Rechtslage.

Offene Fragen bei Abhaltung virtueller Mitgliederversammlungen

Mit den vorstehend wiedergegebenen Regelungen hat der Gesetzgeber für die Vereine allerdings nur ein Problem der virtuellen Mitgliederversammlung angesichts der Corona-Krise gelöst: das der fehlenden Satzungsermächtigung. Anders als bei der wesentlich detaillierteren Regelung zu Hauptversammlungen im Aktienrecht bleiben Fragen zur Form der Ankündigung sowie zu abgekürzten Fristen oder zur Ausübung der Mitgliedschaftsrechte während der Mitgliederversammlungen gänzlich unbeantwortet. Sofern der Verein nicht in Anlehnung an die aktienrechtliche Diskussion bereits heute detaillierte Regelungen zur virtuellen Mitgliederversammlung in seiner Satzung verankert hat (was z. B. bei einigen Vereinen der Fußball-Bundesliga der Fall ist), muss er sich für die Organisation an der noch unklaren, bislang vor allem durch die wissenschaftliche Diskussion geprägten Rechtslage orientieren, um so möglichst das Risiko der Nichtigkeit gefasster Beschlüsse zu vermeiden. Typische Praxisfragen virtueller Mitgliederversammlungen sind z. B.

  • der Umfang der Angaben zu Voraussetzungen und Schranken der virtuellen Teilnahme in der Einladung,
  • die Gewährleistung des Frage- und Informationsrechts vor und während der virtuellen Versammlung,
  • die Prüfung der Wahlberechtigung der teilnehmenden Mitglieder,
  • die Vermeidung doppelter Stimmabgabe,
  • die Gewährleistung von geheimen Abstimmungen, soweit diese vorgesehen sind, und
  • die Vermeidung des Risikos von technischen Manipulationen.

Zur Vermeidung von Fehlern, die zur Beschlussnichtigkeit führen können, empfiehlt sich eine sorgfältige Vorbereitung der virtuellen Versammlung in organisatorischer wie auch in rechtlicher Hinsicht. 

Vorsorge für die Zukunft

Zudem ist den Vereinen, die bislang keine detaillierte Regelung zur virtuellen Mitgliederversammlung in ihren Satzungen vorgesehen haben, dringend zu empfehlen, eine solche Regelung zumindest für die Zukunft aufzunehmen und dabei auch an die genannten Folgefragen zu denken. Denn auch zukünftig ist nicht ausgeschlossen, dass Vereine aufgrund externer Umstände gezwungen sein könnten, auf das gewohnte Mittel der Präsenzversammlung zu verzichten und die Mitgliederrechte auf andere Weise ausüben zu lassen. Eine detaillierte Satzungsregelung erhöht hier die Rechtssicherheit erheblich.


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