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Überschneidung von Vertragserfüllungs- und Mängelbürgschaft: Sicherungsabrede unwirksam

Update Real Estate & Public 04/2021

April 2021

Hintergrund

Formularmäßige Sicherungsabreden in Bauverträgen sind unwirksam, wenn sich aus ihnen ergibt, dass der Auftragnehmer für einen nicht unerheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus wegen möglicher Mängelansprüche eine Sicherheit leisten muss, die jedenfalls nicht unwesentlich über 5 % der Auftragssumme liegt.

In dem zugrundeliegenden Fall verwendete der Beklagte (Auftraggeber) die Besonderen Vertragsbedingungen in der Fassung des Vergabehandbuchs des Bundes – Ausgabe 2008, Stand Mai 2010 (BVB).

Die Entscheidung

Mit dem Urteil vom 16.07.2020 – VII ZR 159/19 – führt der BGH seine Rechtsprechung zur Frage der Wirksamkeit von Sicherungsabreden fort. Nach Ziff. 4.1 der BVB war von dem Auftragnehmer eine Sicherheit für die Vertragserfüllung in Höhe von 5 % der Auftragssumme und eine Sicherheit für Mängelansprüche in Höhe von 3 % der Auftragssumme einschließlich erteilter Nachträge zu stellen. Dem Auftragnehmer stand das Recht zu, nach Abnahme und Erfüllung aller bis dahin erhobenen Ansprüche einschließlich Schadensersatz, zu verlangen, dass die Sicherheit für die Vertragserfüllung in eine Sicherheit für Mängelansprüche umgewandelt wird. In Ziff. 4.3 der BVB wurde wegen der Bürgschaftstexte u. a. auf das Formblatt 421 „Vertragserfüllungs- und Mängelansprüchebürgschaft“ verwiesen. Dort heißt es: „Nach den Bedingungen dieses Vertrages hat der Auftragnehmer Sicherheit für die vertragsgemäße Ausführung der Leistung einschließlich Erfüllung der Mängelansprüche zu leisten.“

Zunächst stellt der BGH die allgemeinen Grundsätze zur Auslegung von AGB dar. In erster Linie ist der Wortlaut der Klausel maßgebend. Bei mehreren rechtlich vertretbaren Auslegungsmöglichkeiten gehen Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders. Dies führt dazu, dass die kundenfeindlichste Auslegung zugrunde zu legen ist, auch wenn diese im Rahmen einer Inhaltskontrolle zur Unwirksamkeit der Klausel führt und dadurch letztlich den Vertragspartner begünstigt. Dann findet das Gesetzesrecht Anwendung, wonach keine Sicherheit geschuldet ist.

Der BGH stellt fest, dass Ziff. 4 BVB auch so verstanden werden kann, dass die Vertragserfüllungssicherheit auch nach Abnahme bestehende Mängelansprüche sichert, die zugleich von der Sicherheit für Mängelansprüche erfasst werden. Dies ergibt sich aus dem Verweis auf das Formblatt 421 zur Vertragserfüllungssicherheit, das auch die Erfüllung der Mängelansprüche einschließt.

Zudem kann die Klausel so verstanden werden, dass es zu einer zeitlichen Überschneidung der Sicherheiten für Vertragserfüllung und Mängelansprüche kommen kann. Die Rückgabe der Vertragserfüllungssicherheit ist nicht ausdrücklich geregelt. Das Umwandlungsrecht kann auch dazu führen, dass der Auftraggeber die Vertragserfüllungssicherheit für einen nicht unerheblichen Zeitraum nach der Abnahme behalten kann, indem er Ansprüche erhebt. Die kundenfeindlichste Auslegung führt dazu, dass eine Sicherheit für Mängelansprüche gestellt werden muss, bevor das Umwandlungsrecht entsteht.

Dieses Verständnis der Sicherungsabrede führt zu ihrer Unwirksamkeit, da der Auftragnehmer dann zur Sicherung von Mängelansprüchen Sicherheiten in Höhe von 8 % der Auftragssumme stellen muss. Ob auch andere Auslegungsmöglichkeiten bestehen, ist unbeachtlich.

Praxistipp

Klauseln sind nicht schon dann unklar, wenn Uneinigkeit über die Auslegung besteht. Es müssen mindestens zwei rechtlich vertretbare Auslegungen und unbehebbare Zweifel verbleiben.

Bei Sicherungsabreden bedarf es klarer Regelungen zur Höhe der Sicherheiten und zeitlichen Abgrenzung.

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Autoren

Marius Brädle