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Update Commercial 01/18

Januar 2018

Aktuelle Rechtsprechung 

Verbot der Nutzung von Online-Marktplätzen nicht per se kartellrechtswidrig
(EuGH, Urt. v. 6. Dezember 2017, Rs. C-230/16, Coty Germany GmbH ./. Parfümerie Akzente GmbH)

  • Eine Vertragsklausel, die autorisierten Händlern eines selektiven Vertriebssystems für Luxuswaren verbietet, beim Verkauf der Vertragswaren im Internet nach außen erkennbar Drittplattformen einzuschalten, ist nicht wettbewerbsbeschränkend, wenn diese Klausel das Luxusimage dieser Waren sicherstellen soll, einheitlich festgelegt ist, ohne Diskriminierung angewandt wird und in angemessenem Verhältnis zum angestrebten Ziel steht.
  • Eine solche Vertragsklausel stellt weder eine Beschränkung der Kundengruppe im Sinne von Art. 4 b) der Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung (Vertikal-GVO) noch eine Beschränkung des passiven Verkaufs an Endverbraucher im Sinne von Art. 4 c) der Vertikal-GVO dar.

Praxistipp: Mit diesem Urteil hat der EuGH einen langjährigen Meinungsstreit entschieden. Die abweichende Auffassung des Bundeskartellamts und einiger deutscher Gerichte, dass Drittplattformverbote wettbewerbsbeschränkend und zudem nach der Vertikal-GVO nicht freistellungsfähig seien, ist damit obsolet. Das Urteil ist auch, soweit es um die Anwendbarkeit der Vertikal-GVO geht, bei solchen Vertriebssystemen anwendbar, die nicht Luxuswaren zum Gegenstand haben. Dies wird vom Bundeskartellamt bezweifelt, indes zu Unrecht. Unternehmen, die sich – zum Teil auch im Sinne eines vorauseilenden Gehorsams – dem Standpunkt des Bundeskartellamts gebeugt haben, sollten eine Überarbeitung ihrer Vertriebsverträge in Betracht ziehen. Jedenfalls dann, wenn die 30%-Marktanteilsgrenze der Vertikal-GVO nicht überschritten ist, sollte es möglich sein, die dem EuGH vorgelegte Vertragsklausel in den Vertriebsvertrag aufzunehmen bzw. wieder aufzunehmen. Denn diese Vertragsklausel ist vom EuGH gerade nicht als Kernbeschränkung im Sinne von Art. 4 Vertikal-GVO qualifiziert worden. Zu überlegen ist zudem, ob es überhaupt eines selektiven Vertriebssystems bedarf, um in den Genuss der Gruppenfreistellung zu kommen. Natürlich sollte die vertragliche Gestaltung nur auf der Grundlage einer gründlichen Einzelfallprüfung vorgenommen werden.

AGB bezüglich Mängeluntersuchung nach § 377 HGB
(BGH, Urt. v. 6. Dezember 2017 – VIII ZR 246/16)

  • Art und Umfang der Mängeluntersuchung können durch AGB konkretisiert werden, etwa hinsichtlich der zu untersuchenden Eigenschaften und der dabei vorzugsweise anzuwendenden Methoden, sofern dies durch die Umstände veranlasst oder verkehrsüblich ist und die Interessen beider Vertragsparteien dabei berücksichtigt sind.
  • Unangemessen benachteiligend ist es aber, wenn die Klausel ohne nähere Differenzierung nach Anlass und Zumutbarkeit stets eine vollständige Untersuchung der Ware auf ein Vorhandensein aller nicht sofort feststellbaren Mängel fordert und keinen Raum für Abweichungen in den Fällen lässt, in denen sie dem Käufer nicht mehr zugemutet werden kann.
  • Mit dem Sinn und Zweck der Untersuchungspflicht ist es nicht zu vereinbaren, wenn dem Käufer durch AGB vorgeschrieben wird, die Waren durch einen neutralen Sachverständigen untersuchen zu lassen.

Praxistipp: In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall ging es um die Lieferung von Futtermitteln, die den zulässigen Gehalt an Dioxin weit überschritten hatten. Die vom Lieferanten des Futtermittels verwendeten AGB enthielten eine Klausel, wonach der Käufer die Ware bei nicht sensorisch wahrnehmbaren Mängeln innerhalb von zwei Geschäftstagen einem neutralen Sachverständigen zur Prüfung vorlegen solle, um seine Mängelansprüche nicht zu verlieren. Faktisch hätte dies bedeutet, dass jede Warenlieferung, bei der sich weder optisch noch geruchlich noch fühlbar Mängel feststellen ließen, einer Sachverständigenuntersuchung unterzogen werden müssen. Selbst im Lebens- und Futtermittelbereich, in dem die Risiken für den Endverbraucher besonders groß sind, sah das Gericht keinen Raum für einen solchen Untersuchungsumfang.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH bemisst sich die Untersuchungsobliegenheit des Käufers gemäß § 377 Abs. 1 HGB danach, was unter Berücksichtigung aller Umstände nach ordnungsgemäßem Geschäftsgang tunlich ist. Ist für bestimmte Bereiche des Handelsverkehrs eine besondere Art der Untersuchung des Kaufgegenstands auf etwa vorhandene Mängel üblich und besteht damit insoweit ein Handelsbrauch, kann dies die Art und den Umfang der Untersuchungsobliegenheit beeinflussen. 
Wenn in AGB die Art und Weise der kaufmännischen Untersuchungsobliegenheit konkret geregelt wird, sollte sich deshalb an den handelsüblichen Gepflogenheiten des jeweiligen Geschäftsbereichs orientiert werden. Weitere Anhaltspunkte für die Grenzen der Zumutbarkeit bieten vor allem der für eine Überprüfung erforderliche Kosten- und Zeitaufwand, die dem Käufer zur Verfügung stehenden technischen Prüfungsmöglichkeiten, das Erfordernis eigener technischer Kenntnisse für die Durchführung der Untersuchung beziehungsweise die Notwendigkeit, die Prüfung von Dritten vornehmen zu lassen.

Erfordernis der Mängelanzeige im internationalen Warenverkauf – Abgrenzung von Kauf- und Werkvertrag im Rahmen des CISG
(BGH, Urt. v. 7. Dezember 2017 – VII ZR 101/14)

  • Nach Art. 39 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenverkauf (CISG) obliegt es dem Käufer, einen Mangel der Ware innerhalb angemessener Frist anzuzeigen.
  • Diese Obliegenheit besteht nach Art. 3 Abs. 2 CISG nicht bei Verträgen, bei denen der überwiegende Teil der Pflichten der Partei, die die Ware liefert, in der Ausführung von Arbeiten oder anderen Dienstleistungen besteht, da das CISG auf solche Verträge keine Anwendung findet.

Praxistipp: Die Frage, welche der Vertragspflichten – Lieferung der Waren oder Herstellung einer weiteren Sache aus den gelieferten Waren – überwiegt, lässt sich nicht pauschal beantworten. Der BGH unterzieht den Vertragswortlaut hierbei einer detaillierten Prüfung. Dabei geht er hier davon aus, dass ein „Überwiegen“ dann anzunehmen ist, wenn aus Sicht des Erwerbers die „Arbeiten und anderen Dienstleistungen“ im Mittelpunkt stehen und diese Ansicht für den Lieferanten erkennbar ist. Dass der Wert dieser Leistung den Wert der Waren erreicht, ist nach Ansicht des BGH dann nicht erforderlich. Vielmehr entnahm der BGH dem Vertragsinhalt, dass die Herstellung der Anlage die Hauptpflicht des Vertrags ausmache und die Beschaffung von Material zur Verwirklichung dieses Hauptzwecks nur nebenbei geschuldet werde. Dies ist nach dem BGH bei Anlagelieferverträgen häufig der Fall. 
Die Abgrenzung zwischen Werk- und Kaufverträgen bzw. Werklieferverträgen bereitet oft Schwierigkeiten. Bei Fällen mit Vertragsparteien aus unterschiedlichen Ländern, ist diese Frage bereits für die Frage des anwendbaren Rechts, d. h., ob CISG und damit auch die Rügepflicht aus Art. 39 CISG anwendbar ist, relevant. Sowohl in der Rechtsprechung als auch in der juristischen Literatur war der Wert der Waren bzw. Leistungen bislang das wichtigste Abgrenzungskriterium. Je nachdem welcher Wert der beiden Vertragsteile überwog, war der Vertrag als Kauf- oder als Werkvertrag einzuordnen. Der Parteiwille bzw. die Parteiinteressen wurden von der Rechtsprechung daneben berücksichtigt, als weiteres Indiz für die Einordnung oder in Fällen, in denen der Wert der Leistungen nicht eindeutig ermittelt werden konnte. In dem hier entschiedenen Fall war der Vertragswortlaut für den BGH zur Einordnung des Vertragstyps eindeutig genug und er ließ die Werte unberücksichtigt, da „aus der für den Lieferanten erkennbaren Sicht des Erwerbers die, Arbeiten und anderen Dienstleistungen‘ im Mittelpunkt“ des Vertrags stehe. Dieses Urteil stellt zunächst eine Einzelfallentscheidung dar. Der Wert der Leistungen wird künftig trotzdem ein wichtiges Abgrenzungskriterium bleiben. Daneben kann aber durch eine entsprechende Formulierung des Vertrags, mit der die Hauptpflichten des Vertrags klar herausgestellt werden, die Frage der Einordnung des Vertragstyps beeinflusst werden.

 Verkäufer kann trotz PayPal-Käuferschutz erneut Zahlung verlangen
(BGH, Urt. v. 22. November 2017 – VIII 83/16 und VIII 213/16)

  • Wird der Kaufpreis vereinbarungsgemäß unter Verwendung des Online-Zahlungsdienstes PayPal entrichtet, ist die geschuldete Leistung bewirkt, wenn der vom Käufer geschuldete Betrag dem PayPal-Konto des Verkäufers vorhaltlos gutgeschrieben wird, so dass dieser den Zahlbetrag endgültig zur freien Verfügung erhält.
  • Zugleich vereinbaren die Kaufvertragsparteien – bei Fehlen gegenteiliger Anhaltspunkte – stillschweigend, dass die getilgte Kaufpreisforderung wiederbegründet wird, wenn das PayPal-Konto des Verkäufers nach einem erfolgreichen Antrag des Käufers auf Käuferschutz nach Maßgabe der PayPal-Käuferschutzrichtlinie rückbelastet und der Kaufpreis dem PayPal-Konto des Käufers wieder gutgeschrieben wird.

Praxistipp: Mit seinen beiden Urteilen entschied der BGH, dass dem Verkäufer trotz PayPal-Käuferschutz der Weg zu den ordentlichen Gerichten erhalten bleibt, um vom Käufer Zahlung zu verlangen. Das Gericht stützt seine Entscheidung auf eine „nach beiden Seiten hin interessengerechte Vertragsauslegung“ der PayPal-Käuferschutzrichtlinie. In der heißt es ausdrücklich, dass die Richtlinie „die gesetzlichen und vertraglichen Rechte zwischen Käufer und Verkäufer nicht berührt und (…) separat von diesen zu beachten sei“. Nur wenn den Vertragsparteien neben dem Käuferschutz die Möglichkeit verbleibe, ihre gesetzlichen oder vertraglichen Rechte gerichtlich geltend zu machen, liege keine unangemessene Benachteiligung in dem System des Käuferschutzes. Denn bei der Beurteilung eines Käuferschutzantrages lege PayPal nur einen gegenüber den gesetzlichen Regelungen vereinfachten Prüfungsmaßstab an.
Sowohl dem Käufer als auch dem Verkäufer bleiben also trotz der Verwendung des PayPal-Käuferschutzes alle gesetzlichen Möglichkeiten zur Durchsetzung seiner Rechte erhalten.

Rückrufklauseln in AGB
(BGH, Urt. v. 18. Oktober 2017 – VIII ZR 86/16)

  • Die in einer Qualitätssicherungsvereinbarung zwischen Unternehmern formularmäßig verwendete Klausel „Mehraufwand bei dem AG, der aus Mängeln von Liefergegenständen entsteht, geht in angefallener Höhe zu Lasten des AN. Der Mehraufwand ist dem AN durch den AG nachzuweisen“ ist unwirksam.
  • Eine solche Klausel weicht ohne sachlichen Grund von den Regelungen des gesetzlichen Kaufgewährleistungsrechts in einer Weise ab, die mit wesentlichen Grundgedanken dieser gesetzlichen Regelungen nicht zu vereinbaren ist. Im Einzelnen widerspricht sie folgenden Regelungen: dass mangelbedingter Mehraufwand durch Schadens- oder Aufwendungsersatz kompensiert wird, wenn ein Verschulden für den Mangel vorliegt, und dass eine Erstattungspflicht auf solche Aufwendungen beschränkt ist, deren Anfall unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen nach objektiven Maßstäben billigerweise notwendig und angemessen war, und dass die Klausel dem Verkäufer hinsichtlich Entstehung und Höhe des Mehraufwands insoweit auch einen Mitverschuldens- oder Mitverursachungseinwand abschneidet.

Praxistipp: Der hier klagende Auftraggeber verlangte von dem Auftragnehmer Ersatz aller Kosten, die ihm durch einen Produktrückruf des Auftragnehmers entstanden sind. Dieser hatte den Rückruf aufgrund von Schimmelpilzfunden in seiner Ware (Wassereis) vorgenommen. Der klagende Auftraggeber stützte seine Forderungen auf eine Klausel seiner AGB, die, ohne nach dem Grund der Mängel zu differenzieren, den Ersatz jeglichen Mehraufwands beim Auftraggeber durch den Auftragnehmer vorsah.
Eine solche Klausel ist in AGB nach Ansicht des BGH nicht zulässig. Vielmehr ist eine differenzierte Regelung erforderlich, die Raum lässt, bei der Verteilung der Kosten des Mehraufwands insbesondere das 
(Mit-)Verschulden und die Erforderlichkeit des Mehraufwands angemessen zu berücksichtigen. 
Ein Verschulden ist dann nicht erforderlich, wenn der Auftragnehmer in der Qualitätssicherungsvereinbarung eine Garantie für die Eigenschaft des Produkts, die den Rückruf ausgelöst hat, übernommen hat. 

Zur konkludenten Kündigung eines Handelsvertretervertrags
(OLG, München, Urt. v. 26. Oktober 2017 – 23 U 1036/17)

  • Teilt ein Handelsvertreter seinem Prinzipal mit, er habe sich entschieden, das aktive Tagesgeschäft einzustellen, er wolle aber seine Kunden und akquirierten Kontakte weiter bearbeiten, wobei noch besprochen werden müsse, wie das im Einzelnen aussehen solle, liegt darin keine konkludente Kündigung des Handelsvertretervertrags.
  • Auch in Verbindung mit der anschließenden Untätigkeit eines Handelsvertreters kann eine solche Erklärung nicht als eine Kündigung des Handelsvertretervertrags ausgelegt werden.

Praxistipp: Die Kündigung eines Handelsvertretervertrags kann grundsätzlich formlos und daher auch konkludent erfolgen. Als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung ist eine Kündigung so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben verstehen musste, wobei der durch Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert maßgeblich ist. Eine Kündigungserklärung müsse, so das Gericht, eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass der Vertrag beendet werden soll, was besonders im Hinblick auf die weitreichenden Folgen einer Eigenkündigung (ggf. Verlust des Ausgleichsanspruchs) zutreffen dürfte. Nach Meinung des Gerichts war dies hier nicht der Fall, weil der Handelsvertreter die weitere Bearbeitung von Kunden gewünscht und eine Besprechung der Einzelheiten mit dem Prinzipal gefordert hatte. Die Erklärung, er wolle das aktive Tagesgeschäft einstellen, wertet das Gericht als Vorschlag für eine Vertragsänderung oder als Ankündigung einer Vertragsverletzung. Einem Unternehmer, der eine solche Erklärung seines Handelsvertreters erhält, ist zu raten, entweder nachzufragen, wie die Erklärung gemeint ist, oder – wenn er sich möglichst kurzfristig vom Handelsvertreter trennen will – die Ankündigung der Einstellung des wesentlichen Teils der Tätigkeit als Erfüllungsverweigerung und damit als Vertragsverletzung aufzufassen und dies zum Anlass für eine eigene fristlose Kündigung zu nehmen.

Unzulässige Beeinträchtigung des Kündigungsrechts des Handelsvertreters bei Darlehensrückzahlungsanspruch
(OLG Köln, Beschl. v. 25. August 2017 – 19 U 19/17)

  • Das Recht zur fristlosen Kündigung des Handelsvertretervertrags aus § 89 a Abs. 1 HGB darf durch vertragliche Regelungen weder unmittelbar ausgeschlossen werden noch mittelbar derart beeinträchtigt werden, dass es im Ergebnis leerläuft.
  • Eine solche Beeinträchtigung kann in finanziellen Nachteilen wie einer sofortigen Darlehensrückzahlungspflicht für den Handelsvertreter liegen, die an die Kündigung geknüpft sind.
  • Die Konsequenz einer unzulässigen Beeinträchtigung des Kündigungsrechts ist indes nicht, dass jegliche Verpflichtung zur Rückzahlung des Darlehens entfällt. Vielmehr ist die Verpflichtung zur Darlehensrückzahlung lediglich insoweit unwirksam, als sie für den Fall der Kündigung des Handelsvertretervertrags eine sofortige Rückzahlung der (restlichen) Darlehensvaluta bestimmt. Im Ergebnis verbleibt es daher bei der Regelung, die die Parteien, wäre es nicht zur Beendigung des Vertrags gekommen, für die Darlehensrückführung vorgesehen haben.

Praxistipp: Im Gegensatz zu der Entscheidung des OLG München vom 9. März 2017 – 23 U 2601/16 –, über die wir im Update Mai 2017 berichtet hatten, in der es um die Rückzahlung von Mindestprovisionen bei Kündigung des Handelsvertretervertrages ging, sah die Vereinbarung der Parteien im vorliegenden Fall vor, dass ein dem Handelsvertreter gewährtes Darlehen bei Kündigung des Handelsvertretervertrags sofort mit dem dann noch offenen Restbetrag fällig werden sollte. Das Gericht stellt zwar fest, dass eine solche sofortige Fälligkeit des Darlehens das nicht abdingbare außerordentliche Kündigungsrecht des Handelsvertreters beeinträchtigen könne, die Folge sei aber nicht, dass das Darlehen dann gar nicht zurückzuzahlen sei. Vielmehr sei eine solche Regelung nur insoweit unwirksam, als im Falle der Kündigung des Handelsvertreters die sofortige Fälligkeit der (restlichen) Darlehensvaluta eintrete. Dies bedeutet im Ergebnis, dass die Rückzahlung des Darlehens auch im Falle der Kündigung durch den Handelsvertreter mit derselben Fälligkeit zu erfolgen hat, die bei Fortbestand des Vertrages bestanden hätte. Im vorliegenden Fall stellte dies kein Problem dar, weil bei Erlass des Urteils die Fälligkeit längst eingetreten war. Problematisch dürften aber diejenigen Fälle werden, in denen der Unternehmer weiter auf die Rückzahlung des Darlehens warten muss. Nach Kündigung des Handelsvertretervertrags kann er nämlich die Tilgungsraten nicht mehr mit den Provisionsansprüchen des Handelsvertreters verrechnen, falls der Handelsvertreter mit der Rückzahlung in Rückstand geraten sollte. In der Regel wird der Unternehmer auch nicht daran gedacht haben, sich vom Handelsvertreter Sicherheiten gewähren zu lassen, da er von der Möglichkeit der Verrechnung ausgegangen sein wird. Bei Darlehen eines Prinzipals an einen Handelsvertreter sollte daher künftig auf eine Gewährung von Sicherheiten geachtet werden.


Gesetzgebung und Trends

Einigung über die Beendigung des ungerechtfertigten Geoblockings
(Pressemitteilung der Europäischen Kommission v. 20. November 2017; 
Verordnungsvorschlag der EU-Kommission)

  • Ende November haben sich die Unterhändler des Europäischen Parlaments, der Mitgliedstaaten und der Kommission darauf geeinigt, dass ungerechtfertigtes Geoblocking im Online-Handel verboten wird.
  • Ab Weihnachten 2018 soll für Verbraucher europaweit der Zugang auf dieselbe Online-Schnittstelle gewährleistet werden, damit in ganz Europa beliebige Waren wie Möbel und Spielzeug oder Dienstleistungen wie Hotelübernachtungen zu denselben Preisen, Zahlungs- und Lieferbedingungen bestellt werden können.

Praxistipp: Mit den Regelungen des Verordnungsentwurfs (über den wir bereits im Juli 2016 berichtet haben) soll eine unterschiedliche Behandlung von Verbrauchern aus verschiedenen Mitgliedstaaten insbesondere in folgenden drei Fällen ausgeschlossen werden: 1. Verkauf von Waren ohne materielle Lieferung. (Beispiel: Ein Kunde aus Belgien will einen Kühlschrank kaufen und findet das beste Angebot auf einer deutschen Website. Der Kunde hat Anspruch darauf, das Produkt zu bestellen und beim Händler abzuholen oder die Lieferung zu sich nach Hause selbst zu organisieren.) 2. Verkauf elektronisch bereitgestellter Dienstleistungen. (Beispiel: Eine Verbraucherin aus Bulgarien will Hosting-Dienste für ihre Website von einem spanischen Unternehmen kaufen. Sie wird nun Zugang zu dem Dienst erhalten, kann sich registrieren und zahlt für diesen Dienst nicht mehr als ein spanischer Verbraucher.) 3. Verkauf von Dienstleistungen, die an einem bestimmten Ort bereitgestellt werden. (Beispiel: Eine italienische Familie kann direkt eine Reise zu einem Freizeitpark in Frankreich kaufen, ohne zu einer italienischen Website umgeleitet zu werden.) 
Eine unterschiedliche Behandlung von Verbrauchern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten ist nur noch mittels einer objektiven Rechtfertigung (z. B. aufgrund von MwSt.-Verpflichtungen oder unterschiedlichen gesetzlichen Anforderungen) möglich.
Als Nächstes wird die Verordnung im Amtsblatt der EU veröffentlicht und wird dann aber erst neun Monate später in Kraft treten.

Update Konfliktrohstoffe: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe als nationale Kontrollbehörde benannt 
(Pressemitteilung des BMWi und der BGR vom 12. Dezember 2017)

  • Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) mit Sitz in Hannover wurde offiziell als nationale Behörde für die Kontrolle der Anwendung der EU-Verordnung 2017/821 zur „Festlegung von Pflichten zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten in der Lieferkette von Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erzen und Gold aus Konflikt- und Hochrisikogebieten“ benannt.
  • Die EU-Verordnung ist am 8. Juni 2017 in Kraft getreten, sieht aber eine Übergangsfrist bis 2021 vor. Ab dem 1. Januar 2021 haben die Unternehmen, die jene Erze oder Metalle aus Konflikt- oder Hochrisikogebieten in Mengen oberhalb bestimmter Schwellenwerte in die EU importieren, konkrete Maßnahmen zur Sorgfaltspflicht in ihrer Lieferkette umzusetzen, die den einschlägigen OECD-Leitsätzen entsprechen. Diese beinhalten:
    • die Einrichtung eines Managementsystems, einschließlich eines Beschwerdemechanismus als Risikofrühwarnsystem
    • Risikobewertung in der Lieferkette
    • Einführung einer Risikomanagement-Strategie
    • unabhängige, externe Audits für relevante Stellen der Lieferkette
    • öffentliche Berichterstattung.
  • Die BGR hat angekündigt, bis 2021 die Prüfverfahren zu erarbeiten und unionsweit abzustimmen. Ab 2022 werden dann die ersten Prüfungen der im Vorjahr ergriffenen Sorgfaltsmaßnahmen stattfinden, wobei von der BGR entweder Unterlagen angefordert oder Vor-Ort-Prüfungen durchgeführt werden.

Praxistipp: Innerhalb des Übergangszeitraums sollten die von der EU-Verordnung 2017/821 direkt in die Pflicht genommenen sog. Unionseinführer ihren jeweiligen Anpassungsbedarf ermitteln, die erforderlichen Maßnahmen bis zum 1. Januar 2021 umsetzen und sich auditieren lassen. Aber auch für Unternehmen in der weiteren nachgelagerten Lieferkette können Sorgfaltsanforderungen im Umgang mit Konfliktrohstoffen von Bedeutung sein. So sehen beispielsweise auch die Leitlinien der EU-Kommission für die Berichterstattung über nicht finanzielle Informationen nach der sog. CSR-Richtlinie (2014/95/EU) eine Offenlegung der wesentlichen Informationen zur Sicherstellung einer verantwortungsvollen Lieferkette bei Konfliktrohstoffen vor. Mit Inkrafttreten des CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes am 19. April 2017 sind Berichtspflichten zu nicht finanziellen Informationen für große oder kapitalmarktorientierte Gesellschaften bereits in das HGB eingefügt worden.

Zwei Verordnungsvorschläge betreffend den Warenhandel im Binnenmarkt 
(Verordnungsvorschlag zur Festlegung von Bestimmungen und Verfahren für die Konformität mit und die Durchsetzung von Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union für Produkte und Verordnungsvorschlag über die gegenseitige Anerkennung von Waren, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind)

  • Am 19. Dezember 2017 hat die Europäische Kommission dem Rat und dem Parlament zwei Verordnungsvorschläge zugeleitet, die zusammen den gesamten Warenhandel im Binnenmarkt betreffen.
  • In ihrem Arbeitsprogramm 2017 hat die Kommission im Rahmen des „Waren-Pakets“ eine Initiative zur Stärkung der Konformität der Produkte und zur Durchsetzung der EU-Harmonisierungsvorschriften für Produkte sowie eine Initiative zur gegenseitigen Anerkennung angekündigt. Diese Initiativen sollen das Problem der wachsenden Menge nicht konformer Produkte auf dem EU-Markt angehen, gleichzeitig Anreize für eine bessere Einhaltung der Vorschriften bieten und eine gerechte und gleiche Behandlung gewährleisten. Die Initiativen sollen Anreize für Unternehmen schaffen, Konformitätskontrollen zu intensivieren, und eine engere grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Durchsetzungsbehörden fördern. Erfasst werden 70 Harmonisierungsrechtsakte, die im Anhang des Vorschlags aufgelistet sind. Der Vorschlag sieht insbesondere Regelungen zu Konformitätsinformationen und -erklärungen, zur Zusammenarbeit der Wirtschaftsakteure, zur Organisation und zu den Befugnissen der Marktüberwachung sowie zu Produkten, die von außen auf den Unionsmarkt gelangen, vor.
  • Der Verordnungsvorschlag betreffend die Harmonisierungsrechtsvorschriften enthält Regelungen und Verfahren für die Bereitstellung von Informationen über die Konformität bestimmter Produkte, die den Rechtsvorschriften der Union zur Harmonisierung der Bedingungen ihrer Vermarktung unterliegen. Es wird ein Rahmen für die Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsakteuren dieser Produkte geschaffen. Diese Verordnung soll auch einen Rahmen für die Marktüberwachung solcher Produkte bilden, damit sichergestellt ist, dass diese Produkte Anforderungen für ein hohes Schutzniveau in Bezug auf öffentliche Interessen wie Gesundheit und Sicherheit im Allgemeinen, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, sowie Verbraucher- und Umweltschutz erfüllen. Mit dieser Verordnung soll ferner ein Rahmen für die Kontrolle solcher Produkte geschaffen werden, die auf den Unionsmarkt gelangen.
  • Im Verordnungsvorschlag über die gegenseitige Anerkennung von Waren sind folgende zentrale Regelungen vorgesehen: Artikel 4 sieht eine Erklärung der Hersteller zur gegenseitigen Anerkennung vor, die auf freiwilliger Basis von den Wirtschaftsakteuren zu verwenden ist, um den Nachweis darüber zu erleichtern, dass ein Produkt in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht wurde. Der Artikel legt fest, welche Voraussetzungen für diese Erklärung gelten und stellt klar, dass sie online bereitgestellt werden kann. Artikel 5 legt das Verfahren fest, an das sich die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten halten müssen, wenn sie bewerten, ob Produkte, die in einem anderen Mitgliedstaat bereits rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden, auf der Grundlage des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auch in ihrem Hoheitsgebiet in Verkehr gebracht werden dürfen. Der Anhang enthält ein Standardmuster für die Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung.

Praxistipp: Mit einem Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission wird das ordentliche Gesetzgebungsverfahren initiiert. In den anschließenden Lesungen im Parlament können noch Änderungen erfolgen. Die Vorschläge dienen der Umsetzung und Konkretisierung der Mitteilung der Kommission aus dem Jahr 2015: „Den Binnenmarkt weiter ausbauen: mehr Chancen für die Menschen und die Unternehmen“. Dies war eines der Hauptziele des Arbeitsprogramms der Kommission für 2017 und dürfte deshalb in einer ähnlichen Form auch Geltung erlangen. Der Zeitrahmen ist abhängig von der weiteren Diskussion. In den Vorschlägen selbst ist eine Anwendung der Verordnungen erst ab dem 1. Januar 2020 vorgesehen.

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Jan Helge Mey, LL.M. (McGill)