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Verlustverkäufe werden nur dann unzulässig, wenn sie unlauter sind

Update Deutsch-Spanische Gruppe 12/2020

Dezember 2020

Ende 2018 wurde der allgemeine Charakter des Verbots von Verlustverkäufen durch eine Gesetzesänderung des spanischen Einzelhandelsrechts (LOCM) abgeschafft. Durch die eingeführte Änderung im königlichen Gesetzesdekret 20/2018 hängt die Rechtswidrigkeit dieser Geschäftspraktiken nunmehr von ihrer Unlauterkeit ab, in Übereinstimmung mit dem Verbot von Verlustverkäufen, das bereits im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (LCD) und in der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken festgelegt ist.

Zu Beginn dieses Jahres wurde das Königliche Gesetzesdekret 5/2020 (RD-Ley von 2020) verabschiedet, mit dem bestimmte dringende Maßnahmen im Bereich der Landwirtschaft und Ernährung verabschiedet wurden. Dieses Königliche Gesetzesdekret ändert das Gesetz über die Lebensmittelkette (LCA) und führt (wenn auch tangential) ein Verbot des Verlustverkaufs insofern ein, als es die verschiedenen Akteure der Lieferkette verpflichtet, die Produkte zu einem Preis zu kaufen, der ihren Produktionskosten entspricht oder darüber liegt.

Art. 14.1 LOCM a. F. sah ein generelles Verbot von Verlustverkäufen vor (außer im Falle von Saldobeträgen aus Verkäufen und bei Liquidationsverkäufen). Verlustverkäufe wurden als schwerwiegender Verstoß angesehen und mit einer Geldbuße von bis zu EUR 300.000 geahndet.

Der allgemeine und absolute Charakter des Verbotes sah vor, dass die jeweiligen Behörden direkt sanktionieren konnten, ohne dabei den spezifischen Hintergrund zu bewerten, in dem der Verlustverkauf stattgefunden hatte. Dies bedeutete eine Beweislastumkehr, da das Unternehmen, das einen Verlustverkauf durchgeführt hatte, beweisen musste, dass eine der Ausnahmeregelungen einschlägig war. Der allgemeine Charakter des Verbots implizierte, dass eine Sanktion nicht vermieden werden konnte, selbst wenn nachgewiesen wurde, dass keine Unlauterkeit gemäß Art. 17 LCD vorlag.

Am 19. Oktober 2017 entschied der Europäische Gerichtshof, „dass die Regeln über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern mit der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken vollständig harmonisiert werden und die Mitgliedstaaten, wie dies in Art. 4 der Richtlinie ausdrücklich vorgesehen ist, daher keine strengeren als die in der Richtlinie festgelegten Maßnahmen erlassen dürfen, und zwar auch nicht, um ein höheres Verbraucherschutzniveau zu erreichen“.1

Die spanische Regierung hat deshalb das königliche Gesetzesdekret Ende 2018 veröffentlicht, um das spanische Einzelhandelsrecht der Richtlinie und dem Europamur-Urteil entsprechend anzupassen. 

Der neue Art. 14 LOCM ermöglicht Verlustverkäufe, sofern diese nicht unlauter sind, und zählt abschließend die vier Ausnahmefälle auf, bei denen ein Verlustverkauf unlauter (und damit strafbar) ist. Die ersten drei Ausnahmen betreffen die konkreten Konstellationen, in denen der Verlustverkauf (i) die Verbraucher bezüglich des Preisniveaus anderer Waren irreführt, (ii) das Image der Ware oder eines anderen Betriebs schädigt oder (iii) zur Verdrängung eines Wettbewerbers vom Markt dient. Der vierte Ausnahmefall greift bei Verlustverkäufen, bei denen (iv) als Teil einer Geschäftspraxis mit falschen Informationen zum Preis bzw. zur Art der Preisberechnung oder zum Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils der Normalverbraucher zu einem Kauf, den er ansonsten nicht getätigt hätte, verleitet wird oder jedenfalls verleitet werden könnte. Die ersten drei Ausnahmeregelungen entsprechen denen des Art. 17.2 LCD.

Somit ist die wichtigste Änderung des königlichen Gesetzesdekrets von 2018 die Abschaffung des allgemeinen Charakters des Verbots von Verlustverkäufen.

Die spanische Regierung hat sich für eine Doppelregelung im LOCM und im LCD entschieden, das heißt, die Behörden bewahren weiterhin ihre Kompetenz, Verlustverkäufe zu verfolgen und Geldbußen zu verhängen, wenn sie denn die Unlauterkeit nachweisen können. Der von den Behörden angewandte Rechtsstandard sollte vergleichbar sein mit dem der Handelsgerichte, wenn dort eine Verletzung des Art. 17 LCD zwischen Einzelpersonen geltend gemacht wird.

Jedenfalls gibt es neben der Doppelregelung nun auch das LCA (modifiziert durch die RDL von 2020), das für jeden Unternehmer in der Lieferkette die Verpflichtung einführt, mindestens die Produktionskosten des Produkts an den unmittelbar vorausgehenden Unternehmer zu zahlen. Zu diesem Zweck sieht das LCA vor, dass der Wertverlust in der Lieferkette durch den Einkauf eines Produkts unter dem Wert der Produktionskosten einen schweren Verstoß darstellt, der von den Behörden mit Geldstrafen von bis zu EUR 100.000 geahndet werden kann. 

Die Anwendung der neuen Regelung, ihre Auswirkungen und ihre Wirkung in Koexistenz mit den bereits bestehenden Regelungen in der LCD und LOCM bleiben abzuwarten.

1 EuGH (Fünfte Kammer), Urt. v. 19. Oktober 2017 – C-295/16 (Europamur Alimentación SA/Dirección General de Comercio y Protección del Consumidor de la Comunidad Autónoma de la Región de Murcia), Rn. 39.

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