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Wohnsitzverlegung ins Ausland

Überblick zur Wegzugbesteuerung

Worum geht es?

Der Wegzug bzw. die Aufgabe des Wohnsitzes / gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland oder auch bereits die Verlegung des Lebensmittelpunkts in das Ausland kann zu einer fiktiven Veräußerung für im Privatvermögen gehaltene Anteile an Kapitalgesellschaften führen. Im Zeitpunkt des Wegzugs vorhandene stille Reserven müssen aufgedeckt und versteuert werden – und das ohne jeglichen Liquiditätszufluss! Auch bei Schenkung an einen Erwerber im Ausland sowie bei einer Erbschaft wird der „Wegzug der Kapitalgesellschaftsanteile“ besteuert – unabhängig von einer ggf. anfallenden Schenkung- und Erbschaftsteuer.

Wohnsitzverlegung ins Ausland - Verschärfung der Wegzugsbesteuerung

Stundung und Ratenzahlung nur auf Antrag und gegen Sicherheitsleistung möglich

Die sich durch die Wegzugsteuer ergebende Steuerbelastung ist in der Regel sofort fällig, wobei die tatsächliche Besteuerung erst nach Veranlagung zur Einkommensteuer erfolgt. Nur auf Antrag kann die festgesetzte Steuer in sieben gleichen Jahresraten (zinslos) entrichtet werden. Allerdings wird eine Stundung in der Regel nur gegen eine Sicherheitsleistung gewährt. Dies kann zu gewissen Hürden führen, da die Höhe der Sicherheitsleistung im Einzelfall von der Finanzverwaltung festgelegt werden kann und die betroffenen Anteile selbst nicht als Sicherheit akzeptiert werden.

Wie ermittelt sich der Wert?

Für die Ermittlung des Steuerrisikos oder einer möglichen Steuerbelastung muss der maßgebliche Wert, d.h. die in den Anteilen der Kapitalgesellschaft befindlichen stillen Reserven, ermittelt werden. Hierzu stellt das Bewertungsgesetz auf den gemeinen Wert der Anteile ab, der als Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre, definiert wird. 

Der gemeine Wert ist vorrangig aus Börsenkursen oder – bei fehlender Notierung – aus Verkäufen unter fremden Dritten abzuleiten (auch Kapitalerhöhungen können dabei relevant sein). Nachrangig sind die steuerlichen Bewertungsverfahren heranzuziehen, die nach Auffassung der Finanzverwaltung auch für Zwecke der Wegzugsteuer zugelassen sind.

Ertragswert

Das vereinfachte Ertragswertverfahren orientiert sich an dem durchschnittlichen (für steuerliche Zwecke modifizierten) Jahresertrag der vergangenen drei Jahre, der mit einem Kapitalisierungsfaktor (derzeit 13,75) multipliziert wird. Betriebsgrundstücke, nicht betriebsnotwendiges Vermögen und Anteile an anderen Personen- oder Kapitalgesellschaften werden dabei gesondert mit deren gemeinen Werten bewertet und angesetzt.

Substanzwert

Die Summe aller positiven und negativen Wirtschaftsgüter zu gemeinen Werten (Substanzwertverfahren) stellt die Bewertungsuntergrenze dar. Ist der Substanzwert also höher als der Ertragswert, ist dieser anzusetzen.

Nachlaufende zu beachtende Fristen 

Die Stundung entfällt, wenn eine Jahresrate nicht fristgerecht beglichen wird, bestimmte Mitwirkungspflichten nicht erfüllt werden, der Wegzügler selbst Insolvenz anmeldet, die betroffenen Anteile veräußert oder übertragen werden oder übermäßige Gewinnausschüttungen oder Kapitalrückzahlungen (mehr als 25% des gemeinen Werts der Anteile) vorgenommen werden.

Erleichterung durch Rückkehroption

Bei einer nur vorübergehenden Abwesenheit und einer Rückkehr innerhalb von sieben Jahren entfällt der Steueranspruch rückwirkend. Voraussetzung hierfür ist, dass die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht auf einer nur vorübergehenden Abwesenheit beruht. Auf Antrag kann die Rückkehrregelung für einen Zeitraum von weiteren fünf Jahren in Anspruch genommen werden. 
Ebenfalls kann auf Antrag auf die Erhebung in Jahresraten verzichtet werden. Für einen Zeitraum von maximal zwölf Jahren müssen die Jahresraten damit nicht entrichtet werden.

 

Die Rückkehrregelung ist aber an bestimmte Voraussetzungen geknüpft:

  1. Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht
    Die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland muss wieder begründet werden. Dies bedeutet, dass ein Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland begründet werden muss. 
  2. Ausschluss des Besteuerungsrechts
    Nach dem aktuellen Gesetzeswortlaut kann die Rückkehrregelung nur bei "echten" Wegzügen zur Anwendung kommen. Das Besteuerungsrecht Deutschlands muss ausgeschlossen worden sein. Wurde das Besteuerungsrecht lediglich beschränkt, kann die Rückkehrregelung nicht in Anspruch genommen werden. Potenziell kritische Fälle können sich damit (aber nicht ausschließlich und nicht in allen Fällen) bei Doppelwohnsitzen ergeben.
  3. Keine schädlichen Verfügungen während der Abwesenheit
    Innerhalb des Zeitraums der vorrübergehenden Abwesenheit sind nachlaufende Fristen zu beachten. Werden während der Abwesenheit die Anteile veräußert, übertragen oder in ein Betriebsvermögen eingelegt, wird die Wegzugsteuer sofort fällig. Auch dürfen keine Gewinnausschüttungen oder Kapitalrückzahlungen von insgesamt mehr als 25% des gemeinen Werts der Anteile erfolgen. 
  4. Erneute Begründung des Besteuerungsrechts bei Rückkehr
    Das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Veräußerung der Anteile muss mindestens in gleichem Umfang wieder begründet werden, wie es zum Zeitpunkt des Wegzugs der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht bestanden hat. Insbesondere ist dabei auf Einschränkungen, die sich aus einem Doppelbesteuerungsabkommen oder einer Steueranrechnung ergeben können, zu achten.

Doppelbesteuerung trotz Inanspruchnahme der Rückkehrregelung?

Bei Inanspruchnahme der Rückkehrregelung entfällt die ursprünglich festgesetzte Wegzugsteuer in Deutschland. Jedoch kann sich im ausländischen Staat eine Wegzugsteuer ergeben. Eine Doppelbesteuerung bei einer späteren Veräußerung kann dennoch eintreten, sofern Wertsteigerungen während der Abwesenheit im Ausland besteuert werden und kein besonderer Schutz aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens besteht (bspw. weil kein Abkommen vorhanden ist oder das Abkommen keine speziellen Regelungen für diesen Fall vorsieht). 

Verzinsungsrisiko bei Rückkehrregelung

Erfolgt entgegen der Annahme tatsächlich keine Rückkehr nach Deutschland oder entfällt die Rückkehrabsicht, so werden Nachzahlungszinsen für die Dauer des gewährten Zahlungsaufschubs nacherhoben und die Steuer sofort in voller Höhe fällig. Bei Inanspruchnahme der Rückkehrregelung und Aussetzung der Ratenzahlung verbleibt damit ein Verzinsungsrisiko.

Mitwirkungspflichten beachten

Der betroffene Wegzügler muss jährlich bis zum 31.07. seine aktuelle Anschrift dem Finanzamt mitteilen und bestätigen, dass ihm die Anteile weiterhin zuzurechnen sind, also bspw. keine Veräußerung oder Weiterübertragung stattgefunden hat. Ein Verstoß gegen die Meldepflicht führt dazu, dass die noch nicht entrichtete oder gestundete Steuer sofort fällig wird. Ebenfalls muss ein Verstoß gegen die nachlaufenden Fristen innerhalb von einem Monat nach Eintritt des Ereignisses dem Finanzamt mitgeteilt werden.

Besonderheiten bei Holding(kapital)gesellschaften

Oftmals sind von der Wegzugsteuer auch Holdinggesellschaften betroffen, in deren Vermögen sich weitere Beteiligungen und übriges Vermögen, wie bspw. Immobilien oder Wertpapiere, befinden. Zu beachten in diesen Konstellationen ist insbesondere, dass sich durch den Wegzug des Gesellschafters faktisch auch der Verwaltungssitz der Holdinggesellschaft verlegen kann, was zu erheblichen gesellschaftsrechtlichen und steuerlichen Auswirkungen führen kann. 

Vorsicht bei Beteiligungen im steuerlichen Betriebsvermögen

Auch wenn Beteiligungen an Kapitalgesellschaften im steuerlichen Betriebsvermögen gehalten werden, kann der Wegzug ins Ausland Steuern auslösen. Betroffen sind insbesondere Beteiligungen im Vermögen einer gewerblich geprägten Holdingpersonengesellschaft, die selbst keine gewerbliche Tätigkeit ausübt und der die Anteile funktional nicht zugerechnet werden können. Auch in diesen Fällen geht infolge des Wegzugs regelmäßig das Besteuerungsrecht Deutschlands an den Anteilen verloren, was einen fiktiven Entnahmetatbestand auslöst und zu einer erheblichen Steuerbelastung führen kann.

Im Einzelfall können Gestaltungen sinnvoll sein

Abhängig von der individuellen Situation sind Gestaltungen möglich, um das Auslösen einer Wegzugsteuer zu vermeiden. Neben dem Formwechsel der Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft kann bspw. eine Einbringung der Anteile in eine Stiftung oder in eine geschäftsleitende Holdingpersonengesellschaft in Betracht kommen. Allerdings muss dabei stets eine Abwägung der Vor- und Nachteile sowie der Kosten und Komplexität erfolgen. Gerne unterstützen wir Sie bei der Entscheidungsfindung und einer vorherigen Abstimmung mit der Finanzverwaltung. 

Unsere Tax & Private Clients Experten unterstützen Sie dabei in allen Fragen vor Ort sowie international. Sprechen Sie uns gerne an!

Hauptansprechpartner

Hans Christian Blum
Partner
Rechtsanwalt | Fachanwalt für Erbrecht | Co-Head of the CMS Private Clients Group
Stuttgart
T +49 711 9764 555
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Partner
Rechtsanwalt | Fachanwalt für Erbrecht | Leiter Private Clients, CMS Deutschland
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Dr. Björn Demuth
Partner
Rechtsanwalt, Steuerberater | Fachanwalt für Steuerrecht
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Wohnsitzverlegung ins Ausland - Verschärfung der Wegzugsbesteuerung
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Wohnsitzverlegung ins Ausland
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