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Cannabis und Lebensmittel – ein Statusbericht zu CBD, THC und Novel Food

Update Gewerblicher Rechtsschutz & Kartellrecht 06/2020

Juni 2020

Wenn es um cannabishaltige Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel geht, mag ein Blick auf das verfügbare Angebot den Eindruck hervorrufen, dass der Vertrieb dieser Produkte kaum rechtlichen Bedenken begegnet; das Sortiment reicht von Schokolade über Limonade bis zu Grillsaucen. Tatsächlich bestehen aber nach wie vor große rechtliche Unsicherheiten hinsichtlich der Verkehrsfähigkeit dieser Waren. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass sich die EU insbesondere zu Produkten, die Cannabidiol (CBD) enthalten, bislang nicht eindeutig positioniert. Einige neue Urteile bringen nun zumindest für den deutschen Markt Licht ins Dunkel.

Lebensmittel mit CBD

Im Mittelpunkt der derzeit geführten Diskussionen um cannabishaltige Lebensmittel stehen Lebensmittel, die das Cannabinoid CBD enthalten. Dieses wirkt – im Gegensatz zu THC – nicht psychoaktiv, ihm wird aber eine entkrampfende, angstlösende und entzündungshemmende Wirkung nachgesagt. Soweit ein Lebensmittel CBD, aber kein THC enthält, steht im Fokus seiner rechtlichen Beurteilung nicht etwa das Betäubungsmittelrecht, sondern das Lebensmittelrecht.

Ob ein CBD-haltiges Lebensmittel verkehrsfähig ist, hängt insbesondere von der Frage ab, ob es sich um ein sog. Novel Food, also ein neuartiges Lebensmittel im Sinne der europäischen Novel-Food-Verordnung (EU 2015/2283), handelt. 

Für die Beurteilung der Neuartigkeit hat der Lebensmittelunternehmer zu klären, ob sein Lebensmittel bereits vor dem 15. Mai 1997 in nennenswertem Umfang in der EU für den menschlichen Verzehr verwendet wurde (Art. 3 Abs. 2 lit. a, Art. 4 Abs. 1, 2 Novel-Food-Verordnung). Orientierungshilfe bei der Bestimmung der Neuartigkeit leistet der sog. Novel-Food-Katalog der EU-Kommission, in dem für bestimmte Lebensmittel(gruppen) Hinweise zur Bestimmung der Neuartigkeit angeführt werden.

Endet diese Prüfung mit dem Ergebnis, dass es sich tatsächlich um ein neuartiges Lebensmittel handelt, darf es innerhalb der EU nur in Verkehr gebracht werden, wenn es in einem (langwierigen) Verfahren von der EU-Kommission zugelassen wurde. Vor diesem Hintergrund liegt es im Interesse jedes Produzenten und Händlers, frühzeitig zu verifizieren, ob die eigenen Produkte als neuartig zu qualifizieren sind oder nicht.

Neuartigkeit von CBD

Im Zusammenhang mit CBD-haltigen Lebensmitteln stellt sich die Frage, ob diese neuartig und damit zulassungsbedürftig sind – eine solche Zulassung existiert nämlich bislang jedenfalls nicht. Obwohl bereits zahlreiche CBD-haltige Produkte innerhalb der EU vermarktet werden, ist diese Frage nach wie vor nicht abschließend geklärt.

Wesentlicher Streitpunkt der Diskussionen ist die Auslegung des besagten Novel-Food-Katalogs. Dort finden sich zwei Einträge zu Cannabis. Einerseits wird unter dem Titel „Cannabis sativa L.“ festgestellt, dass „einige Produkte, die aus der Cannabis sativa-Pflanze oder Pflanzenteilen gewonnen werden, wie Hanfsamen, Hanfsamenöle, Hanfsamenmehl, entfettete Hanfsamen“, nicht neuartig seien. Andererseits heißt es unter der Überschrift „Cannabinoids“, dass „Extrakte von Cannabis sativa L. und daraus abgeleitete Produkte, die Cannabinoide enthalten, als neuartige Lebensmittel“ zu qualifizieren sind.

Vertreter der hanfverarbeitenden Industrie schließen aus diesen Einträgen, dass zumindest ein Großteil von CBD-Produkten nicht neuartig und daher verkehrsfähig sei. So vertritt etwa die European Industrial Hemp Association (EIHA) die Meinung, dass sich der letztgenannte Eintrag zu Cannabinoiden nur auf solche Produkte beziehe, deren CBD-Gehalt im Vergleich zur CBD-Menge, die sich natürlicherweise in der Hanfpflanze befinde, höher sei. Danach wären alle CBD-Produkte mit einer an den natürlichen Gehalt angepassten CBD-Menge ohne Weiteres verkehrsfähig.

Zu einem anderen Ergebnis kommt das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL): Zumindest CBD-haltige Hanfextrakte und jedes mit solchen Extrakten versetzte Lebensmittel seien nach dem zweitgenannten Katalogeintrag neuartig. Dazu zähle etwa auch Hanfsamenöl mit CBD.

Neue deutsche Rechtsprechung

In einigen jüngeren Entscheidungen haben sich nun auch mehrere deutsche Verwaltungsgerichte zu der umstrittenen Einordnung geäußert. Im Ergebnis gehen diese mit Blick auf CBD-haltige Extrakte und damit versetzte Lebensmittel von einer Neuartigkeit aus. Dies gilt ausdrücklich auch für mit solchen Extrakten angereicherte Hanfsamenöle – und das obwohl Hanfsamenöle (neben Hanfsamen etc.) im Novel-Food-Katalog als Beispiel für nicht-neuartige Lebensmittel angeführt werden (s. o.). Nach Ansicht der Gerichte führt offensichtlich allein die Anreicherung mit CBD zur Neuartigkeit des Endprodukts. Im Ergebnis wird mit diesen Urteilen für eine Vielzahl von CBD-haltigen Lebensmitteln die Verkehrsfähigkeit in Frage gestellt.

Anhängiges Verfahren zur Zulassung von CBD

Damit ist indes für CBD-Produkte und deren Vermarktung das letzte Wort noch nicht gesprochen. Denn auch wenn derzeit außerordentliche Risiken für die Vermarktung solcher Produkte bestehen, lässt ein Blick nach Brüssel hoffen: Dort ist seit mehreren Jahren ein Novel-Food-Zulassungsverfahren zu CBD anhängig. Eine Entscheidung der Europäischen Kommission steht wohl kurz bevor. Hiermit würde sich die Frage nach der Neuartigkeit vieler CBD-Produkte abschließend klären lassen. Im Falle einer positiven Zulassungsentscheidung wäre – trotz der vorgenannten Diskussionen und Urteile – die Verkehrsfähigkeit vieler CBD-Produkte schlagartig zu bejahen.

Weitere Ausnahmen?

Doch auch ohne Zulassungsentscheidung aus Brüssel sollte man CBD-haltige Lebensmittel nicht gänzlich abschreiben. Denn zumindest für CBD, das nicht im Wege einer Extraktion gewonnen wurde, sondern natürlicherweise in einer Lebensmittelzutat enthalten ist (z. B. Teemischung mit Hanfblättern), gelten die vorgenannten Entscheidungen nicht zwingend. Lässt sich im Einzelfall eine Verwendungsgeschichte vor 1997 nachweisen, ist das Lebensmittel verkehrsfähig. Insofern erweisen sich die Äußerungen des BVL, wonach Lebensmittel mit CBD generell nicht verkehrsfähig sind, zumindest als unpräzise.

Lebensmittel ohne CBD

Auch für cannabishaltige Lebensmittel ohne CBD ist die Neuartigkeit und Verkehrsfähigkeit im Einzelfall zu überprüfen. Eine grobe Orientierung bieten hierbei folgende Grundsätze:

  • Für THC-haltige Lebensmittel gelten besondere Voraussetzungen. Sie müssen nicht nur die Hürden der Novel-Food-Verordnung nehmen, sondern können auch dem Betäubungsmittelrecht unterfallen. Als Orientierungssatz lässt sich festhalten, dass zumindest bei der Verwendung von Zutaten mit einem THC-Gehalt über 0,2 % die Verkehrsfähigkeit zu verneinen ist.
  • Für Lebensmittel, die kein CBD, aber andere Cannabinoide enthalten, gilt das zu CBD Ausgeführte entsprechend: Bei zugesetzten Extrakten ist damit zu rechnen, dass Behörden und Gerichte eine Verkehrsfähigkeit verneinen. Bei einem natürlichen Vorkommen in Pflanzenteilen, die dem Lebensmittel zugesetzt werden, kann Abweichendes gelten.
  • Als weniger problematisch erweist sich demgegenüber die Verwendung von Hanfsamen, Hanfsamenöl, Hanfsamenmehl und entfetteten Hanfsamen, sofern sie keine Cannabinoide enthalten. Doch auch hier kommt es letztlich auf die konkrete Zusammensetzung des Lebensmittels an.

Fazit und Handlungsempfehlungen

Angesichts der zahlreichen Unwägbarkeiten im Zusammenhang mit cannabishaltigen Lebensmitteln sollten Produzenten und Händler stets eine produktspezifische Prüfung der Verkehrsfähigkeit ihrer Ware vornehmen. Denn bei Inverkehrbringen eines neuartigen, nicht zugelassenen Lebensmittels (wozu nach derzeitigem Stand ein Großteil der CBD-Produkte zählt) droht ein behördliches Vorgehen mit empfindlichen Bußgeldern.

Insbesondere im Rahmen der Produktentwicklung können im Wege einer frühzeitigen Überprüfung von Zusammensetzung und Zutaten die richtigen Weichen gestellt und kostenintensive Rückrufe, Produktbeschlagnahmen oder Prozesse vermieden werden.

Bei Lebensmitteln, die bereits Gegenstand von Gerichts- oder Behördenverfahren sind, kommt es regelmäßig auf die Nachweisbarkeit einer Verwendungsgeschichte des Produkts an. Auch für CBD-Produkte, für die nach der Rechtsprechung weniger gute Chancen bestehen, kann durch den Nachweis einer solchen Verwendungsgeschichte im Einzelfall auf eine positive Entscheidung hingewirkt werden.

Eine ausführliche rechtliche Untersuchung zur Verkehrsfähigkeit cannabishaltiger Lebensmittel finden Sie in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht (ZLR): Kiefer, Die Verkehrsfähigkeit hanfhaltiger Lebensmittel, ZLR 2020, S. 158 – 170.

Dieser Artikel ist Teil des Update Gewerblicher Rechtsschutz und Kartellrecht, welches Sie hier abonnieren können.

Autoren

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Dr. Heike Blank
Partnerin
Köln
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Dr. Jonas Kiefer
Senior Associate
Köln
Simon Biermann