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Betriebsrentenstärkungsgesetz kommt – mit Folgen für alle Arbeitgeber

Arbeitsrecht – schnell notiert …

Dezember 2017

Das Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung ("Betriebsrentenstärkungsgesetz") tritt mit Wirkung ab dem 01.01.2018 in Kraft. Insbesondere durch die Einführung der sog. "reinen Beitragszusage" hat der Gesetzgeber für einen Systemwandel in der betrieblichen Altersversorgung gesorgt, der den deutschen Markt – so die Hoffnung – näher an die insbesondere aus dem angelsächsischen Raum bekannten Defined Contribution Systeme heranrücken wird. In der Praxis wird sich die "reine Beitragszusage" allerdings erst noch bewähren müssen, wenn die hierfür erforderlichen tariflichen Grundlagen geschaffen wurden. Nicht übersehen werden darf allerdings, dass bereits ab dem 01.01.2018 auch für die "althergebrachten Formen" der betrieblichen Altersversorgung zahlreiche gesetzliche Neuerungen gelten, die die meisten Arbeitgeber betreffen werden.

Über die wichtigsten Änderungen des Betriebsrentenstärkungsgesetzes informieren wir Sie im Folgenden und zeigen auf, wo bereits heute Handlungsbedarf besteht.

1. Einführung eines verpflichtenden Arbeitgeberzuschusses für die Entgeltumwandlung

Eine zentrale Änderung ist die Einführung des Arbeitgeberzuschusses im Rahmen der Entgeltumwandlung. In dem erst kurz vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens neu eingefügten § 1a Abs. 1a BetrAVG n.F. heißt es hierzu:

"Der Arbeitgeber muss 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an den Pensionsfonds, die Pensionskasse oder die Direktversicherung weiterleiten, soweit er durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge erspart." Damit wurde ein verpflichtender Arbeitgeberzuschuss eingeführt, der nicht nur die neue reine Beitragszusage (§ 23 Abs. 2 BetrAVG n.F.) sondern alle Arbeitgeber trifft, deren Arbeitnehmer ihren gesetzlichen Anspruch auf Entgeltumwandlung ausüben und bei denen die Entgeltumwandlung in den Durchführungswegen Pensionsfonds, Pensionskasse oder Direktversicherung erfolgt. Ein solcher Arbeitgeberzuschuss muss nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers dagegen nicht gezahlt werden, wenn die Entgeltumwandlung in eine Unterstützungskasse oder gar über den Durchführungsweg der Direktzusage erfolgt.

Der Arbeitgeberzuschuss ist zu zahlen, soweit der Arbeitgeber durch die Entgeltumwandlung tatsächlich Sozialversicherungsbeiträge erspart. Werden dagegen keine Sozialversicherungsbeiträge erspart, weil bspw. ausschließlich Entgelt oberhalb der Beitragsbemessungsgrenzen umgewandelt wird, schuldet der Arbeitgeber den Arbeitgeberzuschuss nicht. In der Praxis kann die Ermittlung der exakten Ersparnis an Sozialversicherungsbeiträgen mitunter schwierig sein, so dass die Berechnung des Arbeitgeberzuschusses einen gewissen Aufwand mit sich bringen kann. Zudem ist bislang noch völlig unklar, ob etwa auch Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung in die Ermittlung einer etwaigen Sozialversicherungsersparnis einzubeziehen ist. Das ist einer der Gründe dafür, warum die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e.V. den Gesetzgeber bereits völlig zu Recht zur Nachbesserung aufgefordert hat.

Der Arbeitgeberzuschuss ist ein Bestandteil des durch Entgeltumwandlung finanzierten Beitrags des Arbeitnehmers. Er teilt das Schicksal der Entgeltumwandlung und ist insbesondere sofort unverfallbar. Allerdings sind noch einige Fragen hinsichtlich des Arbeitgeberzuschusses offen und ungeklärt. Offen ist etwa, ob und inwieweit bislang zugesagte Arbeitgeberzuschüsse zur Entgeltumwandlung auf den künftigen gesetzlichen Pflichtzuschuss angerechnet werden können oder nicht. Dies wird noch zu klären sein.

Der Arbeitgeberzuschuss trifft grundsätzlich alle Arbeitgeber. Dabei gilt die Pflicht zur Zahlung des Arbeitgeberzuschusses für Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die nach dem 01.01.2019 geschlossen werden, sofort. Für Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die noch vor dem 01.01.2019 abgeschlossen werden, gilt eine dreijährige Übergangsfrist. Der Arbeitgeberzuschuss ist dann erst ab dem 01.01.2022 gesetzlich geschuldet. Allerdings ist zu erwarten, dass die Arbeitnehmervertreter auch für diese Personengruppe unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz bereits beginnend ab dem 01.01.2019 die Zahlung des Arbeitgeberzuschusses verlangen werden.

2. Einführung der reinen Beitragszusage – Vorrang der Tarifparteien

Durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz wird erstmals eine reine Beitragszusage eingeführt. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber keine bestimmte oder bestimmbare Versorgungsleistung zusagt, sondern sich gegenüber dem Arbeitnehmer lediglich verpflichtet, bestimmte Beiträge an einen externen Versorgungsträger zu zahlen. Es wird keine bestimmte (Mindest-)Höhe der späteren Versorgungsleistung garantiert ("Garantieverbot"). Die spätere Rente kann vielmehr auch während des Rentenbezugs in Abhängigkeit von der Performance des Kapitalmarktes vom Versorgungsträger herauf- oder herabgesetzt werden. Die Pflicht des Arbeitgebers endet mit der ordnungsgemäßen Beitragszahlung ("pay and forget").

Als Durchführungswege für eine reine Beitragszusage stehen nur die Direktversicherung, der Pensionsfonds und die Pensionskasse zur Verfügung; eine Durchführung als Direktzusage oder über eine Unterstützungskasse ist nicht möglich. Anwartschaften aus einer reinen Beitragszusage werden zudem stets sofort unverfallbar sein, unabhängig davon, ob sie auf Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerbeiträgen beruhen. Im Fall einer durch Entgeltumwandlung finanzierten reinen Beitragszusage ist der Arbeitgeber künftig ebenfalls verpflichtet, 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an die Versorgungseinrichtung weiterzuleiten, soweit er durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge erspart.

Die Ausgestaltung der reinen Beitragszusage hat der Gesetzgeber den Tarifparteien vorbehalten (sog. Sozialpartnermodell). Die reine Beitragszusage kann nur durch Tarifvertrag, durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung auf Grundlage eines Tarifvertrags oder durch Inbezugnahme eines einschlägigen Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung oder im Arbeitsvertrag eingeführt werden. Es bedarf stets einer tariflichen Grundlage für die reine Beitragszusage. Daher dürfte noch einige Zeit vergehen, bis die reine Beitragszusage tatsächlich in der Praxis erprobt wird. Grund ist, dass die Tarifvertragsparteien erst die entsprechenden Tarifverträge verhandeln und abschließen müssen.

3. Einführung eines "Opting out"-Modells für die Entgeltumwandlung

Eine weitere Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung soll auch durch das künftig mögliche "Opting out" bei der Entgeltumwandlung erreicht werden. Künftig kann in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung geregelt werden, dass der Arbeitgeber eine für Arbeitnehmer verpflichtende Entgeltumwandlung einführt. Um an einer solchen Entgeltumwandlung nicht teilzunehmen, müsste der Arbeitnehmer innerhalb einer bestimmten Frist widersprechen ("Opting out"). Die Hoffnung des Gesetzgebers ist, dass zahlreiche Arbeitnehmer bei einem solchen System nicht widersprechen und so die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung zunimmt.

4. Steuerrechtliche Änderungen durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz

Bislang kann ein Arbeitnehmer jährlich bis zu 4 % der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung steuer- und sozialversicherungsfrei in eine Betriebsrente einzahlen (sog. "Förderrahmen").

Mit Inkrafttreten des Betriebsrentenstärkungsgesetzes wird der Förderrahmen von 4 % auf 8 % der Beitragsbemessungsgrenze erweitert (§ 3 Nr. 63 EStG n.F.). Der zusätzliche Steuerfreibetrag von EUR 1.800 pro Jahr entfällt dagegen. Dagegen bleibt die Sozialversicherungsfreiheit der Beiträge weiterhin auf 4 % der Beitragsbemessungsgrenze begrenzt.

Zusätzlich wird die betriebliche Altersversorgung bei Arbeitnehmern mit geringem Einkommen (maximal EUR 2.200 brutto monatlich) staatlich gefördert. Für Arbeitgeber, die solchen Arbeitnehmern einen Zuschuss zu deren betrieblicher Altersversorgung in Höhe von EUR 240 bis EUR 480 im Jahr zahlen, reduziert sich die einzubehaltende Lohnsteuer um 30 % des zusätzlichen Arbeitgeberbeitrags, höchstens jedoch um EUR 144.

Die vorstehenden Neuerungen enthalten allerdings bereits heute erhebliche Webfehler, die insbesondere einem erfolgreichen Start der reinen Beitragszusage zunächst im Wege stehen könnten. So soll eine steuerliche Förderung nach dem Wortlaut der §§ 3 Nr. 63, 100 EStG n.F. nur in Betracht kommen, wenn die Versorgungsleistungen unter Beachtung der Vorgaben des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes (AltZertG) zur Auszahlung kommen. Diese Norm schreibt aber gerade steigende oder jedenfalls gleichbleibende Leistungen während der Auszahlungsphase vor. Eine Voraussetzung, die die reine Beitragszusage schon per definitionem nicht erfüllen kann, weil die Leistungen hier zwingend ge-enkt werden müssen, wenn ein Kapitaldeckungsgrad von 100 % unterschritten wird. Nach dem derzeitigen Gesetzeswortlaut wären Beiträge zu einer reinen Betragszusage somit weder steuerfrei (nach § 3 Nr. 63 EStG) noch förderfähig (nach § 100 EStG n.F.). Eine Folge, die der Gesetzgeber sicherlich nicht beabsichtigt hat und die deshalb noch einer Klarstellung bedarf.

5. Sozialversicherungsrechtliche Neuerungen durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz

Sozialrechtlich wird die Förderung von kleinen Einkommen durch die Besserstellung bei der Grundsicherung im Alter flankiert. Eine freiwillige Zusatzrente bis EUR 202 monatlich wird nicht (mehr) auf die Grundsicherung im Alter angerechnet. Hierdurch soll der Aufbau einer zusätzlichen betrieblichen Altersversorgung auch belohnt werden, wenn die gesetzliche Rente nach Renteneintritt nicht ausreicht und vom Staat durch die Grundsicherung aufgestockt werden muss.

Änderungen gibt es für Arbeitnehmer auch bei der Riester-Förderung in der betrieblichen Altersversorgung. Für Riester-Verträge in der betrieblichen Altersversorgung müssen ab dem 01.01.2018 in der Rentenphase keine Sozialversicherungsbeiträge auf die Leistungen mehr gezahlt werden. Zusätzlich wird die staatliche "Riester-Zulage" von EUR 154 auf EUR 175 jährlich erhöht.

6. Ausblick

Ob es dem Gesetzgeber durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz tatsächlich gelungen ist, die Betriebsrente wie beabsichtigt zu stärken und für deren weitere Verbreitung zu sorgen, muss die Zukunft zeigen. Arbeitgeber sollten sich jedoch frühzeitig mit den Änderungen durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz vertraut machen. Durch den verpflichtenden Arbeitgeberzuschuss bei der Entgeltumwandlung hat der Gesetzgeber die betriebliche Altersversorgung nochmals komplexer gemacht und die Arbeitgeber belastet. Etwa müssen die internen Prozesse auf den ab 01.01.2019 geltenden verpflichtenden Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung angepasst werden.

Bei Fragen zum Betriebsrentenstärkungsgesetz oder zur betrieblichen Altersversorgung im Allgemeinen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

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Dr. Andreas Hofelich
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Dr. Michael Rein
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