Home / Veröffentlichungen / Auf dem Weg zu einem „freien“ Ersatzteilmarkt...

Auf dem Weg zu einem „freien“ Ersatzteilmarkt – die Reparaturklausel im Designgesetz kommt

Update Gewerblicher Rechtsschutz & Kartellrecht 11/2020

November 2020

Das vom Bundestag am 10. September 2020 beschlossene Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs soll – neben der Eindämmung des Abmahnmissbrauchs – den Wettbewerb auf dem Markt für Ersatzteile, insbesondere im Bereich der Autoindustrie, liberalisieren. Zu diesem Zweck sieht es die Einführung einer sog. Reparaturklausel in § 40 a DesignG vor. Die Klausel bezweckt, den Designschutz für sichtbare Ersatzteile insoweit entfallen zu lassen, als diese für Reparaturzwecke verwendet werden.

Relevanz der Reparaturklausel

Seit über 20 Jahren ist die rechtspolitische Frage, ob und inwieweit Designrechte an der Gestaltung von Teilen komplexer Erzeugnisse begründet und durchgesetzt werden können, Gegenstand heftiger Debatten und wird in den Mitgliedsstaaten der EU unterschiedlich beantwortet. Besonders virulent für den Verbraucher ist dieser Aspekt bei formgebundenen (sog. „must-match“) Teilen komplexer Erzeugnisse. Gemeint sind hiermit Teile, die in ein komplexes Erzeugnis eingebaut sind, wie etwa die Motorhaube eines Autos. Dabei bedeutet formgebunden, dass das Ersatzteil faktisch die gleiche Form aufweisen muss wie das Originalteil. Bei Motorhauben ist dies evident, da die ganz überwiegende Zahl der Verbraucher ein von der Originalform abweichendes Ersatzteil nicht akzeptieren würde. Ohne die Schutzausnahme ist der jeweilige Verbraucher im Schadensfalle auf den Originalhersteller angewiesen, da er eine passende Motorhaube nur beim Hersteller erwerben kann. Anders ist dies etwa bei Felgen, die klassischerweise nicht als formgebunden eingestuft werden, da bei ihnen zahlreiche – für die Verbraucher akzeptable – Formen auf dem Markt angeboten werden.

Das genannte Beispiel illustriert, dass sich die Diskussion zur Reparaturklausel nahezu ausnahmslos im Automobilbereich abspielt, was erklärt, weshalb die Auseinandersetzung gerade in Deutschland und Frankreich besonders intensiv verläuft. Es verwundert daher nicht, dass auf europäischer Ebene eine für alle Mitgliedsstaaten verbindliche Reparaturklausel unter anderem am Widerstand Deutschlands und Frankreichs gescheitert ist. Infolgedessen überlässt Art. 14 der Designrichtlinie (98/71/EG) den Mitgliedsstaaten, derartige Schutzausnahmen einzuführen. Dies führte dazu, dass zwar in der 2002 in Kraft getretenen Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung (GGV) in Art. 110 Abs. 1 eine Reparaturklausel vorgesehen ist, dies aber auf nationaler Ebene teilweise nicht der Fall war. Konsequenz war, dass gerade für Kfz-Hersteller nationale Designanmeldungen in Ländern ohne Reparaturklausel (wie Deutschland und Frankreich) deutlich attraktiver waren als ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster.

Funktion der Reparaturklausel

Klarstellend ist festzuhalten, dass auch weiterhin nach dem deutschen und europäischen Designrecht Schutz für einzelne Bauelemente in Anspruch genommen werden kann, sofern diese bei ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung im komplexen Erzeugnis sichtbar bleiben und die sichtbaren Merkmale selbst die Voraussetzungen der Neuheit und Eigenart erfüllen. 

Die Reparaturklauseln greifen demgegenüber erst auf der Durchsetzungsebene ein. So können deutsche Designs nach dem neuen § 40 a Abs. 1 DesignG nicht gegenüber einem von einem Dritten angebotenen Teil, „das ein Bauelement eines komplexen Erzeugnisses ist und das allein mit dem Ziel verwendet wird, die Reparatur dieses komplexen Erzeugnisses zu ermöglichen, um ihm wieder sein ursprüngliches Erscheinungsbild zu verleihen“, ins Feld geführt werden. Eine Reaktion zum jetzigen Entwurf spricht insoweit davon, dass der „Gesetzgeber an[setzt], im Stellungskrieg der betroffenen Industrieverbände den Kfz-Herstellern seine schützende Hand zu entziehen“ (Drexl, GRUR 2020, 234, 235). Die Reparaturklausel soll insbesondere den Markt für sichtbare Auto-Ersatzteile für Reparaturzwecke öffnen. Nach der Gesetzesbegründung sei bei der Einführung der Reparaturklausel im Designgesetz „durch die Marktöffnung unter Umständen damit zu rechnen, dass die Verbraucherpreise für sichtbare Autoersatzteile leicht sinken“. 

Gemäß § 40 a Abs. 2 DesignG findet die Schutzausnahme nur dann Anwendung, „sofern die Verbraucher ordnungsgemäß über den Ursprung des zu Reparaturzwecken verwendeten Erzeugnisses durch Verwendung einer Kennzeichnung oder in einer anderen geeigneten Form unterrichtet werden, sodass diese in Kenntnis der Sachlage unter miteinander im Wettbewerb stehenden Erzeugnissen für Reparaturzwecke wählen können“. Dies dient zum einen dem Schutz der Verbraucher vor Täuschungen und Irreführungen und soll zum anderen dem Inhaber eines Designs ermöglichen, gegen Dritte vorzugehen, die sich nicht auf die Vermarktung ihrer Produkte für Reparaturzwecke beschränken.

Anwendung auf formgebundene Ersatzteile 

§ 40 a Abs. 1 S. 2 DesignG, wonach die Schutzausnahme dann nicht gelten soll, „wenn der vorrangige Zweck, zu dem das genannte Bauelement auf dem Markt gebracht wird, ein anderer als die Reparatur des komplexen Erzeugnisses ist“, soll nach der Gesetzesbegründung klarstellen, „dass die Ausnahme in Abs. 1 lediglich auf formgebundene Ersatzteile anwendbar ist, also auf solche Ersatzteile, deren Erscheinungsbild durch die Formgebung des Originals vorgegeben ist“. Ob dieses Ziel erreicht wird, ist indes mehr als fraglich, da der Wortlaut des § 40 a Abs. 1 S. 2 DesignG keinerlei Bezug zu einer etwaigen Formgebundenheit herstellt. Verstärkt werden die Zweifel dadurch, dass die Begründung der Bundesregierung zusätzlich darauf abstellt, mit der Einführung der Reparaturklausel auf nationaler Ebene auch einen Gleichlauf mit dem Unionsrecht herstellen zu wollen (Drucksache 19/12084, S. 41). Nach Auffassung des EuGH ist die Anwendbarkeit des insoweit wortgleichen Art. 110 Abs. 1 GGV jedoch gerade nicht auf formgebundene Teile beschränkt (EuGH GRUR 2018, 284, 288).Vor diesem Hintergrund ist es misslich, dass die Beschränkung auf formgebundene Teile (bspw. Motorhauben) in der Begründung „versteckt“ wurde und somit zu befürchten steht, dass die Regelung auch auf nicht formgebundene Teile (bspw. Felgen) angewandt werden wird. 

Stichtagsregelung

Die jetzt in § 40 a DesignG vorgesehene Schutzausnahme kommt nach der Übergangsregelung in § 73 Abs. 2 DesignG nicht für Rechte aus einem eingetragenen Design zur Anwendung, das vor dem 1. Januar 2020 angemeldet wurde. Hierdurch soll den Originalherstellern nach der Gesetzesbegründung eine zusätzliche Frist gegeben werden, „um sich auf die Neuregelung einzustellen und insbesondere ihre Preise derart kalkulieren zu können, dass sie eine Amortisierung ihrer Entwicklungskosten auch auf dem Primärmarkt erreichen können“ (BT-Drucks. a. a. O., S. 41).

Fazit

Es ist zu begrüßen, dass sich Deutschland mit der Einführung einer Reparaturklausel im Designgesetz um eine Angleichung an die Regelungen zum Gemeinschaftsgeschmacksmuster bemüht. Ob dem Gesetzgeber jedoch die beabsichtigte und begrüßenswerte Ausnahme für nicht formgebundene Ersatzteile gelungen ist, kann bezweifelt werden. Trotz dieser Unsicherheit bleibt der Anreiz für Originalhersteller, das nationale Designrecht dem europäischen vorzuziehen, bei nicht formgebundenen Ersatzteilen wohl bestehen, da diese nach der Intention des Gesetzgebers nicht unter die Reparaturklausel fallen.

Dieser Artikel ist Teil des Update Gewerblicher Rechtsschutz und Kartellrecht, welches Sie hier abonnieren können.


Aktuelle Informationen zu COVID-19 finden Sie in unserem Corona Center. Wenn Sie Fragen zum Umgang mit der aktuellen Lage und den Auswirkungen für Ihr Unternehmen haben, sprechen Sie Ihren Ansprechpartner bei CMS oder unser CMS Response Team jederzeit gerne an.


Autoren

Foto vonAdrian Zarm
Adrian Zarm, LL.M., MGlobL (University of Sydney)
Counsel
Köln
Foto vonPatrick Schneider
Patrick Schneider
Senior Associate
Köln