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Beschäftigung ukrainischer Flüchtender

11/03/2022

Viele unserer Mandanten möchten den aus der Ukraine geflüchteten Menschen helfen, indem sie ihnen Arbeitsplätze anbieten. Teilweise besteht bereits eine Verbindung zu den ukrainischen Staatsangehörigen, weil diese in verbundenen Unternehmen oder bei Geschäftspartnern unserer Mandanten beschäftigt sind. Teilweise handelt es sich aber auch um Branchen, die unter Fachkräftemangel leiden oder über Möglichkeiten verfügen, zusätzliche Mitarbeiter zu beschäftigen.

1. Einreise und Aufenthalt für 90 Tage „plus“

Für eine Einreise brauchen Ukrainer*innen in Deutschland kein Visum. Die geltenden Bestimmungen erlauben die Einreise aus privaten oder geschäftlichen Gründen, und auch die Flucht vor dem Krieg wird als private Einreise anerkannt. Grundsätzlich ist diese Regelung auf Aufenthalte von 90 Tagen beschränkt. Aufgrund des Krieges wird dieser Zeitraum derzeit jedoch ohne Weiteres auf 180 Tage verlängert, wenn dies bei der zuständigen Ausländerbehörde, d.h. der Ausländerbehörde für den Ort, an dem die Ukrainer*in gemeldet ist, beantragt wird. An manchen Orten ist nicht einmal ein solcher Antrag erforderlich. Letzteres ist dann der Fall, wenn das zuständige Bundesland eine entsprechende Allgemeinverfügung erlassen hat. Wir gehen davon aus, dass nach Berlin, das bereits die automatische Verlängerung bis zum 31. Mai 2022 verfügt hat, auch andere Länder folgen werden.

Wichtig ist, dass es sich dabei um eine Verlängerung des Aufenthalts zum ursprünglichen Zweck handelt. Da während des visumfreien Aufenthalts von 90 Tagen eine Beschäftigung in Deutschland nicht zulässig ist, gilt dasselbe auch nach der Verlängerung.

2. Arbeitserlaubnis

Um in Deutschland zu arbeiten, benötigen sog. Drittstaatsangehörige, also alle Menschen, die weder EU-Bürger sind noch einem EWR Staat oder der Schweiz angehören, einen Aufenthaltstitel. Zu dieser Gruppe gehören auch ukrainische Staatsangehörige.

a) Aufenthaltsgewährung zum vorübergehenden Schutz

Ein besonderer Aufenthaltstitel speziell für die aus der Ukraine Geflüchteten wurde am 04.03.2022 beschlossen. Der Beschluss beruht auf einer speziell für solche Situationen geschaffenen Richtlinie, der sog. Schutzgewährungsrichtlinie 2001/55/EG. Diese Richtlinie ist in Deutschland in § 24 AufenthG umgesetzt, der mit dem Inkrafttreten des Ratsbeschlusses – ebenfalls am 04.03.2022 - aktiviert wurde. Das deutsche Recht verlangt für die Erwerbstätigkeit bei einem Titel nach dieser Sondernorm in § 24 Abs. 6 AufenthG zwar zusätzlich eine Erlaubnis der Ausländerbehörde. Da die Schutzgewährungsrichtlinie selbst allerdings neben dem vorübergehenden Schutz als solchem in Art. 12 grundsätzlich auch die Möglichkeit der Beschäftigung vorsieht, besteht die Hoffnung, dass die notwendige Erlaubnis nach richtlinienkonformer Ermessensausübung durch die Ausländerbehörden in der Regel auch erteilt wird. Das BMI hat den Ländern dringend empfohlen, bereits bei Erteilung der Aufenthaltserlaubnis im Aufenthaltstitel zu vermerken, dass die Beschäftigung erlaubt ist. Dies soll ausdrücklich auch dann gelten, wenn noch kein konkretes Beschäftigungsverhältnis in Aussicht steht.


§ 24 Abs. 6 AufenthG verweist für die Erlaubnis auf § 4a Abs. 2 AufenthG. Dieser lautet: 

Sofern die Ausübung einer Beschäftigung gesetzlich verboten oder beschränkt ist, bedarf die Ausübung einer Beschäftigung oder einer über die Beschränkung hinausgehenden Beschäftigung der Erlaubnis; diese kann dem Vorbehalt der Zustimmung durch die Bundesagentur für Arbeit nach § 39 unterliegen. Die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit kann beschränkt erteilt werden. Bedarf die Erlaubnis nicht der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit, gilt § 40 Abs. 2 oder Abs. 3 für die Versagung der Erlaubnis entsprechend.

Die Beschränkung ergibt sich hier aus § 24 Abs. 6 AufenthG selbst. Eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit sieht § 24 AufenthG jedoch nicht vor. Das bedeutet, dass der letzte Satz – also § 4a Abs. 2 S. 3 - Anwendung findet und stattdessen die Ausländerbehörde die Versagungsgründe des § 40 Abs. 2 oder Abs. 3 AufenthG, die eigentlich in Bezug auf die Zustimmung der Bundesagentur gelten, berücksichtigen soll. Dabei handelt es sich um eine Liste von Gründen, die in der Person des Arbeitnehmers (Abs. 2) oder beim Arbeitgeber (Abs. 3) liegen können. Praktisch wird dies im Regelfall keine Relevanz haben. Viel interessanter ist, dass auf § 40 Abs. 1 AufenthG gerade nicht verwiesen wird. Diese Bestimmung verbietet die Zustimmung zu jeglicher Beschäftigung im Rahmen von Arbeitnehmerüberlassung.

Das bedeutet, dass ein EU-Ratsbeschluss, der die Anwendung von § 24 AufenthG ermöglicht, auch für die Zeitarbeitsbranche den entscheidenden Unterschied machen würde, da Ukrainer*innen über diese Vorschrift dann auch im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung eingesetzt werden dürften.


b) Sonstige Aufenthaltstitel

Neben § 24 AufenthG stehen als Grundlage für eine Aufenthaltsgenehmigung, auch die regulären Aufenthaltstitel zur Verfügung. Diese kommen insbesondere dann in Betracht, wenn es sich bei den ukrainischen Staatsangehörigen um Fachkräfte handelt. Die Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltstiteln zum Zweck der Erwerbstätigkeit, geregelt in §§ 18 bis 19f AufenthG, wurden zwar nicht erleichtert. Allerdings gilt eine praktisch sehr bedeutsame Vereinfachung. Normalerweise müsste der Aufenthaltstitel vor der Einreise beim zuständigen Konsulat bzw. der Botschaft im Heimatland in Form eines Visums beantragt werden. Aktuell sind die Ausländerbehörden jedoch angehalten, ihr Ermessen nach § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG so auszuüben, dass sie Anträge auf Aufenthaltstitel auch ohne Vorlage des entsprechenden Visums erteilen, wenn die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind.

aa) Voraussetzungen

Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bedeutet in der Regel, dass die Fachkraft eine Anerkennung der Gleichwertigkeit ihrer ausländischen Qualifikation und ein konkretes Arbeitsplatzangebot benötigt, das durch den Arbeitsvertrag und das vom Arbeitgeber ausgefüllte Formblatt der BA „Stellenbeschreibung“ nachzuweisen ist. Der Vertrag kann zur Klarstellung unter der Bedingung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis geschlossen werden.


Die Ausländerbehörde muss vor der Erteilung aller langfristigen Aufenthaltstitel mit Arbeitserlaubnis die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit einholen. Die einzige relevante Ausnahme stellt die Blaue Karte EU dar, die ohne Zustimmung der Bundesagentur erteilt wird. Grundsätzlich ist dies kein Problem. Die Hauptaufgabe der Bundesagentur darin, die Arbeitsbedingungen zu prüfen und mit dem in der Region und Branche üblichen Standard zu vergleichen. Die Zustimmung wird jedoch immer dann zum KO-Kriterium, wenn es um Arbeitnehmerüberlassung geht. In diesem Fall hat die Bundesagentur nicht einmal ein Ermessen, sondern muss die Zustimmung verweigern.


Größte praktische Schwierigkeit ist erfahrungsgemäß der Nachweis der Qualifikation und deren Gleichwertigkeit bzw. Anerkennung. Für Fachkräfte mit akademischer Ausbildung findet sich der Abschluss mit etwas Glück auf der sog. ANABIN Liste der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB). In diesem Fall muss keine individuelle Zeugnisbewertung durchgeführt werden.

Eine Bewertung ist nach eigenen Angaben der ZAB für folgende ukrainische Abschlüsse möglich:

  • Диплом бакалавра (Dyplom bakalavra)
  • Диплом спеціаліста (Dyplom specialista)
  • Диплом магістра (Dyplom mahistra)
  • Диплом кандидата наук, Диплом доктора філософії (Dyplom kandydata nauk, Dyplom doktora filosofiji)
  • Диплом доктора наук (Dyplom doktora nauk)

Bei dem Abschluss Диплом про перепідготовку (Dyplom pro perepidhotovku) handelt es sich hingegen um einen Umschulungs- bzw. Weiterbildungsabschluss, für den eine Gleichwertigkeit nicht in Frage kommt. Auch die Abschlüsse Диплом молодшого спеціаліста (Dyplom molodsoho specialista) und Молодший бакалавр (Molodsyj bakalavr) gelten nicht als Hochschulabschlüsse. Als Alternative kommt bei diesen Abschlüssen jedoch eine berufliche Anerkennung in Betracht.

Steht die Gleichwertigkeit des Abschlusses fest, können Akademiker bei einem jährlichen Bruttogehalt von mehr als EUR 56.400 die Blaue Karte EU beantragen, ansonsten kann ein Titel nach § 18b Abs. 1 AufenthG erteilt werden. Zusätzliche Voraussetzung ist immer, dass die Arbeitsbedingungen dem in Branche und Region auch für deutsche Arbeitnehmer üblichen Standard entsprechen und dass der Arbeitnehmer tatsächlich entsprechend seiner Qualifikation beschäftigt wird.

Auch für Fachkräfte mit Berufsausbildung ist ein Aufenthaltstitel vorgesehen. Die Neuregelung in § 18a AufenthG wurde mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz geschaffen und ist nicht mehr auf sog. Engpassberufe beschränkt, sondern greift nun grundsätzlich für alle Ausbildungsberufe.

Für IT-Experten kann sogar ohne formalen Bildungsabschluss ein Aufenthaltstitel erlangt werden.

bb) Unterlagen

Praktisch wäre wichtig, dass zumindest in elektronischer Form Nachweise über Abschlüsse bei der zuständigen Ausländerbehörde vorgelegt werden können. Daneben gehören zu den Antragsunterlagen stets

  • Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels (Formular)
  • Reisepass
  • Meldebescheinigung (!)
  • Stellenbeschreibung (Formular)
  • Arbeitsvertrag
  • Abschlusszeugnis
  • Nachweis der Gleichwertigkeit – im glücklichsten Fall durch einen einfachen Screenshot des ANABIN-Eintrags - oder Anerkennung
  • Krankenversicherungskarte
  • Aktuelles Passfoto
  • Vollmacht, wenn der Antrag durch CMS eingereicht werden soll.

3. Fazit

Wichtigste Grundlage für einen Aufenthaltstitel ist für die Mehrheit der aus der Ukraine geflüchteten Menschen seit dem 03.03.2022 die Sonderregelung des § 24 AufenthG. Die genaue Ausgestaltung des Verfahrens behalten wir in den nächsten Wochen im Blick.


Aktuelle Informationen finden Sie in unserem Ukraine-Russland Info-Center. Wenn Sie Fragen zum Umgang mit der aktuellen Lage und zu den Auswirkungen für Ihr Unternehmen haben, sprechen Sie Ihren Ansprechpartner bei CMS oder unser CMS Response Team jederzeit an.