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Deutschland schränkt nach EuGH-Urteil die Einsicht in das Transparenzregister ein

Update Gesellschaftsrechtliche Gestaltung 04/2023

April 2023

Seitdem der EuGH entschieden hat, dass der uneingeschränkte Zugang zum Transparenzregister gegen EU-Grundrechte verstößt, haben Mitglieder der Öffentlichkeit nur noch mit einem berechtigten Interesse Zugang zu den Daten im Transparenzregister.

EuGH, Urteil vom 22. November 2022, C 37/20 und C 601/20

In einer sehr relevanten Entscheidung hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) am 22. November 2022 (C 37/20 und C 601/20) klargestellt, dass der uneingeschränkte Zugang der Mitglieder der Öffentlichkeit zu den personenbezogenen Daten von wirtschaftlich Berechtigten in den europäischen Transparenzregistern gegen die EU-Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten nach Art. 7 bzw. 8 der Charta der Grundrechte der EU verstößt.

Am 12. Dezember 2022 gab daraufhin die in Deutschland registerführende Stelle (Bundesanzeiger Verlag GmbH) bekannt, dass aufgrund dieser Entscheidung den Anträgen der Mitglieder der Öffentlichkeit auf Einsichtnahme in das Transparenzregister nur stattgegeben werde, wenn ein berechtigtes Interesse an einer Einsichtnahme dargelegt wird. Ein berechtigtes Interesse können beispielsweise Recherchen von Fachjournalisten zu Themen der Wirtschaftskriminalität darstellen. 

Personenbezogene Informationen seit Umsetzung der 5. EU-Geldwäscherichtlinie uneingeschränkt einsehbar 

In Deutschland und vielen weiteren EU-Mitgliedsstaaten können im Transparenzregister hinterlegte personenbezogene Informationen zu wirtschaftlich Berechtigten seit der Umsetzung der 5. EU-Geldwäscherichtlinie von allen Mitgliedern der Öffentlichkeit, d. h. von jedermann, ohne Zugangsbeschränkung eingesehen werden. Gemäß der EU-Richtlinie und den nationalen Gesetzen haben wirtschaftlich Berechtigte jedoch auch die Möglichkeit, den Zugang der breiten Öffentlichkeit zu ihren persönlichen Daten im Transparenzregister auf Antrag hin in bestimmten Fällen zu beschränken. 
In Luxemburg klagten eine Gesellschaft sowie deren wirtschaftlich Berechtigter gegen die Entscheidung der registerführenden Stelle, den Zugang zu den sie betreffenden Informationen nicht zu beschränken. Das mit der Sache befasste Gericht hatte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verbreitung der personenbezogenen Daten über das luxemburgische Register und reichte daher beim EuGH eine Reihe von Vorlagefragen ein. 

EuGH erklärt Regelung in der 5. EU-Geldwäscherichtlinie zur Offenlegung der Daten im Transparenzregister für unvereinbar mit Art. 7 bzw. 8 der Charta der Grundrechte

Die Luxemburger Richter stellten fest, dass der Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu den Informationen über wirtschaftlich Berechtigte im Luxemburger Transparenzregister gemäß der Regelung in der 5. EU-Geldwäscherichtlinie unverhältnismäßig ist und einen Verstoß gegen die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten nach Art. 7 bzw. 8 der Charta der Grundrechte der EU darstellt. Die entsprechende Regelung in der 5. EU-Geldwäscherichtlinie ist daher ungültig. 

Nach Ansicht des Gerichtshofs stellt der Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu den Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte gemäß Art. 7 bzw. 8 der EU-Grundrechtecharta dar, der einer entsprechenden Rechtfertigung bedarf. 
Die Regelung der 5. EU-Geldwäscherichtlinie kann zwar grundsätzlich die schwerwiegenden Eingriffe in die Grundrechte rechtfertigen, da sie mittels erhöhter Transparenz ein Umfeld schafft, das weniger leicht für Zwecke der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung genutzt werden kann, und eine dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung, die Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, hat. 

Allerdings machten die Richter des EuGH deutlich, dass der Eingriff, den diese Maßnahme mit sich bringt, weder auf das absolut Erforderliche beschränkt ist noch in einem angemessenen Verhältnis zur verfolgten Zielsetzung steht. Dafür zogen sie die Vorgängerregelung in der 4. EU-Geldwäscherichtlinie in Gestalt der Zugangsbeschränkung heran, die bis zum 31. Dezember 2019 auch in Deutschland galt und wonach Mitglieder der Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse vorweisen mussten, um Zugang zu den Daten im Transparenzregister zu erhalten. 

Die europäischen Richter sahen infolge der Abschaffung dieser Zugangsbeschränkung einen erheblich schwereren Eingriff in die EU-Grundrechte, ohne dass diese zusätzliche Schwere durch etwaige Vorteile kompensiert würde, die sich aus der neuen Regelung im Vergleich zur Vorgängerregelung ergeben könnten.

Aktuelle Regelungen aus datenschutzrechtlicher Sicht unzureichend

Dieser schwere Eingriff in die EU-Grundrechte kann nach Auffassung des EuGH auch nicht durch eine erforderliche Online-Registrierung vor einer Einsichtnahme oder die Möglichkeit, Ausnahmen vom Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu den Informationen im Transparenzregister zu beantragen, gerechtfertigt werden. 

Diese fakultativen Bestimmungen der 5. EU-Geldwäscherichtlinie, die in Deutschland im GwG und in den Verordnungen zum Transparenzregister umgesetzt wurden, sind als solche weder geeignet zu belegen, dass eine ausgewogene Gewichtung der dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung und der in den Art. 7 und 8 der Charta der EU-Grundrechte verankerten Grundrechte vorgenommen wurde, noch, dass hinreichende Garantien bestehen, die es den betroffenen Personen ermöglichen, ihre personenbezogenen Daten wirksam gegen Missbrauchsrisiken zu schützen.

EU-Mitgliedsstaaten sperren Einsichtnahme in ihre Register

Die Verfassungsmäßigkeit des Transparenzregisters an sich sowie auch des Zugangs der breiten Öffentlichkeit zu personenbezogenen Daten der wirtschaftlich Berechtigten wurde seit der Einführung des Registers bezweifelt und war in jedem Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der Geldwäscherichtlinien Gegenstand von Diskussionen. Nun haben die Luxemburger Richter eine klare Linie gezogen, indem sie feststellen, dass die Öffentlichkeit ohne berechtigtes Interesse keinen Zugang zu den Daten der wirtschaftlich Berechtigten erhalten darf. 

In Luxemburg und in der Folge auch in weiteren EU-Mitgliedsstaaten ist es seit der Veröffentlichung des Urteils am 22. November 2022 Mitgliedern der Öffentlichkeit nicht mehr möglich, uneingeschränkt auf das Register zuzugreifen. Auch in Deutschland wird das Urteil in der Gestalt umgesetzt, dass der Bundesanzeiger Verlag zur Herstellung eines unionsrechtskonformen Zustands den Zugang für die Öffentlichkeit bis auf weiteres unter die Bedingung eines berechtigten Interesses gestellt hat. 

Praxistipp: 

Das EuGH-Urteil und die damit erfolgte Beschränkung des Zugangs zum Transparenzregister führen zumindest zu einem partiellen Schutz der persönlichen Daten von wirtschaftlich Berechtigten. Journalisten oder Organisationen, die zu Themen im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismus publizieren oder recherchieren, werden allerdings ein berechtigtes Interesse am Zugang zum Transparenzregister haben und auf die Daten zugreifen können. Wer seine persönlichen Daten im Transparenzregister weitergehend schützen möchte, dem bleibt nur der Antrag auf eine Beschränkung der Einsichtnahme bei der registerführenden Stelle.

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Autoren

Foto vonTill Komma
Till Komma, Maître en Droit
Counsel
Frankfurt