Home / Veröffentlichungen / Neue Rechtsprechung zu Leaver-Klauseln

Neue Rechtsprechung zu Leaver-Klauseln

Update Gesellschaftsrechtliche Gestaltung 10/2020

Oktober 2020

Management-Beteiligungen sind ein wichtiger Bestandteil von Private-Equity-Transaktionen sowie von Gestaltungen im Venture Capital. Verträge über Management-Beteiligungen enthalten in der Regel sogenannte Leaver-Klauseln, mit denen sichergestellt werden soll, dass die Beteiligung an die Investoren fällt, wenn der Manager das Unternehmen vor Ablauf des avisierten Zeitraums verlässt.

Erhalten Geschäftsführer eine echte gesellschaftsrechtliche Beteiligung, ist darauf zu achten, dass die Bestimmungen zur Übertragung der Beteiligung im Fall ihres Ausscheidens wirksam und nicht als unzulässige „Hinauskündigungsklausel“ sittenwidrig und folglich nichtig sind. 

Hinauskündigungsklauseln grundsätzlich unzulässig

Nach gefestigter Rechtsprechung sind Bestimmungen, die es in das freie Ermessen eines einzelnen Gesellschafters, einer Gruppe von Gesellschaftern oder der Gesellschaftermehrheit stellen, einen Mitgesellschafter ohne sachlichen Grund aus der Gesellschaft auszuschließen (sogenannte Hinauskündigungsklauseln), grundsätzlich wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Der Grund liegt darin, dass derartige Bestimmungen den betreffenden Gesellschafter daran hindern könnten, von seinen Mitgliedschaftsrechten nach eigener Entscheidung Gebrauch zu machen („Damoklesschwert“). Auch schuldrechtliche Kauf-, Rückkauf- und Abtretungsvereinbarungen außerhalb des Gesellschaftsvertrags, etwa in einer Gesellschaftervereinbarung, werden hiervon erfasst, wenn sie in das freie Ermessen des Berechtigten gestellt sind. 

BGH: Hinauskündigung in Ausnahmefällen zulässig

In einer Entscheidung aus dem Jahr 2005 hat der Bundesgerichtshof in der Fallgestaltung „Manager-Modell“ eine Hinauskündigungsklausel für zulässig erklärt, sofern ein sachlicher Grund für den Ausschluss vorliegt (Urteil vom 9. September 2005, Az. II ZR 173/04). Der Manager hatte im entschiedenen Fall die Pflicht, die ihm im Hinblick auf die Geschäftsführerstellung zum Nennwert eingeräumten Geschäftsanteile bei Beendigung des Geschäftsführeramts zurückzuübertragen. 

Der Bundesgerichtshof begründete seine Entscheidung im Wesentlichen anhand dreier Aspekte:

Zum einen lagen im einschlägigen Fall alle gesetzlichen und satzungsgemäßen Mehrheiten (über 90 %) bei der einzigen Mitgesellschafterin. Dadurch war es dem Geschäftsführer faktisch unmöglich, seine Interessen in der Gesellschafterversammlung geltend zu machen. Der dem Hinauskündigungsverbot zugrunde liegende Gedanke, den Gesellschafter bei der Wahrnehmung seiner Gesellschafterrechte nicht unter unangemessenen Druck zu setzen, kam folglich nicht zum Tragen. Zum anderen stellte sich das zusätzliche finanzielle Risiko des Managers als überaus gering dar, da er die Geschäftsanteile zum Nennwert erworben hatte. Schließlich sollte der jährliche Gewinn der Gesellschaft ausgeschüttet und dem Manager damit zusätzlich zu seinem Geschäftsführungsgehalt eine wirtschaftliche Teilhabe gewährt werden. Die Beteiligung sollte also Anreiz-, Motivations- und Bindungsfunktion für die Geschäftsführungstätigkeit schaffen. 

Beurteilung anhand besonderer Umstände des Einzelfalls 

Kürzlich hatte sich nun das OLG München mit einer Hinauskündigungsklausel zu beschäftigen und beurteilte diese im Ergebnis als unwirksam (Urteil vom 13. Mai 2020, Az. 7 U 1844/19). In seiner Begründung hob das OLG München vor allem die Unterschiede zu dem der BGH-Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hervor und zog ebenfalls die drei durch den Bundesgerichtshof aufgestellten Kriterien heran:

Im vorliegenden Fall war es für den Geschäftsführer nicht faktisch unmöglich, in der Gesellschafterversammlung seinen Willen geltend zu machen. Er besaß 25 % der Geschäftsanteile, und die übrigen Geschäftsanteile waren auf 16 andere Gesellschafter verteilt. Des Weiteren hatte der Geschäftsführer für die Geschäftsanteile nicht nur den Nominalpreis bezahlt, sondern erhebliche weitere Mittel zur Verfügung gestellt und war damit ein wirtschaftliches, unternehmerisches Risiko eingegangen. Zudem wurden Überschüsse und Gewinne in diesem Fall nicht ausgeschüttet, sondern thesauriert. Mit der Gesellschaftsbeteiligung war somit keine unmittelbare (jährliche) Anreiz- und Belohnungsfunktion verbunden. 

Im Ergebnis bewertete das OLG München diese Beteiligung des Geschäftsführers am Unternehmen als ein normales unternehmerisches Investment und nicht als bloßen Annex zur Geschäftsführungstätigkeit. 

Schlussfolgerung: Hinauskündigung zulässig mit sachlichem Grund

Aus diesen Gerichtsentscheidungen sind folgende Konsequenzen zu ziehen: Ist die Hinauskündigungsklausel an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft als an das Ausscheiden als Geschäftsführer, bedarf es eines sachlichen Grundes; ansonsten ist die Klausel gemäß § 138 BGB nichtig. 

Gesellschafterstellung als Annex („Manager-Modell“) mit Blick auf den sachlichen Grund

Ein solcher sachlicher Grund ist nach der dargestellten Rechtsprechung anerkannt, wenn der Gesellschafterstatus als bloßer Annex zur Tätigkeit als Geschäftsführer anzusehen ist. Dazu dürfte die Stellung als Gesellschafter in einer Gesamtschau anhand folgender Fragen zu beurteilen sein: Besteht eine tatsächliche Einflussmöglichkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers in der Gesellschafterversammlung? Trägt er ein echtes unternehmerisches Risiko? Ist mit der Gesellschaftsbeteiligung eine (regelmäßige) Anreiz- und Belohnungsfunktion verbunden? Die Anforderungen, um einen sachlichen Grund mit der Annex-Stellung zu begründen, sind allerdings hoch. 

Weitere Kriterien für das Vorliegen eines sachlichen Grundes

Geboten scheint darüber hinaus eine weitere Differenzierung danach, aus welchem Grund der mit der Geschäftsführerstellung verbundene Anstellungsvertrag endet: Je eher der Geschäftsführer die Gesellschaft aus guten Gründen verlässt (als sogenannter Good Leaver) – im Extremfall, wenn er seinen Anstellungsvertrag aus wichtigem Grund kündigt –, desto höher müssten die übrigen Anforderungen für das Vorliegen eines sachlichen Grundes sein. 

Schließlich ist auch der Wert maßgeblich, der der Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers im konkreten Fall beigemessen wird. Für Private-Equity- und Venture-Capital-Investoren etwa ist es regelmäßig von entscheidender Bedeutung, dass sich die Gründer oder bisherigen maßgeblichen Gesellschafter als Urheber oder Garanten des unternehmerischen Erfolgs und treibende Kraft für eine bestimmte verabredete Zeit aktiv in der Geschäftsführung engagieren. Dies wird durch marktübliche (zeitlich begrenzte) Leaver-Klauseln oder sogenannte Vesting-Klauseln abgesichert. Fällt dieser erwartete maßgebliche Einfluss auf die Wertentwicklung der Gesellschaft weg, kann man grundsätzlich davon ausgehen, dass ein sachlicher Grund für den Verlust der von ihnen gehaltenen Geschäftsanteile vorliegt.

Praxistipp

Sogenannte Hinauskündigungsklauseln bergen das Risiko ihrer Nichtigkeit nach § 138 BGB. Andererseits besteht ein Interesse der Parteien zur Vereinbarung von Leaver-Klauseln. Die Praxis sollte sich darauf konzentrieren, die Voraussetzungen einzuhalten, die als sachliche Gründe für den Verlust auch der Gesellschafterstellung bei Beendigung der Geschäftsführertätigkeit anerkannt werden können. Dazu ist es hilfreich – und auch Marktstandard –, diese Gründe in Leaver-Klauseln klar und differenziert zu regeln sowie die zugrunde liegenden Erwägungen zu dokumentieren. In Zweifelsfällen könnte vereinbart werden, dass an die Stelle der echten gesellschaftsrechtlichen Beteiligung eine virtuelle Beteiligung treten soll. 

Dieser Artikel ist Teil des Update Gesellschaftsrechtliche Gestaltung, das Sie hier abonnieren können. 


Aktuelle Informationen zu COVID-19 finden Sie in unserem Corona Center. Wenn Sie Fragen zum Umgang mit der aktuellen Lage und den Auswirkungen für Ihr Unternehmen haben, sprechen Sie Ihren Ansprechpartner bei CMS oder unser CMS Response Team jederzeit gerne an.


Autoren

Foto vonHelge Rieckhoff
Dr. Helge Rieckhoff
Counsel
Leipzig