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Neuer Anlauf zur Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie – was Sie jetzt zum aktuellen Referentenentwurf für ein Hinweisgeberschutzgesetz wissen müssen

Update Arbeitsrecht 06/2022

Juni 2022

Am 17. Dezember 2021 ließ Deutschland die Frist zur Umsetzung der am 16. Dezember 2019 in Kraft getretenen EU-Whistleblower-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1937) in nationales Recht verstreichen. Daraufhin folgte der „Blaue Brief“ aus Brüssel und mit ihm die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die EU-Kommission gegen Deutschland und andere EU-Mitgliedsstaaten. Weder die frühere noch die aktuelle Bundesregierung konnten sich auf ein Hinweisgeberschutzgesetz einigen. Am 13. April 2022 hat das Bundesjustizministerium nun seinen Referentenentwurf für ein entsprechendes Gesetz vorgelegt. 

I. Der aktuelle Referentenentwurf zum Hinweisgeberschutzgesetz

Nachfolgend finden Sie zusammengefasst die wichtigsten Inhalte des Referentenentwurfs:

1. Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle (§ 12 RefE-HinSchG)

Die Vorgaben der Richtlinie umsetzend sieht der Referentenentwurf die verpflichtende Einrichtung von internen Meldestellen für bestimmte Beschäftigungsgeber vor. 

Beschäftigungsgeber sollen hierbei sämtliche natürliche Personen sowie juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, rechtsfähige Personengesellschaften und sonstige rechtsfähige Personenvereinigungen sein (vgl. § 3 Abs. 9 RefE-HinSchG). Angesprochen sind also v. a. alle privaten Unternehmen. 

Zu den Meldestellen im Einzelnen: 

a) Verpflichteter Personenkreis

Beschäftigungsgeber mit in der Regel mindestens 50 Beschäftigten müssen mindestens eine interne Meldestelle einrichten und betreiben. Zu den Beschäftigten zählen hierbei insbesondere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und zu ihrer Berufsbildung Beschäftigte (§ 3 Abs. 8 RefE-HinSchG).

Bestimmte, abschließend in § 12 Abs. 3 RefE-HinSchG aufgezählte Beschäftigungsgeber (z. B. Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Kredit- und Finanzdienstleistungsunternehmen) haben unabhängig von der Zahl ihrer Beschäftigten eine interne Meldestelle zu errichten.

Werden Errichten und Betreiben einer internen Meldestelle entgegen der geregelten Verpflichtung unterlassen, so wird dies von dem neuen Referentenentwurf als Ordnungswidrigkeit qualifiziert und kann mit einem Bußgeld von bis zu EUR 20.000 geahndet werden (§ 40 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. Abs. 5 RefE-HinSchG). 

Bei Beschäftigungsgebern mit weniger als 50 Beschäftigten kann sich die freiwillige Einrichtung einer internen Meldestelle empfehlen, um das Risiko externer Meldungen (hierzu Ziff. 4) zu minimieren.

b) Arten der Einrichtung einer internen Meldestelle

Der Beschäftigungsgeber hat verschiedene Möglichkeiten, eine interne Meldestelle zu errichten.

  • Ein Beschäftigungsgeber kann einen Beschäftigten, eine Gruppe von Beschäftigten (Arbeitseinheit) oder auch einen Dritten mit den Aufgaben einer internen Meldestelle betrauen (§ 14 Abs. 1 S. 1 RefE-HinSchG).
  • Mehrere private Beschäftigungsgeber mit jeweils in der Regel 50 bis 249 Beschäftigten können eine gemeinsame interne Meldestelle einrichten und betreiben (§ 14 Abs. 2 S. 1 RefE-HinSchG). Diese Möglichkeit, Ressourcen zu bündeln, sieht auch Art. 8 Abs. 6 der HinSch-RL vor. Hierdurch soll eine ökonomische Überlastung, insbesondere kleinerer Unternehmen, verhindert werden. Zu beachten ist allerdings, dass auch bei Bündelung die Pflicht zur Rückmeldung nach Prüfung der eingegangenen Meldung bei dem einzelnen Beschäftigungsgeber bleibt (§ 17 Abs. 2 RefE-HinSchG, mehr hierzu unter Ziff. 3 b). Zudem bleibt der einzelne Beschäftigungsgeber verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um den Verstoß abzustellen (§ 14 Abs. 1 S. 2 RefE HinSchG).

Sobald der Beschäftigungsgeber sich für die Art der zu errichtenden Meldestelle entschieden hat, gilt, dass er bei der Auswahl der Person bzw. Abteilung beachten sollte, dass er die Verantwortung dafür trägt, dass die beauftragte Person bzw. die beauftragte Personengruppe über die zur ordnungsgemäßen Aufgabenwahrnehmung notwendige Fachkunde verfügt (§ 15 Abs. 2 RefE-HinSchG). Zu den weiteren Anforderungen an interne Meldestellen s. Ziff. 2.

c) Umsetzungsfristen

Für Beschäftigungsgeber mit in der Regel 50 bis 249 Beschäftigten gilt eine Übergangsregelung, nach der die interne Meldestelle erst ab dem 17. Dezember 2023 eingeführt werden muss (§ 42 RefE-HinSchG).

Da für alle Unternehmen, die mehr als 249 regelmäßig Beschäftigte haben, im Referentenentwurf keine vergleichbare Schonfrist vorgesehen wird, ist davon auszugehen, dass die Einrichtungspflicht für interne Meldestellen für sie unmittelbar mit Inkrafttreten des Gesetzes gelten wird. Dies gilt auch für diejenigen Beschäftigungsgeber im Sinne von § 12 Abs. 3 RefE-HinSchG, für die die Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle unabhängig von der Beschäftigtenanzahl besteht.

2. Anforderungen an interne Meldestellen 

Der RefE-HinSchG enthält eine Vielzahl von Regelungen zur Gestaltung von internen Meldestellen. 

Zunächst muss die Meldestelle von einer unabhängigen und fachkundigen Person oder Abteilung betrieben werden (§ 15 RefE-HinSchG). Des Weiteren muss sie klare und leicht zugängliche Informationen für Beschäftigte über externe Meldeverfahren und einschlägige Meldeverfahren von Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Europäischen Union bereithalten (§ 13 Abs. 2 RefE-HinSchG).

Inhaltlich müssen die internen Meldestellen jedenfalls für die Meldung strafbewehrter, bußgeldbewehrter und sonstiger Verstöße gegen die in § 2 Abs. 1 Nr. 3 RefE-HinSchG genannten deutschen und europarechtlichen Rechtsvorschriften bereitstehen.

Hierbei müssen sowohl Beschäftigte als auch Leiharbeitnehmer Zugang zu der internen Meldestelle erhalten (§ 16 Abs. 1 S. 1 RefE-HinSchG). Weiteren Personen kann darüber hinaus ebenfalls Zugang gewährt werden.

Für die ordnungsgemäße Gestaltung der internen Meldestelle ist Folgendes zu berücksichtigen: 

  • Nur die für die Entgegennahme und Bearbeitung der Meldungen zuständigen Personen sowie die sie bei der Erfüllung dieser Aufgaben unterstützenden Personen dürfen Zugriff auf die eingehenden Meldungen haben (§ 16 Abs. 2 RefE HinSchG).
  • Meldungen müssen schriftlich oder mündlich erstattet werden können. Mündliche Meldungen müssen hierbei auch per Telefon oder einer anderen Art der Sprachübermittlung möglich sein. Auf Ersuchen der hinweisgebenden Person muss innerhalb einer angemessenen Zeit eine persönliche Zusammenkunft zwecks Meldung möglich sein (vgl. § 16 Abs. 3 RefE-HinSchG).
  • Eine anonyme Meldung muss nicht ermöglicht werden (§ 16 Abs. 1 S. 4 RefE HinSchG).
  • Nach spätestens sieben Tagen muss der Eingang der Meldung bestätigt werden (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 RefE-HinSchG).
  • Die Meldestelle muss die Zulässigkeit des Meldegegenstandes und die Stichhaltigkeit der erhobenen Vorwürfe prüfen, Kontakt mit dem Meldenden halten und ggf. weitere Informationen anfordern (§ 17 Abs. 1 Nr. 2–5 RefE HinSchG).
  • Die interne Meldestelle ergreift zudem auch Folgemaßnahmen (z. B. interne Untersuchungen), § 17 Abs. 1 Nr. 6, § 18 RefE-HinSchG – soweit angemessen.
  • Zuletzt informiert die Meldestelle den Hinweisgeber über geplante sowie bereits ergriffene Folgemaßnahmen sowie Gründe für diese innerhalb von drei Monaten nach Eingangsbestätigung, (§ 17 Abs. 2 RefE-HinSchG).

3. Umgang mit Meldungen (Compliance-Management)

Meldestellen haben bei der Entgegennahme von Hinweisen verschiedene Verfahrensgrundsätze und Verhaltenspflichten zu beachten. Im Falle eines Verstoßes können die dahinterstehenden Beschäftigungsgeber – je nach verletzter Vorschrift – mit Bußgeldern bis zu EUR 100.000 belegt werden (vgl. insbes. § 40 RefE-HinSchG).

Die Meldestellen unterliegen zur Sicherung des Hinweisgeberschutzes insbesondere den folgenden Verpflichtungen: 

a) Vertraulichkeit

Leitidee des Hinweisgeberschutzes ist die Vertraulichkeit. Der erste Verfahrensgrundsatz (§ 8 RefE-HinSchG) bestimmt deshalb, dass Meldestellen die Identität sowohl der hinweisgebenden Personen als auch von Personen, die Gegenstand der Meldung sind, sowie von sonstigen in der Meldung genannten Personen vertraulich behandeln müssen. Ausnahmen von diesem sehr weit gefassten Vertraulichkeitsgebot sind nur in den in § 9 RefE-HinSchG aufgelisteten Fällen möglich. Solche können beispielsweise vorliegen bei vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtiger Information, in Strafverfahren auf Verlangen der Strafverfolgungsbehörden, bei Erforderlichkeit der Weitergabe für Folgemaßnahmen oder im Falle der Einwilligung der hinweisgebenden Person.

b) Datenschutzrechtliche Erforderlichkeit

Die einzurichtenden Meldestellen verarbeiten zwangsläufig personenbezogene Daten. Hierzu sind sie gemäß § 10 RefE-HinSchG nur befugt, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist.

c)    Dokumentationspflicht

Bei der Meldestelle eingehende Meldungen müssen in dauerhaft abrufbarer Weise unter Beachtung des Vertraulichkeitsgebots dokumentiert werden (§ 11 Abs. 1 RefE-HinSchG).

Tonaufzeichnungen von telefonischen Meldungen dürfen nur mit Einwilligung der hinweisgebenden Person angefertigt werden. Gleiches gilt für Wortprotokolle, die das Telefongespräch vollständig wiedergeben. Bei Nichtvorliegen einer entsprechenden Einwilligung hat eine inhaltliche Zusammenfassung der Meldung durch die entgegennehmende Person zu erfolgen (Inhaltsprotokoll). 

Für die Dokumentation einer im Rahmen der persönlichen Zusammenkunft vorgenommenen Mitteilung gilt, dass auch hier nur mit Zustimmung der hinweisgebenden Person eine vollständige und genaue Aufzeichnung der Zusammenkunft erstellt und aufbewahrt werden darf (z. B. Tonaufzeichnung oder Wortprotokoll).

In jedem Fall ist der hinweisgebenden Person die Gelegenheit zu geben, das Protokoll zu überprüfen, ggf. zu korrigieren und mit Unterschrift zu bestätigen.

Zwei Jahre nach Verfahrensabschluss müssen die Dokumentationen gelöscht werden. 

4. Externe Meldestellen

Hinweisgebern sollen künftig nicht nur interne Meldestellen des jeweiligen Beschäftigungsgebers zur Verfügung stehen. Neben diese treten öffentlich organisierte, sogenannte externe Meldestellen. Dies ist besonders wichtig für Hinweisgeber, deren Beschäftigungsgeber aufgrund seiner Größe gar keine interne Meldestelle einrichten muss – andere Hinweisgeber dürfen sich aber wahlweise ebenfalls an die externe Meldestelle wenden.

a) Arten externer Meldestellen

Die §§ 19 ff. RefE-HinSchG sehen die Einrichtung verschiedener externer Meldestellen des Bundes und der Länder vor. 

b) Aufgaben der externen Meldestellen

Die externen Meldestellen erfüllen mehrere Aufgaben über die Entgegennahme von Hinweisen hinaus. So bieten sie etwa natürlichen Personen, die in Erwägung ziehen, eine Meldung zu erstatten, umfassende und unabhängige Informationen und Beratung über bestehende Abhilfemöglichkeiten und Verfahren für den Schutz vor Repressalien an (§ 24 Abs. 2 S. 1 RefE-HinSchG). Ihnen obliegt beispielsweise auch die generelle Information im Internet (z. B. über die Voraussetzungen für den Hinweisgeberschutz; die Erläuterungen zu Meldeverfahren und den möglichen Folgemaßnahmen; Vertraulichkeitsregelungen und Datenschutz). 

Für die ordnungsgemäße Gestaltung der externen Meldestelle gelten ähnliche Compliance-Anforderungen wie bei der Gestaltung interner Meldestellen (dazu unter Ziff. 2). Die externen Meldestellen sind nicht verpflichtet, anonyme Meldungen zu prüfen (§ 27 Abs. 1 S. 3 RefE-HinSchG). Meldungen müssen sowohl mündlich als auch in Textform eingehen können. Auf Ersuchen der hinweisgebenden Person ist innerhalb angemessener Zeit ein persönliches Zusammenkommen zu ermöglichen (§ 27 Abs. 3 RefE-HinSchG).

5. Offenlegung

Nur unter bestimmten Voraussetzungen sind Hinweisgeber berechtigt, Informationen über Verstöße für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Voraussetzungen dieser sogenannten Offenlegung sind im dritten Abschnitt (§§ 32 ff. RefE HinSchG) des Referentenentwurfs geregelt. Die Offenlegung unrichtiger Informationen über Verstöße ist dabei selbstredend verboten (§ 32 Abs. 2 RefE HinSchG). 

6. Mögliche Gegenstände von Meldungen

Der Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes erlaubt Hinweisgebern die Meldung von Informationen über Verstöße (vgl. § 7 Abs. 1 RefE-HinSchG). Verstöße sind Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der beruflichen, unternehmerischen oder dienstlichen Tätigkeit, die rechtswidrig oder missbräuchlich sind.

Nach dem Entwurf können Hinweisgeber zunächst Verstöße gegen die von der Hinweisgeberrichtlinie als Mindestumfang vorgegebenen Rechtsakte der Europäischen Union samt ihrer nationalen Umsetzungsgesetze melden. Dies betrifft u. a. das Datenschutzrecht, den Verbraucherschutz, den Umwelt- und Tierschutz, das Vergaberecht oder auch das Finanzaufsichtsrecht. Darüber hinaus bezieht das Gesetz sämtliche in diese Rechtsgebiete fallenden Gesetze, Rechtsverordnungen und sonstigen Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder ein. Noch weitreichender ist darüber hinaus die Aufnahme von Informationen über Verstöße, die straf- oder bußgeldbewehrt sind. Letztere allerdings nur, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient. Der Entwurf geht in seinem sachlichen Anwendungsbereich gem. § 2 RefE HinSchG über die Vorgaben der Richtlinie hinaus. 

Unethisches oder unmoralisches Verhalten soll ein Hinweisgeber nach der Gesetzesbegründung indes nicht melden können. Auch persönliche Konflikte der Arbeitnehmer untereinander oder mit dem Vorgesetzten fallen grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes, solange das den Konflikt auslösende Verhalten nicht strafbewehrt ist oder mit den dargestellten Einschränkungen eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Auch rein privates Fehlverhalten soll nicht meldefähig sein.

Bei den gemeldeten Informationen muss es sich zumindest um begründete Verdachtsmomente handeln. Diese können sich auf bereits begangene Verstöße beziehen. Es reicht aber auch bereits aus, wenn sich der Verdacht lediglich auf einen (zukünftigen) Verstoß bezieht, der sehr wahrscheinlich erfolgen wird. Der Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes ermöglicht damit sehr weitreichende Meldungen. Welche Anforderungen im Einzelnen an den begründeten Verdacht zu stellen sind, regelt der Entwurf bisher nicht. 

7. Anforderungen an die Meldung/Offenlegung

a) Wahrheit der Information keine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Meldung/Offenlegung

Entscheidet sich der Hinweisgeber, seine Informationen über Verstöße zu melden, muss er im Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung hinreichenden Grund zu der Annahme haben, dass die Informationen der Wahrheit entsprechen (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 RefE-HinSchG). Erforderlich und zugleich ausreichend ist, dass der Hinweisgeber hinsichtlich des tatsächlichen und rechtlichen Vorliegens des Verstoßes gutgläubig ist. Dagegen verlangt § 33 RefE-HinSchG nicht, dass die Informationen auch tatsächlich wahr sind. Lediglich vorsätzliche oder grob fahrlässige Falschmeldungen des Hinweisgebers sollen nicht geschützt sein.

Welche Sorgfalts- und Nachforschungspflichten der Hinweisgeber im Einzelnen in Bezug auf den Wahrheitsgehalt seiner Meldung hat, regelt der Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes – wie auch schon die Richtlinie – nicht. Entscheidend dürfte sein, dass er die Informationen aufgrund seiner individuellen persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten für wahr halten durfte. 

Erforderlich dürfte dabei insbesondere sein, dass er vor einer Meldung die ihm verfügbaren Informationen auswertet. Darüber hinausgehende Nachforschungspflichten sieht der Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes nicht vor. 

b) Auch Motive des Hinweisgebers unerheblich

Keine Rolle für den Schutz des Hinweisgebers spielen seine Meldemotive. Aus diesem Grund ist (anders als nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur bisherigen Rechtslage) unerheblich, ob der Hinweisgeber seine Informationen aus ehrenwerten Gründen weitergibt oder seine Meldung oder Offenlegung aus Neid, Missgunst, Rache oder Eifersucht vornimmt. Selbst Meldungen oder Offenlegungen in Schädigungsabsicht sollen vom neuen Hinweisgeberschutzgesetz umfasst sein, solange der Hinweisgeber die übrigen Voraussetzungen an die Meldung oder Offenlegung erfüllt.

c) Wahlrecht zwischen interner und externer Meldung

Entscheidet sich der Hinweisgeber, seine Informationen weiterzugeben, hat er ein Wahlrecht zwischen interner und externer Meldung. Im Rahmen der Richtlinie war dies stark umstritten und sollte mit der eindeutigen Regelung in § 7 Abs. 1 RefE-HinSchG endgültig geklärt sein. Bei einer externen Meldung soll die Behörde den Hinweisgeber aber in „geeigneten Fällen“ auf die Möglichkeit einer internen Meldung hinweisen. Meldet der Hinweisgeber zunächst intern, kann er sich an eine externe Meldestelle wenden, wenn seiner internen Meldung nicht abgeholfen wurde. Dies legt nahe, dass der Hinweisgeber nach den Vorgaben des Entwurfs des Hinweisgeberschutzgesetzes nach einer internen Meldung erst den Ausgang dieser Meldung abwarten muss, bevor er extern melden kann.

d) Offenlegung als letztes Mittel

Neben interner und externer Meldung sieht der Entwurf die sogenannte Offenlegung vor (§ 32 RefE-HinSchG). Damit gemeint ist die Veröffentlichung seiner Informationen über Verstöße, z. B. in klassischen Printmedien oder in sozialen Medien. Anders als bei der internen und externen Meldung steht dem Hinweisgeber bei der Offenlegung seiner Informationen kein Wahlrecht zu. Möchte er seine Informationen offenlegen, verlangt der Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes, dass der Hinweisgeber zunächst eine erfolglose externe Meldung erstattete.

In der Regel kann er eine Offenlegung daher nur vornehmen, wenn auf seine externe Meldung innerhalb der Fristen für die Rückmeldung (regelmäßig drei Monate nach der externen Meldung, § 28 Abs. 4 RefE-HinSchG) keine geeigneten Folgemaßnahmen zur Aufklärung des Verstoßes ergriffen wurden oder er keine Rückmeldung erhielt. Nur ausnahmsweise kann er seine Informationen auch direkt offenlegen, etwa wenn der Verstoß wegen eines Notfalls eine unmittelbare und offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen kann oder wenn im Fall der externen Meldung Repressalien zu befürchten sind. 

Aufgrund des durch die Offenlegung drohenden Reputationsschadens sind Unternehmen daher gut beraten, attraktive interne Meldekanäle bereitzuhalten und eingegangene Meldungen konsequent zu bearbeiten.

8. Schutz von Hinweisgebern/betroffenen Personen

a) Geschütztes Verhalten des Hinweisgebers

Erfüllt der Hinweisgeber die Voraussetzungen an die Meldung oder Offenlegung, wird er vom Hinweisgeberschutzgesetz geschützt. Geschützt ist er dabei zum einen bei der Meldung oder Offenlegung seiner Informationen an sich. Darüber hinaus sieht § 35 Abs. 1 RefE-HinSchG vor, dass der Hinweisgeber auch nicht für die Beschaffung von oder den Zugriff auf Informationen, die er gemeldet oder offengelegt hat, rechtlich verantwortlich gemacht werden kann. Dies gilt jedenfalls, sofern er mit der Beschaffung oder dem Zugriff keinen eigenständigen Straftatbestand verwirklicht. Das Hinweisgeberschutzgesetz verweigert der Informationsbeschaffungskriminalität insofern von vorneherein einen „safe harbour“.

Das bedeutet, dass Hinweisgeber, die bei der Informationsbeschaffung etwa einen Hausfriedensbruch oder Hacking begehen, für diese Tat belangt werden können, wohl aber nicht für die Meldung oder Offenlegung dieser Informationen.

b) Schutz vor Repressalien

Gegen Hinweisgeber gerichtete Repressalien sind nach § 36 Abs. 1 RefE HinSchG verboten. Das Verbot gilt auch für den bloßen Versuch, Repressalien auszuüben. Dem Hinweisgeber darf im Zusammenhang mit seiner Meldung oder Offenlegung daher kein ungerechtfertigter Nachteil entstehen.

Im Ergebnis verbietet der Entwurf damit jede denkbare Benachteiligung aufgrund einer rechtmäßigen Meldung oder Offenlegung. Er gewährt dem Hinweisgeber daher auch einen Schutz gegen Kündigungen aufgrund seiner Meldung oder Offenlegung, unabhängig von der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes. Unter das Verbot fallen darüber hinaus auch seine Freistellung, die fehlende Entfristung seines Arbeitsvertrags, die Nichtvornahme einer Beförderung, ein schlechtes Arbeitszeugnis oder Mobbing. Diese Aufzählung macht deutlich, dass Arbeitgeber künftig auch bei vermeintlich neutralen Handlungen wie der Nichtvornahme einer Beförderung eines Hinweisgebers in erhöhten Begründungszwang kommen können. Dies gilt im Falle einer Meldung selbst für Kündigungen in der Probezeit, die sonst keiner sachlichen Begründung bedürfen. 

Darüber hinaus steht dem Hinweisgeber für den Fall, dass er Repressalien erleidet, ein Schadensersatzanspruch zu (§ 37 RefE-HinSchG). Wie auch im Rahmen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes soll aber kein Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder auf eine Beförderung bestehen. 

Flankiert wird der Schutz des Hinweisgebers zusätzlich durch Bußgeldvorschriften: Wer gegenüber dem Hinweisgeber eine Repressalie ergreift, handelt ordnungswidrig und kann mit einer Geldbuße von bis zu EUR 100.000 belegt werden.

c) Schutz im Prozess durch Beweislastumkehr

Wendet sich der Hinweisgeber gerichtlich gegen eine Repressalie, etwa im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses, kommt ihm in § 36 Abs. 2 RefE-HinSchG zudem eine Beweislastumkehr zur Hilfe. Erleidet er im zeitlichen Zusammenhang mit einer Meldung eine Benachteiligung, so wird vermutet, dass diese Benachteiligung eine Repressalie ist. Mit anderen Worten: Es wird vermutet, dass die Benachteiligung eine verbotene Reaktion auf seine Meldung oder Offenlegung darstellt. Es ist sodann Sache des Arbeitgebers zu beweisen, dass die Maßnahme auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basierte bzw. jedenfalls nicht auf der Meldung beruhte. 

Diese Beweislastumkehr soll Hinweisgebern über das Problem hinweghelfen, dass sie den Nachweis der Kausalität zwischen einer rechtmäßigen Meldung und beispielsweise einer Kündigung oftmals nur schwer erbringen können. Für Arbeitgeber bedeutet dies allerdings, dass sie Gründe für benachteiligende Maßnahmen wie Kündigungen noch sorgfältiger als ohnehin schon dokumentieren müssen. 

II.    Wirkung der nicht umgesetzten EU-Whistleblower-Richtlinie nach Ablauf der Umsetzungsfrist

Bis zum 17. Dezember 2021 hätte die EU-Richtlinie in Deutschland bereits umgesetzt werden müssen. Der nun regelungslose Zustand wirft die Frage auf, ob und inwieweit die Richtlinie rechtlich bereits Wirkung entfaltet.

1. Arbeitgeber des öffentlichen Sektors

Mit Ablauf der Umsetzungsfrist kann nach der Rechtsprechung des EuGH jedenfalls gegenüber der öffentlichen Hand dann eine unmittelbare Wirkung in den Mitgliedsstaaten bestehen, wenn die Bestimmungen der Richtlinie so hinreichend klar und eindeutig formuliert sind, dass sie keiner weiteren Konkretisierung durch den nationalen Gesetzgeber mehr bedürfen.

Betroffene Bürger könnten sich insoweit nach Ablauf der Umsetzungsfrist grundsätzlich gegenüber dem Staat auf die Richtlinie berufen. Die hieraus folgende Handlungspflicht zur Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie treffen in diesem Fall insbesondere Körperschaften, Stiftungen, Anstalten und Betriebe des öffentlichen Rechts sowie juristische Personen des Privatrechts, die mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben betraut und hierzu mit besonderen Rechten ausgestattet sind.

Im Hinblick auf die in Art. 8 Abs. 9 der Richtlinie vorgesehene Pflicht zur Einrichtung interner Meldekanäle muss davon ausgegangen werden, dass die Richtlinie hinreichend konkrete und bestimmte Vorgaben enthält und deshalb gegenüber juristischen Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar gilt. Der Umstand allein, dass interne Meldekanäle unterschiedlich ausgestaltet werden können, dürfte an der hinreichenden Bestimmtheit aller Voraussicht nach nichts ändern.

Diese Einrichtungspflicht erfasst auch Kommunen mit weniger als 10.000 Einwohnern oder sonstige staatlichen Stellen mit weniger als 50 Arbeitnehmern. Die für den öffentlichen Sektor in der Richtlinie vorgesehene Abweichungsmöglichkeit gilt dagegen nicht bereits unmittelbar, sondern muss vom nationalen Gesetzgeber konkret geregelt sein. Anders als für Unternehmen der Privatwirtschaft gilt für Unternehmen des öffentlichen Sektors mit weniger als 250 Mitarbeitern zudem keine Ausnahme von der Umsetzungspflicht bis zum 17. Dezember 2023.

Hinweisgeber die sich an die – auch ohne Umsetzungsgesetz – verpflichtend einzurichtenden internen Meldekanäle der öffentlichen Hand wenden, können sich konsequenterweise auch auf den umfassenden Schutz der Richtlinie vor Repressalien berufen. Dies gilt sowohl für die Nutzung interner Meldewege sowie – unter den Voraussetzungen von Art. 15 Abs. 1 lit. b) der Richtlinie – auch für die Informationsweitergabe an die Öffentlichkeit. 

Vor diesem Hintergrund kann eine unmittelbare Wirkung von Schutzvorgaben der Richtlinie für die öffentliche Hand nicht ausgeschlossen werden.

Die Richtlinie verpflichtet dagegen Arbeitgeber des öffentlichen Sektors nicht direkt zur Einrichtung externer Meldekanäle. Diesbezüglich regelt die Richtlinie gerade keine konkreten Vorgaben zu den zu benennenden externen Stellen, sondern stellt die Zuweisung in das Ermessen der Mitgliedsstaaten, die das Ermessen im Wege eines weiteren Rechtssetzungsaktes ausüben müssten.

2. Arbeitgeber des privaten Sektors

Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH entfalten EU-Richtlinien ohne Umsetzung in nationales Recht dagegen keine direkten Wirkungen zwischen Privaten. Die Richtlinie verpflichtet demnach nach Ablauf der Umsetzungsfrist weder Privatpersonen noch Unternehmen der Privatwirtschaft (u. a. EuGH, Urteil vom 14. Juli 1994 – Rs. C-91/92 – Faccini Dori). 

Gleichwohl hat der EuGH eine sogenannte richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts anerkannt (u. a. EuGH, Urteil vom 4. Juli 2006 – Rs. C-212/04 – Adeneler). Hiernach sind die nationalen Gerichte – nach Ablauf der Umsetzungsfrist – verpflichtet, das nationale Recht so auszulegen, dass es so weit wie möglich mit dem Wortlaut und den Zielen des Unionsrechts übereinstimmt. In dieser Hinsicht wirkt die Richtlinie zum Hinweisgeberschutz über arbeitsrechtliche Generalklauseln in nationales Recht ein und ist von den nationalen Gerichten beispielsweise im Rahmen der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe, z. B. des Maßregelungsverbots (§ 612 a BGB) oder der Verpflichtung zur Rücksichtnahme im Arbeitsverhältnis (§ 241 Abs. 2 BGB), zu berücksichtigen. Insoweit kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass Hinweisgeber hierdurch mittelbar und vor Umsetzung der Richtlinie vor Repressalien geschützt sind. Dies kann insoweit auch für die in der Richtlinie angelegte Beweislastumkehr gelten, wonach vermutet wird, dass eine nachteilige arbeitsrechtliche Maßnahme eine unzulässige Repressalie darstellt, wenn sie zeitlich nach einer Meldung durch den betroffenen Arbeitnehmer ergriffen wurde. Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang eine Entscheidung des LAG Nürnberg, das mit Urteil vom 24. Februar 2021 (Az.: 3 Sa 331/20) ausgeführt hat, dass eine richtlinienkonforme Auslegung der EU-Whistleblower-Richtlinie hin zu einer Beweislastumkehr jedenfalls erst mit Ablauf der Umsetzungsfrist, nicht aber schon mit Erlass der Richtlinienbestimmung zu erfolgen habe. Arbeitgeber sollten hiermit verbundene Prozessrisiken im Blick behalten.

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1 Auf die Besonderheiten in Fällen, in denen der Bund oder ein Land Beschäftigungsgeber ist, soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden.


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