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Neues zur Anfechtungsfrist und Erkundigungspflicht des GmbH-Gesellschafters nach Beschlussergebnis

Update Gesellschaftsrechtliche Gestaltung 10/2020

Oktober 2020

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass bei Anfechtungsklagen gegen Beschlüsse einer GmbH-Gesellschafterversammlung die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG – sofern der Gesellschaftsvertrag keine abweichende Regelung enthält – grundsätzlich einzuhalten ist. Noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, wann die Anfechtungsfrist zu laufen beginnt: bereits mit der Beschlussfassung oder erst mit ihrer Bekanntgabe an den bei der Beschlussfassung nicht anwesenden bzw. vertretenen Gesellschafter. Je nach Anknüpfungspunkt kann dies über den Erfolg einer Anfechtungsklage entscheiden. So war es auch im jüngst vom OLG Dresden entschiedenen Fall (OLG Dresden, Urteil vom 28. Mai 2020, Az. 8 U 2611/19).

Sachverhalt

Der Entscheidung lag eine Anfechtungsklage gegen einen GmbH-Gesellschafterbeschluss zugrunde. Die Gesellschafterversammlung hatte die Zwangsabtretung eines Teils der Geschäftsanteile eines insolvent gewordenen Gesellschafters beschlossen. Der betroffene Gesellschafter war bei der Gesellschafterversammlung nicht anwesend und auch nicht vertreten. Nach der Versammlung erkundigte er sich nicht nach dem Ergebnis der Beschlussfassung. Das Protokoll wurde dem Kläger vier Wochen nach der Versammlung übersandt. Innerhalb eines Monats nach Erhalt erhob er Anfechtungsklage gegen den Beschluss. Der Gesellschaftsvertrag der GmbH enthielt keine Regelung zur Anfechtungsfrist.

Die Vorinstanz hatte angenommen, dass der Kläger die Anfechtungsfrist gewahrt habe, und der Klage stattgegeben. Die Anfechtungsfrist habe erst mit Zugang des Beschlussprotokolls beim Kläger zu laufen begonnen. Das OLG Dresden hat als Berufungsgericht das Urteil aufgehoben und die Klage stattdessen abgewiesen.

Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG grundsätzlich einzuhalten

Der Kläger habe die Beschlussanfechtungsfrist versäumt. Bei Anfechtungsklagen gegen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH sei die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG – sofern der Gesellschaftsvertrag keine abweichende Regelung enthält – grundsätzlich einzuhalten. Das OLG Dresden folgt hiermit der ständigen Rechtsprechung des BGH. Im Falle einer Überschreitung dieser Frist kommt es nach der Rechtsprechung darauf an, ob zwingende Umstände den Gesellschafter an einer früheren klageweisen Geltendmachung des Anfechtungsgrundes gehindert haben. Beispielsweise wird eine längere Frist als angemessen erachtet, wenn der Gesellschafter längere Zeit benötigt, um schwierige tatsächliche und rechtliche Fragen zu klären. Im entschiedenen Fall sieht das OLG Dresden den Umstand, dass die Weihnachtszeit in den Lauf der Beschlussanfechtungsfrist fiel, als keinen ausreichenden Rechtfertigungsgrund für eine Fristüberschreitung an.

Wann beginnt die Anfechtungsfrist?

Sodann befasst sich das OLG Dresden ausführlich mit der Frage, ob die Anfechtungsfrist bereits mit Beschlussfassung zu laufen begonnen hatte oder erst mit ihrer Bekanntgabe an den bei der Beschlussfassung nicht anwesenden bzw. nicht vertretenen Gesellschafter.

Dafür, für den Fristbeginn grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung abzustellen, spreche, dass dies zu einem hohen Maß an Rechtssicherheit führe. Nach Ablauf der für alle Gesellschafter und die Gesellschaft erkennbaren Frist stehe fest, wann der Beschluss nicht mehr angefochten werden könne. Nach Ansicht des OLG Dresden sei es zumindest in Fällen, in denen ein Gesellschafter nicht zu der ersten Gesellschafterversammlung erscheint, dadurch deren Beschlussunfähigkeit herbeiführt, nachfolgend auch an der zweiten Gesellschafterversammlung nicht teilnimmt und auch keine erheblichen Verhinderungsgründe anführt, auch nicht unangemessen, für die Fristberechnung auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung abzustellen.

Im Ergebnis lässt das OLG Dresden offen, wann die Anfechtungsfrist zu laufen beginnt. Auch wenn von dem Beginn der Anfechtungsfrist erst mit Bekanntgabe des Beschlusses auszugehen sein sollte, führt dies nach Ansicht des Gerichts nicht zu einer Fristwahrung, weil der Kläger dann eine Obliegenheit zur zeitnahen Erkundigung nach dem Ergebnis der Beschlussfassung verletzt hat.

Erkundigungspflicht des Gesellschafters

Unter den Vertretern der wohl überwiegenden Ansicht, zum Schutz des nicht anwesenden bzw. nicht vertretenen Gesellschafters für den Fristbeginn auf dessen Kenntniserlangung (zum Beispiel durch Erhalt des Protokolls) abzustellen, bestehe Einvernehmen, dass den Gesellschafter sodann eine Erkundigungspflicht nach dem Ergebnis der Beschlussfassung treffe. Die Frist zur Erkundigung betrage in der Regel zwei Wochen. Verletzt der Gesellschafter seine Erkundigungspflicht, beginne die Anfechtungsfrist nach Ablauf der Erkundigungsfrist zu laufen, auch wenn der Gesellschafter weiterhin keine Kenntnis vom Beschluss hat. Im entschiedenen Fall habe die Anfechtungsfrist für den Kläger daher spätestens mit Ablauf der Erkundigungsfrist zu laufen begonnen, auch wenn er erst später mit Erhalt des Versammlungsprotokolls vom Beschluss erfahren hat.

Praxistipp

Sind GmbH-Gesellschafter an der Teilnahme einer Gesellschafterversammlung verhindert und entsenden keinen Vertreter, ist anzuraten, dass sie sich nach der Versammlung unverzüglich nach dem Beschlussergebnis erkundigen. Die Entscheidung des OLG Dresden zeigt, dass Gesellschafter sich nicht darauf verlassen dürfen, dass die Anfechtungsfrist erst beginnt, wenn sie Kenntnis vom Beschluss erlangen. Bevor in der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt ist, wann die Anfechtungsfrist zu laufen beginnt, sollten GmbH-Gesellschafter – sofern der Gesellschaftsvertrag keine abweichende Regelung enthält – grundsätzlich vorsorglich innerhalb der Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG Anfechtungsklage erheben und für die Fristberechnung auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung als Fristbeginn abstellen.

Gesellschaften ist anzuraten, unverzüglich nach einer Gesellschafterversammlung das Versammlungsprotokoll an die Gesellschafter zu versenden, um die Anfechtungsfrist unzweifelhaft in Lauf zu setzen.

GmbH-Gesellschafter und Gesellschaften sollten die Entscheidung auch zum Anlass nehmen, die Regelungen im Gesellschaftsvertrag zur Beschlussanfechtung zu überprüfen. Angesichts der unklaren Rechtslage ist es empfehlenswert, im Gesellschaftsvertrag die Dauer der Anfechtungsfrist und das fristauslösende Ereignis eindeutig zu regeln.

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Autoren

Ines Steinwinter