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Türkiye: nachvertragliches Wettbewerbsverbot des Geschäftsführers einer GmbH

Update CEE German Desk 10/2018 - Türkei

Oktober 2018

Wettbewerbsverbote für Geschäftsführer einer türkischen GmbH haben ihre gesetzliche Verankerung im Gesellschaftsrecht. Entsprechend werden sie aus der Treuepflicht abgeleitet und bezwecken in erster Linie den Schutz der Gesellschaft vor einer Schädigung von „innen“ heraus. Die Wettbewerbsverbote sind nicht als etwaige Gebotsvorschriften anzusehen. Folglich ist die vertragliche Befreiung vom Wettbewerbsverbot möglich und die vertragliche Erweiterung oder Beschränkung des Verbotes als abdingbar anerkannt.

Vertragliche Wettbewerbsverbote sind nach türkischem Recht als ein gegenseitiger Vertrag anzusehen. Sie können entweder während der Amtszeit eines Geschäftsführers oder nach dessen Amtszeit in Betracht gezogen werden. Die wesentlichen Schranken des vertraglichen Wettbewerbsverbotes sind das berechtigte Interesse der Gesellschaft und der Schutz des beruflichen Fortkommens des Geschäftsführers. Die Schrankenprüfung erfolgt jeweils im Einzelfall.

Die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote sind im türkischen Recht nur für Arbeitnehmer explizit geregelt. Aus diesem Grund wird die Arbeitnehmereigenschaft in der Rechtslehre unterschiedlich diskutiert, in dem Sinne, dass der Geschäftsführer kein Arbeitnehmer, sondern als ein Organ der GmbH anzusehen ist. Insoweit stellt sich jedoch die Frage, ob die für Arbeitnehmer geltenden Vorschriften auf den Geschäftsführer analog angewendet werden können oder nicht. Das türkische Kassationsgericht (Yargıtay) hat sich bislang mit der Anwendbarkeit der entsprechenden Vorschriften auf den Geschäftsführer nicht auseinandergesetzt. In der türkischen Rechtslehre hingegen wird teilweise vertreten, die Art. 444 ff. des türkischen Obligationengesetzes (Türk Borçlar Kanunu – TBK) auf etwaige Organmitglieder entsprechend anzuwenden.

Kein vertragliches Wettbewerbsverbot ist schrankenlos zulässig, sondern findet seine normativen Schranken vor allem in zivilrechtlichen Grundsätzen und der verfassungsrechtlich verbürgten Arbeitsfreiheit. Dies beruht auf dem kontinentaleuropäischen Rechtssystem, in das auch das türkische eingeordnet werden kann. Auch im türkischen Rechtssystem gilt der Grundsatz von Treu und Glauben. Dieser Grundsatz erstreckt sich prinzipiell auf alle Vertragsverhältnisse und somit auch auf vertragliche Wettbewerbsverbote. An den Grundsatz von Treu und Glauben anknüpfend gilt für die Schranken der nachvertraglichen Wettbewerbsverbote, dass zu weit gefasste Verbote als nichtig anzusehen sind. Im Regelfall wird eine zeitliche Grenze von zwei (2) Jahren als ausreichend erachtet. Allerdings kann dieser zweijährige Zeitraum überschritten werden, dies ist allerdings nur in Ausnahmefällen möglich. Gleichwohl sollte ein höheres Risiko bei wettbewerbsrelevanten Handlungen oder etwaiger Gefahr für die Gesellschaft selbst in diesen Fällen die Überschreitung rechtfertigen und die Interessenabwägung zwischen der GmbH und dem Geschäftsführer stets berücksichtigen. Ferner sollten die tatsächlichen Tätigkeitsbereiche sowohl hinsichtlich der gegenständlichen als auch der räumlichen Grenze als relevante Schranken berücksichtigt werden. Für den Geschäftsführer wäre es unangemessen, wenn seine Arbeitsfreiheit in einem Tätigkeitsbereich eingeschränkt wäre, in dem die betreffende Gesellschaft überhaupt nicht tätig ist oder war. Da die Interessen der Gesellschaft geschützt werden müssen, sollten die tatsächlichen Tätigkeitsbereiche der Gesellschaft die Grenzen des Verbotes bestimmen.

Die zu weit gefassten Wettbewerbsverbote sind als nichtig anzusehen, sodass damit die geltungserhaltende Reduktion ausgeschlossen ist. Der türkische Gesetzgeber räumt den erkennenden Richtern die Möglichkeit ein, im Einzelfall „unter Berücksichtigung aller Umstände“ den Umfang und Zeitrahmen einzuschränken, wenn das Wettbewerbsverbot nicht als nichtig anzusehen ist.

Resümierend lässt sich mithin für die Türkiye gegenwärtig festhalten, dass bislang Art. 444 ff. TBK für den Geschäftsführer weder unmittelbare noch analoge Anwendung findet. Gleichwohl steht zu erwarten, dass die rechtlichen (Fort-)Entwicklungen und Reformen in Deutschland und der Schweiz auch in die türkische Rechtsordnung – früher oder später – einstrahlen und sodann positivrechtlich in das türkische Recht überführt werden.

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Foto vonDöne Yalçın
Döne Yalçın
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