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Vergaberechtsfreie interkommunale Zusammenarbeit nur bei echter Zusammenarbeit

Update Real Estate & Public 04/2021

April 2021

Hintergrund

Der EuGH (Urteil vom 04.06.2020 – C-429/19) hatte sich mit den Voraussetzungen einer vergaberechtsfreien Zusammenarbeit mehrerer öffentlicher Auftraggeber gemäß Art. 12 Abs. 4 Richtlinie 2014/24/EU („Vergaberichtlinie“), im deutschen Recht umgesetzt in § 108 Abs. 6 GWB, zu befassen. Eine solche Kooperation ist vom Vergaberecht freigestellt, wenn ein ausschließlich zwischen öffentlichen Auftraggebern geschlossener Vertrag a) eine Zusammenarbeit zwischen den beteiligten öffentlichen Auftraggebern begründet oder erfüllt mit dem Ziel sicherzustellen, dass von ihnen zu erbringende öffentliche Dienstleistungen im Hinblick auf die Erreichung gemeinsamer Ziele ausgeführt werden, b) die Durchführung der Zusammenarbeit ausschließlich durch Überlegungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse bestimmt ist und c) die beteiligten öffentlichen Auftraggeber auf dem offenen Markt weniger als 20 % der durch die Zusammenarbeit erfassten Tätigkeiten erbringen. 

Die Entscheidung

In dem vom EuGH entschiedenen Fall hatten die zwei Landkreise Mayen-Koblenz und Cochem-Zell sowie die Stadt Koblenz (alle in Rheinland-Pfalz) für die Abfallentsorgung einen Zweckverband gegründet. Da der Zweckverband nicht über eine Sortieranlage verfügt, wurde die Sortierung der Abfälle zu 80 % an private Unternehmen vergeben. 20 % wurden ohne Vergabeverfahren gegen Entgelt an den benachbarten Landkreis Neuwied (ebenfalls Rheinland-Pfalz) vergeben, der nicht Mitglied des Zweckverbands ist. Das private Entsorgungsunternehmen Remondis wandte sich mit einem Nachprüfungsantrag zur Vergabekammer Rheinland-Pfalz gegen die ausschreibungsfreie Vergabe von 20 % der Abfallentsorgung an den Landkreis Neuwied. Während die Vergabekammer Rheinland-Pfalz in der beschriebenen Beauftragung des Landkreises Neuwied eine vergaberechtsfreie Verwaltungskooperation sah, legte das in zweiter Instanz zuständige OLG Koblenz dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die entgeltliche Übertragung einer einem öffentlichen Auftraggeber im öffentlichen Interesse obliegenden Aufgabe an einen anderen Auftraggeber, der in seinem Gebiet ebenfalls für diese im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe verantwortlich ist, eine vergaberechtsfreie interkommunale Zusammenarbeit darstellt.

Der EuGH kommt zum Ergebnis, dass im konkreten Fall keine interkommunale Zusammenarbeit vorliegt, da es an der erforderlichen Zusammenarbeit fehlt. Dass der Landkreis Neuwied in seinem Zuständigkeitsbereich für dieselbe Aufgabe zuständig ist wie der Zweckverband in seinem Zuständigkeitsbereich, begründe keine interkommunale Zusammenarbeit. Es müsse vielmehr ein gemeinsamer Bedarf bestehen, für den gemeinsam eine Lösung definiert wird. Zudem sei ein echtes Zusammenwirken der Vertragsparteien erforderlich. Eine bloße Aufgabenübertragung gegen Entgelt genüge nicht.

Tipp für die Praxis

Die Entscheidung enthält eine wichtige Klarstellung für die Anwendung des Ausnahmetatbestands in der Praxis. Öffentliche Auftraggeber sollten in vergleichbaren Fällen demnach auf ein Vergabeverfahren nur dann verzichten, wenn der zwischen ihnen und weiteren öffentlichen Auftraggebern (ohne Privatbeteiligung) geschlossene Vertrag neben den in § 108 Abs. 6 GWB geschriebenen Voraussetzungen einen inhaltlichen (über die bloße Entrichtung eines Entgelts hinausgehenden) Beitrag jedes Vertragspartners zur Erreichung des gemeinsamen Ziels vorsieht. 

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Autoren

Foto vonSven Brockhoff
Dr. Sven Brockhoff
Counsel
Stuttgart