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Virtuelle Beschlussfassung in Kapitalgesellschaften und Vereinen

Update Gesellschaftsrechtliche Gestaltung 04/2021

April 2021

Auch in diesem Jahr stellen die anhaltende COVID-19-Pandemie und die hiermit einhergehenden Kontakt- und Versammlungsbeschränkungen die Unternehmen vor die Frage, in welcher Weise sie ihre ordentlichen Gesellschafter- und Mitgliederversammlungen abhalten können und sollen. Im März vergangenen Jahres sahen sich insbesondere die Unternehmen mit einem großen Gesellschafterkreis plötzlich in der Problematik, einerseits innerhalb bestimmter Fristen ihre Gesellschafterversammlungen abhalten zu müssen und andererseits Versammlungen ab einer bestimmten Größe überhaupt nicht durchführen zu dürfen.

Der Gesetzgeber reagierte schnell und ermöglichte mit dem COVID-19-Maßnahmegesetz vom 27. März 2020 (COVMG, BGBl. I 569) Aktiengesellschaften, ihre Hauptversammlungen im Jahr 2020 auch ohne physische Präsenz ihrer Aktionäre abhalten zu können – ein Novum im Recht der Aktiengesellschaft. Gleiches wurde für Vereine und Genossenschaften eingeführt. Nachdem sich abzeichnete, dass (zumindest) auch für die Anfang des Jahres 2021 abzuhaltenden Haupt- und Mitgliederversammlungen eine rechtssichere Planung einer physischen Versammlung unmöglich war, wurde das Gesetz zunächst für das Jahr 2021 verlängert.

Während bei den Aktiengesellschaften auf der einen Seite die gesetzlich geschaffene Möglichkeit der virtuellen Versammlung begrüßt worden war und, soweit ersichtlich, fast alle großen Publikumsgesellschaften im Jahr 2020 ihre Hauptversammlungen virtuell abhielten, stieß das Gesetz auf der anderen Seite bei Wissenschaftlern und Aktionärsvertretern auch auf Kritik. Diese entzündete sich insbesondere an der Einschränkung der Aktionärsrechte, die das Gesetz zuließ, um Anfechtungsrisiken zu minimieren und die Durchführung virtueller Versammlungen für die Unternehmen planbar und attraktiv zu gestalten. Ein besonderer Fokus der Kritik lag auf der Beschränkung des Auskunftsrechts der Aktionäre. Der Gesetzgeber reagierte darauf am 22. Dezember 2020 mit einer weiteren Gesetzesänderung im Rahmen des Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht (BGBl. I 3328), die nun zum 28. Februar 2021 in Kraft getreten ist. Hierdurch wurde für die weitere Hauptversammlungssaison des Jahres 2021 die Fragemöglichkeit der Aktionäre ohne Anspruch auf Antwort zu einem Fragerecht gestärkt und die Frist zur Vorabeinreichung von Fragen verkürzt. Außerdem wurde klargestellt, dass vor der Hauptversammlung eingereichte Gegenanträge in der Hauptversammlung als gestellt gelten – wie dies ohnehin von vielen Unternehmen auch in der vergangenen Hauptversammlungssaison bereits gehandhabt wurde.

Die zweite Saison virtueller Hauptversammlungen erlaubt es somit den betroffenen Unternehmen auch, die virtuelle Hauptversammlung nochmals zu „üben“ und gegebenenfalls neue Varianten der Interaktion mit den Aktionären auszuprobieren. So veröffentlichen viele Unternehmen die Vorstandsreden bereits vor der eigentlichen Hauptversammlung, um die Aktionäre in die Lage zu versetzen, bei der Vorabeinreichung ihrer Fragen hierauf Bezug zu nehmen. Einzelne Unternehmen erlauben es, über die Einreichung von Fragen im Vorfeld hinaus in der Hauptversammlung Nachfragen zu stellen. Es wird interessant sein zu beobachten, wie diese Maßnahmen angenommen und umgesetzt werden, da der Gesetzgeber bekanntermaßen zwar nicht die geltenden COVID-19-Regelungen dauerhaft implementieren möchte, aber Alternativen und Weiterungen zu den derzeit bestehenden Möglichkeiten digitaler Kommunikation im Rahmen von Hauptversammlungen evaluiert. Hierbei dürfte er sich auch von Erfahrungen der Unternehmen in der Praxis leiten lassen.

Dies gilt auch für andere Kapitalgesellschaften und Vereine. Bei den Gesellschaften mbH hat der Gesetzgeber in der COVID-19-Krise nicht auf die Zulassung virtueller Versammlungen mittels gesetzlicher Regelungen gesetzt, sondern als Sonderregelung nur das schriftliche Verfahren ohne Zustimmung sämtlicher Gesellschafter eingeführt. Hintergrund für diese Zurückhaltung dürfte die bei der GmbH bestehende Satzungsautonomie sein, die die Einführung aller Formen virtueller Beschlussfassung auch ohne gesetzliche Ermächtigung erlaubt. Für die Durchführung von Versammlungen ohne Präsenz waren daher die Gesellschafter als Satzungsgeber gefragt, wenn die bisherige Satzung nicht bereits eine virtuelle Abhaltung der Versammlung ermöglichte. Entsprechende Satzungsänderungen wurden im Jahr 2020 auch verstärkt nachgefragt. Bei Einigkeit unter den Gesellschaftern wurde zum Teil auch auf eine Kombination von virtueller Versammlung und schriftlichem Verfahren zurückgegriffen, um eine persönliche Zusammenkunft der Gesellschafter zu vermeiden. Dies entspricht dann dem Verfahren, das auch die CDU auf ihrem Parteitag für die Wahl des Parteivorsitzenden gewählt hat.

Für die Vereine hat der Gesetzgeber mit dem COVID-19-Maßnahmegesetz erstmals die Abhaltung von Mitgliederversammlungen in virtueller Form vorgesehen. Da das Gesetz aber nicht eine dem Aktienrecht entsprechende Einschränkung der Mitgliedschaftsrechte vorsieht, besteht insoweit eine Rechtsunsicherheit, in welchem Umfang Rede- und Fragerechte der Mitglieder aufgrund der technischen Umstände eingeschränkt oder zumindest gestaltet werden können. Diese Frage wurde auch durch die Gesetzesänderung zum 28. Februar 2021 nicht beantwortet. Allerdings spricht sich die Wissenschaft in ersten Kommentierungen des Gesetzes für ein weites Ermessen des Vereins aus, soweit die Mitgliedschaftsrechte in ihrem Kern erhalten bleiben. So soll es beispielsweise ausreichen, wenn Fragen per Chatfunktion an den Vorstand während der Versammlung gestellt werden können. Problematisch bleibt aber bei einer großen Versammlung mit einer Vielzahl von Fragen, dass diese alle beantwortet werden müssen.

In anderer Hinsicht hat das am 28. Februar 2021 in Kraft getretene Gesetz jedoch Rechtsunsicherheiten beseitigt. Zum einen war umstritten, ob trotz der Gesetzesermächtigung zur Abhaltung der virtuellen Beschlussfassung auch weiterhin ein Recht besteht, persönlich an dem Ort zu erscheinen, an dem der Vorstand als formaler Versammlungsort die Versammlung leitet. Nunmehr wurde klargestellt, dass ein solches Recht nicht besteht, die Versammlung also durch den Vorstand auch vollständig virtuell angeordnet werden kann. Die zweite im Kalenderjahr 2020 häufig gestellte Frage, die das Gesetz nun beantwortet, ist die nach der Zulässigkeit einer schlichten Verschiebung der Versammlung. Sowohl aus den meisten Satzungen, aber auch aus dem Gesetz ergibt sich die Pflicht des Vorstandes zur Abhaltung von mindestens einer ordentlichen Mitgliederversammlung pro Jahr, auf der er seinen Rechenschaftsbericht abgibt und in der Regel über die Entlastung der Gremien entschieden wird. Die Gesetzesänderung stellt nun klar, dass während der Pandemie keine Pflicht zur Einberufung besteht, solange sich die Mitglieder nicht an einem Ort versammeln dürfen und die Durchführung der Versammlung im Wege der elektronischen Kommunikation für den Verein oder die Vereinsmitglieder nicht zumutbar ist.

Von der Möglichkeit zu virtuellen Mitgliederversammlungen haben inzwischen eine Reihe von Vereinen, insbesondere solche der Fußballbundesliga und der 2. Liga, Gebrauch gemacht. Andere planen dies dem Vernehmen nach derzeit. Auch insoweit bleibt abzuwarten, ob Vereine – insbesondere solche mit großer Mitgliederzahl – in Zukunft die gewonnenen Erfahrungen nutzen werden, um mittels elektronischer Übertragung und Abstimmung einen möglichst großen Mitgliederkreis zu erreichen.

Bei Interesse an einer vertieften Beschäftigung mit Fragen der „Virtuellen Beschlussfassung in Kapitalgesellschaften und Vereinen“ verweisen wir gerne auf unser gleichnamiges, im März 2021 im Verlag C.H. Beck erschienenes Buch (auch erhältlich über Beck-Online), dass neben Lösungen zu den verschiedenen Themen auch einen Abschnitt mit Formularen für die Praxis enthält.

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Dr. Petra Schaffner
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