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Zur zentralen Bedeutung der Gesellschafterliste – selbst wenn die Gesellschaft eine neue einreichen müsste …

Update Gesellschaftsrechtliche Gestaltung 11/2022

November 2022

Das Kammergericht hat sich in einer neueren Entscheidung mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Gesellschafterliste der GmbH auch dann maßgeblich ist, wenn die Gesellschaft eigentlich (kraft einer einstweiligen Verfügung) verpflichtet ist, eine geänderte Liste einzureichen.

Kammergericht, Beschluss vom 29. November 2021 – 22 W 55/21

Einführung und Problemstellung

In der GmbH kommt der beim Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eine zentrale Bedeutung zu: Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt nur derjenige als Gesellschafter, der in dieser Liste aufgeführt wird (§ 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG). Das kommt einerseits demjenigen zugute, der streitig aus der Gesellschaft ausgeschlossen worden ist, aber in der Gesellschafterliste noch verzeichnet ist. Andererseits hat derjenige das Nachsehen, der bereits aus der Liste gestrichen worden ist, sich aber materiell darauf beruft, weiterhin Gesellschafter zu sein. Solange er nicht wieder in die Liste aufgenommen wird, ist er grundsätzlich nicht zu Gesellschafterversammlungen zu laden.

Fallkonstellation der Entscheidung des Kammergerichts

In diesem Problemumfeld spielt die Entscheidung des Kammergerichts eine wichtige Rolle. Diese betraf eine GmbH mit zwei Gesellschaftern: Die Minderheitsgesellschafterin hielt 26,67 % der Geschäftsanteile, die Mehrheitsgesellschafterin „CH UG“ 73,33 %. Der einzige Geschäftsführer der GmbH, H., war zugleich Gesellschafter und Geschäftsführer der CH UG.

  • Am 2. November 2020 reichte ein Notar eine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister ein, welche die bisherige Minderheitsgesellschafterin (26,67 %) als Alleingesellschafterin auswies. Hintergrund war die Ausübung einer Investorenvereinbarung.
  • Am 5. November 2020 reichte Geschäftsführer H. eine „korrigierte“ Gesellschafterliste ein, die wieder „seine“ Gesellschaft CH UG als Gesellschafterin auswies.
  • Das Handelsregister nahm beide Listen am 11. November 2020 in den Registerordner auf.
  • Der Geschäftsführer H. hörte die Minderheitsgesellschafterin vor Einreichung der „korrigierten“ Gesellschafterliste nicht an. Sie erwirkte daraufhin am 3. Dezember 2020 eine einstweilige Verfügung, die zum einen die CH UG verpflichtete, sie, die bisherige Minderheitsgesellschafterin, als Alleingesellschafterin zu behandeln, und zum anderen die GmbH verpflichtete, eine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen, in der nur noch sie, die bisherige Minderheitsgesellschafterin, als Alleingesellschafterin ausgewiesen sein sollte.
  • Dieser einstweiligen Verfügung kam die Geschäftsführung der GmbH nicht nach. Die Gesellschafterliste wies weiterhin die Minderheitsgesellschafterin mit 26,67 % und die CH UG mit 73,33 % aus.
  • Am 29. Dezember 2020 hielt die bisherige Minderheitsgesellschafterin eine Gesellschafterversammlung ohne Beteiligung der CH UG ab, berief den einzigen Geschäftsführer H. ab und bestellte einen Liquidator für die inzwischen insolvente GmbH.

Das Handelsregister wies die Anmeldung des Liquidators zurück, weil der Beschluss über dessen Bestellung unter Verletzung des Teilnahmerechtes der CH UG gefasst worden sei. Hiergegen richtete sich die Beschwerde des Liquidators und der Minderheitsgesellschafterin.

Entscheidung des Kammergerichts

Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Als bloße Gesellschafterin sei die Minderheitsgesellschafterin schon nicht beschwerdeberechtigt. Die Beschwerde des Liquidators sei hingegen unbegründet, da der Beschluss über seine Bestellung und die Abberufung des Geschäftsführers H. analog § 241 Nr. 1 AktG nichtig sei.

An den Beschlüssen vom 29. Dezember 2020 „falle auf“, so das Kammergericht, dass die CH UG als formelle Listengesellschafterin nicht an der Beschlussfassung beteiligt war und es auch keine Einladung durch den Geschäftsführer gab. Maßgeblich sei die jüngere Gesellschafterliste vom 5. November 2020, auch wenn diese taggleich mit einer anderen Liste „zuletzt aufgenommen“ wurde. Die CH UG sei nicht wegen der gegen sie erlassenen einstweiligen Verfügung nach § 242 BGB gehindert, sich auf die „korrigierte“ Gesellschafterliste vom 5. November 2020 zu berufen. Danach war die CH UG zwar verpflichtet, die Minderheitsgesellschafterin als Alleingesellschafterin zu behandeln; an ihrem Teilnahmerecht und „etwaigen Rechten auf eine Beschlussmängelklage“ ändere dies gleichwohl nichts. Auch die Tatsache, dass die GmbH an sich verpflichtet war, eine korrigierte Gesellschafterliste (ohne die CH UG als Gesellschafterin) einzureichen, beeinflusse dieses Ergebnis nicht, da eine Liste nicht eingereicht sei und die Vollstreckung nach § 888 ZPO, nicht § 894 ZPO erfolge.

Konsequenzen der Entscheidung

Die Entscheidung zeigt einmal mehr, welch zentrale Bedeutung der Gesellschafterliste zukommt. Wer (wenn auch rechtswidrig) noch in der Liste aufgeführt wird, ist grundsätzlich als Gesellschafter zu behandeln. Im konkreten Fall hätte ein langwieriges (und nicht zum Ziel führendes) Handelsregister-Verfahren vermieden werden können, indem die Minderheitsgesellschafterin (in Ausübung des Selbsthilferechtes nach § 50 Abs. 3 GmbHG) auch die Listengesellschafterin CH UG zur Gesellschafterversammlung eingeladen oder aber die einstweilige Verfügung vollstreckt hätte.

Im Ergebnis vermag die Entscheidung jedoch nicht zu überzeugen. Das Kammergericht billigt der nur noch formellen „Listengesellschafterin“ ein Teilnahmerecht zu, obwohl 1. diese aufgrund einer einstweiligen Verfügung verpflichtet war, die andere Gesellschafterin als Alleingesellschafterin zu behandeln, 2. sie ihre Position als Listengesellschafterin allein unter Verletzung des Rechts auf Anhörung der Alleingesellschafterin (wieder)erlangt hatte, 3. die Geschäftsführung der GmbH verpflichtet war, eine korrigierte Gesellschafterliste einzureichen, und 4. die Alleingesellschafterin eine Gesellschafterversammlung ohne Einberufung durch H. (der im Lager der „Listengesellschafterin“ stand) nicht zeitnah (§ 50 Abs. 3 GmbHG) durchführen konnte.

Bereits Punkt 2 sprach dafür, dass die „korrigierte“ Gesellschafterliste im Verhältnis zur GmbH (und damit auch für das die Beschlusslage prüfende Handelsregister) nach § 242 BGB unbeachtlich sein muss, weil die GmbH selbst den zur materiellen Rechtslage in Widerspruch stehenden Rechtsschein gesetzt hatte.

Jedenfalls lag aufgrund von Punkt 3 eine Anwendung von § 242 BGB nahe: Die Konstellation, dass eine GmbH entgegen einer einstweiligen Verfügung eine geänderte Liste einreicht und dadurch einen Gesellschafter faktisch „ausschließt“ (KG GWR 2020, 305), ist im Wesentlichen vergleichbar mit der Konstellation, dass die GmbH einer einstweiligen Verfügung nicht nachkommt, eine geänderte Gesellschafterliste einzureichen, die nur noch einen Gesellschafter ausweist. Der Unterschied liegt darin, dass in dem einen Fall ein materieller Gesellschafter „ausgeschlossen“ wird, während in dem anderen Fall einem Nur-Listengesellschafter „zu viel“ gewährt wird, nämlich ein materiell gar nicht bestehendes Teilnahmerecht. Der konkrete Fall zeigt, dass dies „sehr viel“ sein kann, weil dann zunächst Ladungsfristen zu wahren sind.

Der Verweis des Gerichts auf die Notwendigkeit der Vollstreckung der Verpflichtung zur Listeneinreichung überzeugt nicht. Vollstreckungsrechtlich mag dies zwar zutreffen; im Lichte von § 242 BGB kann sich die GmbH jedoch auch ohne Vollstreckung nicht auf den Rechtsscheintatbestand der Liste berufen, wenn sie an sich verpflichtet wäre, eine abweichende Liste einzureichen. Vorliegend war dies evident unterblieben, weil der einzige Geschäftsführer der GmbH (H.) auch der Gesellschafter der Nur-noch-Listengesellschafterin (CH UG) war.

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Autoren

Foto vonChristin Fischer
Christin Fischer
Senior Associate
Köln
Dr. Georg Dietlein, B.Sc. (BWL)