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Noch eine UWG-Reform: Der weitreichende Regierungsentwurf zur Umsetzung der Omnibus-Richtlinie

Update Gewerblicher Rechtsschutz & Kartellrecht 04/2021

April 2021

Nach der Reform ist vor der Reform: Erst in der letzten Ausgabe des Update IP berichteten wir über das Anfang Dezember 2020 in Kraft getretene „Gesetz zur Stärkung des Fairen Wettbewerbs“, mit dem die Vorschriften des UWG zur Rechtsverfolgung an zahlreichen Stellen geändert wurden. Während Gerichte und Unternehmen noch die Neuerungen dieser UWG-Reform verdauen, steht bereits die nächste UWG-Reform ins Haus. Die Bundesregierung hat im Januar 2021 ihren „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht“ veröffentlicht. Das Gesetz soll eine EU-Richtlinie zur Verbesserung des Verbraucherschutzes umsetzen und sieht zahlreiche Neuerungen wie die Einführung neuer Unlauterkeitstatbestände und Änderungen auf Rechtsfolgenseite vor.

Der Hintergrund

Die Reformpläne der Bundesregierung gehen auf die im Januar 2020 in Kraft getretene Richtlinie (EU) 2019/2161 zurück. Diese Richtlinie wird auch „Omnibus-Richtlinie“ genannt, weil mit ihr zahlreiche Verbraucherschutz-Richtlinien ergänzt und geändert werden sollen. Sie steht im Zusammenhang mit dem sogenannten „New Deal for Consumers“, mit dem die EU-Kommission das Europäische Verbraucherschutzrecht an den Stand der Zeit anpassen wollte. Die Änderungen wiederum werden dort in nationales Gesetz umgesetzt, wo sie auch bisher ihren Niederschlag gefunden haben: im UWG. Die wichtigsten wettbewerbsrechtlichen Punkte sollen hier kurz vorgestellt werden: Neuregelungen zur „Dual Quality“, zum Influencer-Marketing und zu Online-Marktplätzen, ein Schadensersatzanspruch für Verbraucher und ein neuer Bußgeldtatbestand.

Neuer Irreführungstatbestand: Verbot der Verschleierung von „Dual Quality“

Seit einigen Jahren wird in Politik und Medien unter dem Stichwort „Dual Quality“ eine – vermeintliche oder tatsächliche – Marketingstrategie insbesondere von Konsumgüterherstellern diskutiert: Markenhersteller bringen angeblich systematisch Produkte auf den Europäischen Markt, die zwar identisch aussehen, sich in den verschiedenen Ländern aber in Qualität und Zusammensetzung erheblich unterscheiden sollen. Eine Studie der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU-Kommission hat im Jahr 2019 zwar gezeigt, dass das Phänomen weit weniger ausgeprägt ist als behauptet: Nur 9 %der untersuchten Produkte wiesen Unterschiede in der Zusammensetzung auf, obwohl sie nach der Vorderseite der Verpackung identisch aussahen. Der EU-Gesetzgeber sah gleichwohl die Notwendigkeit, die Vermarktung unterschiedlicher Produkte unter identischer Aufmachung durch einen ausdrücklichen Irreführungstatbestand zu verbieten.

Dieser soll in Deutschland nun in einem neuen § 5 Abs. 3 Nr. 2 UWG umgesetzt werden, der für europaweite Spannung sorgen könnte. Nach dieser Vorschrift ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn mit ihr eine Ware in einem EU-Mitgliedstaat als identisch mit einer in anderen Mitgliedstaaten vertriebenen Ware vermarktet wird, „obwohl sich diese Waren in ihrer Zusammensetzung oder in ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterscheiden, sofern dies nicht durch legitime und objektive Faktoren gerechtfertigt ist“. Diese Neuerung dürfte in erster Linie die Industrie treffen, dem Wortlaut nach ist aber auch eine Anwendung der Norm auf den Handel nicht ausgeschlossen.

Nach der Auffassung der Bundesregierung handelt es sich bei dieser neuen Vorschrift nur um eine Klarstellung. Unternehmen könnten auch nach der Neuregelung Waren, die in Rezeptur und Zutaten voneinander abweichen, unter derselben Marke in mehreren EU-Mitgliedstaaten in Verkehr bringen. Unzulässig sei dies nur, wenn die Waren trotz wesentlicher Unterschiede als identisch vermarktet werden. Die Hersteller nicht nur von Lebensmitteln, sondern auch von Konsumgütern jeglicher Art sind daher nun aufgefordert, entweder die Zusammensetzung ihrer Produkte anzugleichen oder Wege zu finden, eine Vermarktung als „identisch“ auszuschließen.

Wann ein hinreichender Grad an „Identität“ erreicht wird und wann Unterschiede „wesentlich“ sind, erläutern Gesetzesentwurf und Entwurfsbegründung nicht. Nimmt man die von der EU-Kommission durchgeführte Studie als Maßstab, wird eine Ware dann als identisch mit einer anderen vermarktet, wenn sie auf der Vorderseite („front of pack“) in Motiv, Farben, Logos, Schriftart, Bildern, Layout und Form gleich aussieht. Unterschiede in der Zutatenliste oder in der Nährwertdeklaration auf der Rückseite einer Verpackung dürften nicht ausreichen, um eine „identische Vermarktung“ auszuschließen. Gleichzeitig soll nach dem Willen der Bundesregierung eine Irreführung dann ausgeschlossen sein, wenn die Unterschiede zwischen den Waren für die Verbraucher leicht zu erkennen sind. Dies sei z. B. dann der Fall, wenn durch das Etikett über bestehende Unterschiede informiert wird. Wird also – über Zutatenliste und Nährwertangabe hinaus – ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Produkt Unterschiede zu Produkten aufweist, die unter gleicher Marke und Aufmachung in anderen Ländern vermarktet werden, ist eine Irreführung nicht mehr gegeben. Wie deutlich und detailliert der Hinweis ausfallen muss, wird eine Frage des Einzelfalls sein. Auch ist noch ungeklärt, ob es ausreicht, dass darauf hingewiesen wird, dass es sich um eine spezielle Zusammensetzung für einen bestimmten Markt handelt („Rezeptur für den deutschen Markt“), oder ob ausdrücklich vermerkt sein muss, dass sich die Zusammensetzung von derjenigen in anderen Ländern unterscheidet – oder auch, worin diese Unterschiede bestehen.

Eine Irreführung soll nach dem Entwurf zudem entfallen, wenn es zwar wesentliche Unterschiede zwischen den als identisch vermarkteten Produkten gibt, diese aber durch legitime und objektive Faktoren gerechtfertigt sind. Erwägungsgrund 53 der Richtlinie nennt als mögliche Faktoren Vorgaben des nationalen Rechts, die unterschiedliche Verfügbarkeit von Rohstoffen, freiwillige Strategien zur Verbesserung des Zugangs zu gesunden Lebensmitteln oder die Anpassung derselben Ware an unterschiedliche Märkte. Ob mit Letzterem auch divergierende Verbraucherpräferenzen gemeint sind, dürfte eine spannende Frage werden: Der EU-Gesetzgeber hat dies aus der Richtlinie im Gesetzgebungsverfahren gelöscht, die Begründung zum Regierungsentwurf hält dies aber für möglich.

Influencer & Co.: Neue Regeln zur Kennzeichnung von Werbung

Der Gesetzesentwurf enthält ferner praxisrelevante Vorgaben zur Kennzeichnung von Werbung, wobei die Bundesregierung insbesondere Influencer-Werbung im Blick hat. Denn die zahlreichen Gerichtsurteile zur Kennzeichnungspflicht von Werbung im Influencer-Marketing haben hier zu Rechtsunsicherheit geführt. Nach der geplanten Neuregelung in § 5 a Abs. 4 UWG liegt ein versteckter kommerzieller Zweck einer geschäftlichen Handlung (also eine unzulässige verdeckte Werbung) dann nicht vor, wenn der Handelnde zugunsten eines anderen Unternehmens tätig wird (also z. B. ein Produkt empfiehlt) und „kein Entgelt oder keine ähnliche Gegenleistung“ für die Handlung erhält. Die Rechtsprechung einiger Landes- und Oberlandesgerichte, wonach Produktempfehlungen in Zeitschriften oder auf Instagram, in denen Produkte gekennzeichnet und mit entsprechenden Auftritten von Produktherstellern verlinkt sind, auch ohne Gegenleistung der empfohlenen Unternehmen eine geschäftliche Handlung sein können, wäre damit vom Tisch. Allerdings wird nach dem Gesetzesentwurf vermutet, dass der Handelnde eine Gegenleistung erhalten hat, solange er das Gegenteil nicht glaubhaft macht. Vom Begriff der „Gegenleistung“ sollen nach der Vorstellung der Regierung nicht nur Geldzahlungen, sondern auch (Test-)Produkte, die der Werbende nutzen und behalten darf, sowie Pressereisen, das Stellen von Ausrüstung oder Kostenübernahmen umfasst sein.

Neue Vorgaben für Online-Marktplätze

Nach einem neuen § 5 b UWG sollen zukünftig weitere Informationspflichten gelten, die insbesondere für die Betreiber von Online-Marktplätzen relevant sind. Diese zusätzlichen Informationsvorgaben sind nicht zuletzt deshalb bemerkenswert, weil der Gesetzgeber die Rechtsverfolgung von Verstößen gegen solche Informationspflichten zuletzt erschwert hat. So können Mitbewerber nach der jüngsten UWG-Reform bei Verstößen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien und gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten keinen Ersatz ihrer Abmahnkosten mehr verlangen.

Diese müssen z. B. zukünftig darüber informieren, ob es sich bei den Anbietern auf ihrem Marktplatz um Unternehmer handelt. Dies ist aus Sicht des Gesetzgebers eine wesentliche Information, weil Käufern nur dann die im EU-Verbraucherschutzrecht vorgesehenen Ansprüche und Rechte zustehen. Zudem müssen Unternehmen, die Verbrauchern die Möglichkeit bieten, nach Waren oder Dienstleistungen von verschiedenen Anbietern zu suchen – neben Online-Marktplätzen z. B. auch Vergleichsportale und Online-Vermittlungsdienste –, zukünftig „die Hauptparameter“ zur Festlegung des vom Unternehmer präsentierten Rankings sowie die relative Gewichtung im Vergleich zu anderen Parametern offenlegen. Zur Erfüllung dieser Informationspflicht ist es ausreichend, die Basis des Algorithmus in abstrakter Form zu beschreiben; es ist weder erforderlich, die Informationen jeweils passend zu der konkreten Suchanfrage zu erteilen, noch muss der Unternehmer so ins Detail gehen, dass er Gefahr läuft, seine Geschäftsgeheimnisse zu offenbaren.

Flankierend dazu wird in Nr.°11 a des Anhangs zu § 3 UWG verdeckte Werbung in Such­ergebnissen als neuer „Blacklist-Tatbestand“ verboten. Nicht erfasst von der neuen Transparenzpflicht werden Online-Shops, die nur ihre eigenen Produkte anbieten, sowie „normale“ Suchmaschinen. Hier verweist die Entwurfsbegründung auf Art.°5 Abs.°2 der Verordnung (EU) 2019/1150, der bereits eine Pflicht für Online-Suchmaschinen-Betreiber zur Information über die Hauptparameter für ihre Suchergebnisse vorsieht.

Schließlich muss nach § 5 b Abs.°3 des Entwurfs ein Unternehmer, der Kundenbewertungen zugänglich macht, darüber informieren, ob und wie er sicherstellt, dass die Bewertungen von solchen Verbrauchern stammen, die die betreffenden Produkte auch tatsächlich genutzt haben. Ergreift der Unternehmer keine Maßnahmen, so muss er hierauf hinweisen. Ergreift er Maßnahmen, so muss die Beschreibung dieser Maßnahmen auch Informationen dazu umfassen, nach welchen Kriterien Bewertungen beispielsweise mangels nachweislicher Echtheit aussortiert werden und ob alle Bewertungen unabhängig von der Frage, ob sie positiv oder negativ ausfallen, veröffentlicht werden. Die Gesetzesbegründung geht mit diesem Erfordernis über den unmittelbaren Wortlaut der Norm und der Richtlinie hinaus.

Änderungen der Rechtsfolgen unlauteren Verhaltens

Die typischen, praktisch relevanten Rechtsfolgen unlauteren Verhaltens bestehen in dem im Fokus stehenden Unterlassungsanspruch und den Annexansprüchen der Auskunft und des Mitbewerberschadensersatzes. Die im Jahr 2004 eingeführte Gewinnabschöpfung ist im Einzelfall ein scharfes Schwert, hat aber keine gleichrangige Relevanz erlangt. Mit der jetzt anstehenden Änderung werden diesem Strauß an Rechtsfolgen ein Schadensersatzanspruch des Verbrauchers sowie für das UWG neuartige Bußgeldvorschriften eingeführt.

Zukünftig sollen Verbraucher einen direkten Schadensersatzanspruch gegen Unternehmer haben, die vorsätzlich oder fahrlässig eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vorgenommen haben, wenn die Verbraucher hierdurch zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst wurden, die sie andernfalls nicht getroffen hätten. Betreibt ein Unternehmen also z. B. eine irreführende Werbung und kann ein Kunde nachweisen, dass er ein Produkt ohne die Irreführung nicht erworben hätte, so ist der Unternehmer dem Kunden zu Schadensersatz verpflichtet.

Diese Neuerung, die ebenfalls auf die Vorgaben der Omnibus-Richtlinie zurückzuführen ist, wäre nicht nur ein Bruch mit einem jahrzehntealten Prinzip, wonach das UWG – auch wenn es nicht zuletzt dem Verbraucherschutz verpflichtet ist – keine direkten Ansprüche für Kunden und Verbraucher vorsieht. Die Bundesregierung hat mit dem neuen Tatbestand vor allem die Schließung von Lücken im Blick, die angeblich bestehen, wenn zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer kein Vertragsverhältnis entstanden ist. So etwa, wenn ein Unternehmer über die Verfügbarkeit einer als besonders günstig beworbenen Ware irreführt und Verbraucher frustrierte Aufwendungen für das vergebliche Aufsuchen des Geschäfts erleiden. Zwar würde mit der neuen Regelung neben die Ansprüche von Verbrauchern aus dem BGB ein weiterer Anspruch treten, der insbesondere bei Fällen fahrlässiger irreführender geschäftlicher Handlungen ohne Bestehen eines (vor-)vertraglichen Schuldverhältnisses Schutzlücken schließen kann, es würden sich allerdings auch zahlreiche neue Fragen zum Verhältnis zu bestehenden Rechtsbehelfen und ihren Voraussetzungen nach dem BGB stellen, nicht zuletzt den Gewährleistungsrechten nach § 437 BGB und dem Anfechtungsrecht wegen Irrtum und wegen arglistiger Täuschung nach § 119 und § 123 BGB.

Neue Ordnungswidrigkeit: „Verletzung von Verbraucherinteressen“

Bemerkenswert im Entwurf der Bundesregierung ist auch die Einführung einer neuen Ordnungswidrigkeit, mit Bußgeldern, die aufhorchen lassen: So soll es nach dem geplanten § 19 UWG möglich sein, dass Behörden bei der „Verletzung von Verbraucherinteressen“ ein Bußgeld von bis zu EUR 50.000 verhängen. Hat das Unternehmen aber einen Vorjahresumsatz von EUR 1,25 Mio. erzielt, darf das Bußgeld auch höher ausfallen, bis zu 4 % des Jahresumsatzes. Diese erhebliche Verschärfung bringt die Bußgeldhöhe in die Nähe von bisher nur aus dem Kartellrecht oder dem Datenschutzrecht bekannten Dimensionen.

Doch was hat es mit dem ominösen Tatbestand der „Verletzung von Verbraucherinteressen“ auf sich? Bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass die geplante Neuregelung in der Praxis wohl eher eine untergeordnete Rolle spielen wird.

Nach einem § 5 c Abs. 1 UWG soll die „Verletzung von Verbraucherinteressen durch unlautere geschäftliche Handlungen“ verboten sein, wenn es sich um einen „weitverbreiteten Verstoß“ oder einen „weitverbreiteten Verstoß mit Unions-Dimension“ gemäß der Verordnung (EU) 2017/2394 über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden handelt. Was eine Verletzung von Verbraucherinteressen ist, wird in § 5 c Abs. 2 definiert: Darunter fallen Verstöße gegen einen Blacklist-Tatbestand, aggressive geschäftliche Handlungen nach § 4 a UWG, Irreführungen nach §§ 5 und 5 a UWG, sowie unlautere geschäftliche Handlungen nach § 3 UWG, die trotz einer vollziehbaren behördlichen Anordnung oder eines vollziehbaren gerichtlichen Verbots fortgesetzt werden.

Die Formulierung dieser Neuregelung ist kurios. Denn nimmt man sie wörtlich, ist nach ihr ein unlauteres Handeln nur dann als Verletzung von Verbraucherinteressen verboten, wenn es sich um einen „weitverbreiteten Verstoß“ handelt. Darunter fallen nach der Verordnung (EU) 2017/2394 wiederum nur Verstöße gegen EU-Verbraucherschutzvorschriften, die „die Kollektivinteressen von Verbrauchern“ schädigen, die in mindestens zwei anderen Mitgliedstaaten als dem Mitgliedstaat des betreffenden Unternehmens ansässig sind, oder die in mindestens drei Mitgliedstaaten gleichzeitig stattfinden und gemeinsame Merkmale aufweisen. Erst wenn ein unlauteres Handeln also solche länderübergreifenden Dimensionen erreicht, soll es als „Verletzung von Verbraucherinteressen“ verboten sein. Mit etwas bösem Willen könnte man im Gegenschluss also folgern, dass alles Verhalten unterhalb dieser Schwelle – und mag es auch noch so unlauter sein – erlaubt sein soll. Tatsächlich ist die Vorschrift aber wohl im Zusammenhang mit dem neuen Bußgeldtatbestand in § 19 UWG zu lesen. Nur wenn das unlautere Verhalten grenzüberschreitende Größenordnungen hat, dürfen Behörden Bußgelder von bis zu 4 % des Jahresumsatzes verhängen. Und diese Möglichkeit ist durch den geplanten § 19 Abs. 3 weiter eingeschränkt: Geahndet werden kann der neue Tatbestand der „Verletzung von Verbraucherinteressen“ nur im Rahmen einer koordinierten Durchsetzungsmaßnahme, also dann, wenn die zuständigen Behörden von mindestens zwei Mitgliedstaaten sich über den Verdacht eines weitverbreiteten Verstoßes informieren und gemeinsame Durchsetzungsmaßnahmen nach Art.°21 der Durchsetzungsverordnung ergreifen.

Solche koordinierten Durchsetzungsmaßnahmen der nationalen Behörden nehmen nicht zuletzt über das Netzwerk für die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz („CPC“) unter der Federführung der Kommission zu und fanden jüngst etwa im Zusammenhang mit irreführenden und betrügerischen Online-Angeboten zu Produkten zum vermeintlichen Schutz vor COVID-19 statt. Zum Regelfall und / oder einem ernsten Risiko für jede offensive Verkaufs- und Werbeaktion dürften sie aber nicht werden.

Fazit

Der Regierungsentwurf zur Reform des UWG enthält zahlreiche, sehr praxisrelevante Neuerungen, von denen hier nur eine Auswahl beleuchtet werden konnte. Manches, wie der Schadensersatzanspruch für Verbraucher oder der neue Bußgeldrahmen, ist fast schon ein Paradigmenwechsel im Wettbewerbsrecht. Andere Regelungen, wie die neuen Informationspflichten für Online-Marktplätze und Vergleichs- und Vermittlungsportale, sind geradezu ein Musterbeispiel bürokratischer Überregulierung, zumal der Gesetzgeber Verletzungen solcher Pflichten mit der letzten UWG-Reform gerade erst zu Bagatellverstößen deklariert hat.

Ob das Gesetzesvorhaben noch vor der Bundestagswahl im September durchgebracht wird, ist ungewiss. Die Zeit für die Umsetzung der Omnibus-Richtlinie ist allerdings knapp: Diese sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die Richtlinie bis zum 28. November 2021 in nationales Recht umsetzen. Spätestens ab dem 28. Mai 2022 müssen die nationalen Regelungen gelten.

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Dr. Nikolas Gregor, LL.M. (Boston Univ.), Maître en droit
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