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Reichweite der Berücksichtigung nachbarlicher Interessen in der Abwägung bei Änderung eines Bebauungsplans

Update Real Estate & Public 04/2021

April 2021

Hintergrund

Stellt die Gemeinde einen Bebauungsplan auf und ändert damit Art und Maß der zulässigen baulichen Nutzung in einem bestimmten Bereich, so betreffen diese Änderungen u. U. auch die Eigentümer von benachbarten, nicht selbst im Plangebiet liegenden Grundstücken. Aus diesem Grund sind als private Interessen im Rahmen der planerischen Abwägungsentscheidung der Kommune auch die nachbarlichen Interessen angrenzender Grundstückseigentümer zu berücksichtigen.

Die Entscheidung

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschluss vom 28.10.2020 – 4 BN 44/20) betrifft einen Fall, in dem in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstück ein neues Wohngebiet auf einer zuvor unbebauten, durch Gärten geprägten Fläche durch Bebauungsplan festgesetzt wurde. Die Eigentümer des bereits bebauten Grundstücks fürchteten hierdurch eine Zerstörung des Landschaftsbildes, Sichtbeeinträchtigungen, eine starke Beengung und eine unzumutbare Verschattung ihres eigenen Grundstücks und wandten sich im Wege der Normenkontrolle gegen den Bebauungsplan.

Das BVerwG wies die Klage ab, weil es den Antragstellern an der Antragsbefugnis fehle, da sie nicht geltend machen konnten, möglicherweise in einem abwägungserheblichen Belang verletzt zu sein. Als nicht abwägungserheblich stufte das BVerwG insbesondere geringwertige Interessen ein sowie solche, auf die nicht in schutzwürdiger Weise vertraut werden konnte, und ferner Interessen, die für die Gemeinde bei der Abwägungsentscheidung nicht erkennbar waren. Das Gericht hob hervor, dass schutzwürdiges Vertrauen insbesondere dann nicht begründet werde, wenn benachbarte Grundstücke unbebaut seien. Es ist anerkannt, dass ein schutzwürdiges Interesse dann besteht, wenn durch ortsrechtliche Festsetzung die Nutzung der Nachbargrundstücke bereits festgelegt war und die bisherige Nutzung geändert werden soll (BVerwG, Beschluss vom 20.08.1992 – 4 NB 3.92). Auf die Freihaltung eines Gebiets von Bebauung besteht hingegen grundsätzlich kein nachbarlicher Anspruch. Soweit die Antragsteller sich auf die Gefahr einer Verschattung ihres Grundstücks beriefen, sei auch deshalb kein Individualinteresse potenziell durch die Abwägung verletzt, weil die zwischen Gebäuden nach dem Bauordnungsrecht üblicherweise einzuhaltenden Abstandsflächen um ein Mehrfaches überschritten waren. Zuletzt stellte das BVerwG klar, dass ein privates Interesse an der Erhaltung einer Aussichts- oder Ortsrandlage ebenfalls nicht per se in die Abwägung Eingang finden muss. Ein solches Interesse sei nur zu berücksichtigen, wenn eine besondere Qualität der gefürchteten Sichtbeschränkungen dargelegt wird.

Tipp für die Praxis

Mit der Entscheidung bekräftigt das BVerwG, dass die planerische Grundlage von Bauvorhaben auf zuvor unbebauter Fläche von benachbarten Eigentümern nicht mit jedweder Begründung angefochten werden kann. Soll ein Normenkontrollverfahren angestrengt werden, so hat der Nachbar hierfür einigermaßen gewichtige Gründe vorzubringen.

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Autoren

Foto vonNicole Köppen
Nicole Köppen
Senior Associate
Frankfurt